Dienstag, 25. Juni 2013

was war und was ist


Reduktion, vor allem Reduktion. Da so vieles ausgeschaltet war, kam Klarheit.

Eine äußere Ordnung. Eine Ordnung in allem: im Raum, in der Zeit, im Essen und Trinken, im Arbeiten, in der Bewegung. Heilsame Wirkung.

Versiegendes Wollen. Meine Gedanken schweifen, springen, toben mich an. Ich lasse sie, und lasse sie doch wieder nicht. Wie es kommt, wie es soll. Und weil ich nichts will - vielleicht - glätten sich die Empfindungen. (Das "weil" hierbei ist Spekulation. Ich suche ja doch immer nach Kausalität in der Welt. Ich Anfängerin.) Jedenfalls: Das tosende Auf und Ab der Gefühle wird zu einer besänftigten, gleichmütigen Linie. Ein Geländer der Zuversicht, der Kraft, der sanften Festigkeit.

Konfrontation. Mit mir, immer wieder mit mir. Tränen fließen. Ringsum im Raum ja auch, bei so vielen.

Begegnung mit meinen Eitelkeiten, von denen ich nie laut sagen oder auch nur denken würde, dass ich sie habe.

Schmerzerleben. In Starre nur schwer auszuhalten. In Bewegung, auch in vorgestellter, wird es leichter.

Ein Labyrinth. Alles ist wie ein Labyrinth.

Erleichterung, ein Schweben fast,  dass hier keine Interaktion von mir gefordert ist, keine Kommunikation, nicht einmal mit den Augen.

Sitzen und bügeln. Genauer gesagt: mangeln. Ich mangele Handtücher, stundenlang. ("mangeln" - eine Tätigkeit, die mir vorher noch nie begegnet war). Die Fragen nach Sinn und Dauer und meinem gebeugten Rücken werden mit jeder Falte, welche sich in die warme Enge schiebt, kleiner. Am Ende sind es meine Hände, die mich führen. Durch die immergleiche Bewegung, durch den Kreis, den ich mit einem jeden Tuch, mit einer jeden Falte durchlaufe, wird - ja, was? - wird es fragenlos. Fraglos.

Die Kraft eines Wortes. Da tagelang so wenige Worte gesprochen werden, darf sich jedes einzelne entfalten. Darf seinen Nachhall tönen lassen, darf in seine volle Wirklichkeit kommen. Es ist fast nicht zu glauben.

Sitzen. Sitzen und atmen. Mit dem Körper sein. Ein Kreuz spüren - auf den Fußsohlen, und in mir, die Horizontale, die Vertikale.
Die Stille hinter der Stille. Lauschen.
Und tanzen. Ein Kreuz tanzen, ins Paradies tanzen. Lachen.
Die Stille als Keim lebendigsten Lebenstanzes. Auch das erfahre ich.
Es ist wirklich fast nicht zu glauben.


Und dann: Aufbruch.

In der letzten Stunde unseres Aufenthalts sprechen wir wieder.
Eine Email-Adresse bringe ich mit. Weil sich unsere Geschichten so gleichen. Wir hatten uns im Schweigen gefunden. Aber vielleicht gleichen sich ja ohnehin alle Geschichten. So dass man einen jeden finden könnte, öffnete man sich vollkommen.

Im Auto bebt der Boden. Ja, der Boden. Es ist natürlich der Autositz, das fahrende Auto, aber für mich in dem Moment mein Boden. Nie sonst habe ich das gespürt. Nie sonst wohl war mein Körper so in der Langsamkeit und Ruhe angekommen, im Ertasten kleinster Schwebungen, dass die normalen, die ja alltäglichen Erschütterungen zu wahren Erdbeben werden. Alles schwankt. Ich halte das Autofahren fast nicht aus. Muss mehrmals unterwegs auf einen Parkplatz fahren, aussteigen, mich ins Gras setzen oder stellen.

Zu Hause eine Flut von Worten. Viele, laute, wilde, nichtssagende, auch ungute und grobe, all das. (Und welche davon habe ich selbst hervorgebracht? Man bringt ja nicht nur mit dem Mund hervor, man löst ja auch vieles aus mit seinem Tun und Sein. - Also oder sowieso: annehmen, all diese Worte, mich versöhnen. Es ist ja doch mein Leben, all das.)

Zwei Kissen bringe ich mit. Und die Sehnsucht nach Stillsein im Alltag. Ich werde üben. Mir - bzw. ihr, der Stille - Zeit und Zeiten einräumen. Das zweite Kissen ist - dachte ich - um mein Kind mit hineinnehmen zu können. Das eine, und auch das andere. Wenn es denn will. Das eine will. Das eine setzt sich mit mir hin, unendlich ruhig, und ausdauernd, und versonnen, und tiefspürend, und atmend, und liebend, und strahlend. Wir haben mehr Zuversicht miteinander gefunden als in all den Wochen zuvor.

Danke.


Donnerstag, 20. Juni 2013

verlangsamen

Für ein paar Tage werde ich mich ins Schweigen zurückziehen. Hierher nämlich (klick).
Fast schon wollte ich nicht fahren. Denn ich vermute ja, dass sich meine Ängste, Verwirrungen, Zweifel, all dieses Gedankenkarussell, die Aufs und Abs der Gefühlsachterbahn ohnehin nicht zur Ruhe bringen lassen werden, auch nicht durch die Stille solch eines äußeren Raums. Dann werde ich da sitzen, und es kreiselt weiter und weiter ...
Darf ich auf ein wenig Verlangsamung hoffen? Oder ist das schon zu viel gewollt? Sollte ich am besten überhaupt gar nichts erwarten?

Mittwoch, 19. Juni 2013

vorangehen

Jemand (eine Jemandin, der ich sehr danke!) hat mir dieses hier (klick) gezeigt. Zur rechten Zeit, dieser ach so passende Text, der mir mehr Augen öffnete, mehr Hoffnung schenkte in unserer Situation als ich irgendwo anders finden konnte.

Nein, nicht genau das ist uns passiert. Lang nicht so extrem, und nicht über eine so lange Zeit. Eine andere "Variante" - harmloser vielleicht (und das ist immer noch schlimm), und in Kombination mit etwas, bei dem ich (noch) kein Outing wage, weiter kryptisch bleibe.

Die Tochter wächst an ihrem Weg. Tag für Tag ein Stück. Ich habe beim Lesen dieses Textes so viele gute Ideen bekommen, die meinem dringlichen Bedürfnis, sie für ihren gegenwärtigen Alltag zu stärken, konkrete Formen anbieten, die meiner Hilflosigkeit die Nahrung entziehen. Auch wenn es wieder Momente gibt und geben wird, da mich Zweifel und Unfähigkeitsgefühle überfallen. (Das ist ja nun eines meiner Lebensthemen. Aber es sollte eben keines der Tochter werden ...)

Es ist leichter geworden, weil eine Entscheidung gefallen ist. Falls nicht noch ein Paukenschlag kommt, oder ein ganzer Baum quer auf unseren Weg stürzt, wird es Weg B werden.
Es tut gut, keinen riesigen Entscheidungsberg mehr vor sich zu haben. Nur noch kleine Berglein. Vor allem die tägliche Frage, inwieweit ich dem Kind seinen Weg nun abpolstern kann und sollte. Auf Watte kann man nicht laufen lernen. Aber sich an schroffen Stolperstellen ständig blutige Knie und Hände zu holen, das ist nicht lange auszuhalten.
Wie viel Vertrauen muss ich ihr schenken?
Wie viel kann ich ihr zumuten?
Wie viel eingreifende Hilfe braucht sie, wie viel Geländer, wie viel Schonung, wie viel Schutzraum?

Wir balancieren weiter.
Und das geht besser, wenn man sich nicht ängstlich an sich selbst oder an den anderen klammert, sondern wenn man die Arme weit ausbreitet, wie Schwingen, wie Flügel ...

Freitag, 7. Juni 2013

Mein Kind,

nun sind wir mitten in der Entscheidung - Weg A oder Weg B - und es ist so alles andere als leicht. Für Dich nicht, für mich nicht, und wir haben beide nun auch schon ausreichend Tränen geweint.
Zuerst Du: Weg A hat Dir wehgetan, mehr und mehr, und Du hast es lange nicht gezeigt, hast es mit Dir selbst abgemacht, hast groß sein wollen, hast tapfer sein wollen, hast nichts erzählt. Bis es aus Dir herausbrach. Ich weinte mit. Und wusste sofort: jetzt sind die Karten neu gemischt, jetzt dürfen wir die Entscheidung nicht länger vor uns herschieben. Ja, wir hatten uns eine ganze Weile davor gedrückt. Wenn der Tränensee überläuft, kann man sich nicht mehr drücken.
Nun probieren wir also Weg B. Ob es noch "probieren" ist, oder letztlich schon endgültig? Ich weiß es nicht. Du weinst wieder. Hast anfangs wieder versucht es zu verstecken, hast gesagt "es ist gut", und doch haben Deine Augen nicht mitgelacht. Hast wieder gedacht, Du müsstest groß sein, und tapfer, und wie man das eben so nennt, wenn ein kleiner Mensch seine Gefühle herunterschluckt. Nein, diesmal war ich wacher. Habe so lange gebohrt, bis Du losgeweint hast. Damit Du Dich nicht wieder an Deiner Traurigkeit verschluckst. Und an Deiner Trauer über einen Abschied, dessen Tiefe mir vorher nicht bewusst war. So viel Liebe in Dir, so viel Schmerz jetzt - ich ahnte nicht, wie stark es in Dir fühlt.
Ich habe wieder mitgeweint. Habe Dich ermutigt, alle Deine Tränen fließen zu lassen, habe mit Dir über Deine Trauer gesprochen, und ob Du nicht Bilder malen könntest, und einen Brief schreiben. Ich kann mir vorstellen, dass Du das tun wirst. Zu sehr wühlt es in Dir. Immer wieder in diesen Tagen weine ich mit. Und wenn Du zwischen allen Gefühlen hin und her wankst und schwankst, wenn Du von einer Ecke Deines Inneren in die andere geworfen wirst, dann wirft es mich mit, dann reißt es mich mit Dir in Höhen und Tiefen, und wie. Dabei weiß ich nicht, ob das gut ist für Dich. Oder ob es Dir mehr helfen würde, wenn ich Zuversicht ausstrahlte? Dir Mut machte? Mit Dir zusammen ein hoffnungsvolles Zukunftsbild malte? Statt mitzuweinen und mitzuwanken und mitzuschwanken.
Ich weiß es nicht. Mein eigener kleiner Mut sackt zwischendurch ja immer wieder zusammen, meine Zuversicht blinkt längst nicht mehr so hell wie noch vor einiger Zeit, und ich weiß selbst nicht, ob es der richtige Weg ist, dieser Weg B. Vielleicht haben wir uns um Weg A nur nicht genug bemüht? Vielleicht hätten wir erstmal daran arbeiten müssen, wir zusammen mit Dir? Ich weiß es nicht.
Manchmal aber in diesen Tagen, manchmal war da auch ein Lichtschimmer. Du hast Neues entdeckt, hast dabei gestrahlt. Bist Riesenschritte gegangen, bist über Dich hinausgewachsen, und das Wachsen hat kein Ende. Bewältigst gerade - in diesen Minuten, da ich dies hier schreibe - eine weitere Hürde, deren Höhe Dir und mir noch gar nicht bewusst ist. Ich bin gespannt, wie ich Dich nachher in die Arme nehmen darf - und habe Angst davor. Wirst Du wieder so traurig schauen? Oder mir fröhlich hüpfend entgegenkommen?
Ich spüre, Du bist genauso zerrissen wie ich. Vielleicht sollten wir uns an unseren Fluss setzen, die Beine im Wasser baumeln lassen, und einfach nur da sitzen. Vielleicht würde mit dem Fluss auch Zuversicht zu uns fließen. Und die Kraft, unseren Blick nicht auf die Schmerzen und das Schwere zu richten, welches die Wege mit sich bringen, sondern auf die Räume, die sich öffnen, ganz gleich auf welchem der beiden Wege. Vielleicht müssen wir also eine andere Blickrichtung finden. Vielleicht kannst Du das sogar schon besser als ich. Schließlich hast Du gestern diesen Satz gesprochen, der so voller Stolz und Festigkeit und Gewissheit und Strahlen war, dass ich nur staunen konnte. Vielleicht bist Du jetzt meine Lehrerin, und ich muss nur schauen, wohin Du Deine Schritte setzt. Ob auf Weg A oder auf Weg B - vielleicht weißt Du tief im Innern schon, wohin es Dich führen wird. Vielleicht ist das Entscheiden gar kein Tun, das von uns gefordert ist, sondern ein Lauschen. Vielleicht bist Du die bessere Zuhörerin?
Ich liebe Dich, mein Kind.

Mittwoch, 5. Juni 2013

unterwegs - Tag 1

Ein paar Erzählfotos von meinen Tagen an friedlichen Flüssen.
(Ein eigenartiges Gefühl, meine Fotos anzuschauen. Darüber legen sich die Nachrichtenbilder dieser Tage - obwohl es ja nicht die gleichen Flüsse sind - und mein erschrecktes Staunen und demütige Dankbarkeit und gute Gedanken in Richtung der Menschen an den gerade tobenden Flussgewalten ...)


Hier also fing mein Unterwegs an.




Und nach Verlassen der Anreisestadt dann hier.






Die ersten 50 km gingen am Kanal (das ist das Wasser in der Mitte) entlang, der - man sieht es hier schlecht - ein gutes Stück höher liegt als die umliegenden Seen. (Jedenfalls vor zwei Wochen war dies so.)



Hier etwas besser zu sehen: Kanal fließt über Flüsschen. Wasser hoch über Wasser - sehr ungewohnt.




Merke: Wenn im Radreiseführer von einem "Treidelpfad" die Rede ist, dann ist darunter ein ca. 10 cm breiter Sandstreifen, verträumt zwischen mannshohen Gräsern liegend, zu verstehen. Hier auf dem Bild war er direkt noch harmlos breit und die Gräser harmlos niedrig. Später, an den wirklichen Engstellen, war wegen Spur- und Balancehaltens für Fotos keine Zeit mehr. Jedenfalls sah das Fahrrad nach der Passage aus, als hätte man ihm ein Strohröckchen angezogen. Die letzten Grashalme finde ich heute noch in der Schaltung ...




Später dann Wege mit mehr Weite. Fast den ganzen Tag lang in himmlischer Abgeschiedenheit. Sehr still, sehr ruhig, sehr einsam. Sehr gut.






Auffallend viele Linkskurven, sehe ich gerade. Ich bin doch aber nicht im Kreis gefahren ?!? - Auf Abgeschiedenheit sollte man sich im Übrigen nicht verlassen. Nachdem ich stundenlang keinem einzigen Radler begegnet war, erschien der erste (und für Stunden letzte) just in dem Moment, als ich am Wegesrand völlig unverhüllt das tat, was man eben von Zeit zu Zeit tun muss. Äm ja, so war das. Höflicherweise schaute der gute Mann sich sehr beflissen den Kanal an, während er vorbeifuhr :))



Hieran führte mich der Tag vorbei ...










... und von Zeit zu Zeit auch an Nichtidyllischem.




Hier, das war kurz nach einem Hagelschauer. Körner und Gesicht waren schon wieder aufgetaut, das Gewitter weitergezogen, die Sonne schien. Dachte ich. Bis ich losfuhr --- und das Gewitter einholte. Also wartete --- weiterfuhr --- es wieder einholte. Wieder wartete --- es wieder einholte. Eine Lehrstunde: Geschwindigkeit führt geradewegs in den Sturm, Langsamkeit lässt Sonne und Wärme bei mir.




Kein Straßencafé in diesem Ort, und auch nicht im nächsten - das erlebten wir letzten Sommer auf der französischen Rheinseite schon ebenso - damals suchten wir sogar noch alle Nebenstraßen ab, jetzt fuhr ich schnell weiter.




Aber auch keine Bänke in Kanalnähe. (Klar, wenn hier nur 10 bis 20 Radler im Jahr vorbeikommen, lohnt sich das natürlich nicht.) Also ein Mittagspicknick an der Schleuse. Das heißt, an einer Schleuse. Der zweiten von sechsundzwanzig nämlich.




So groß mein wohliges, vertrautes Gefühl bei den ersten noch war - bin ich doch in Schleusennähe großgeworden - so sehr gewöhnte ich mich im Laufe des Tages an den Anblick. (Gewöhnung beraubt mich? Ja, ist das so?)
Hier also die 23., mit Schleusenwärterhäuschen (denke ich mir - und weiß doch nicht genau, wozu diese immer gleichen Häuschen wirklich dienten. Wenn es hier also je einen Schleusenwärter gab, dann ist dieser längst durch eine automatisierte Bedienung ersetzt.)






Wegweisung ...




... nach Sarreguemines ...




... und Wechsel auf die andere Flussseite.
Ja, inzwischen war es  kein Kanal mehr, sondern die Saar, an der ich entlangfuhr.
Wie oft ich in den fünf Tagen die Seite gewechselt habe, wie viele Brücken also überquert, das kann ich nicht mehr zählen.





Übernachtung zu Füßen dieses Turmes und unter diesem Himmel.




***

Wie staune ich, so viele finstere Wolken auf den Bildern zu finden. In meiner Erinnerung ist der erste Tag durchgängig hell. So ist das mit der Erinnerung.
Wie staune ich auch, dass Ihr aus meinem letzten Eintrag dieses Atemlose herausgelesen habt. Ich hatte es mir selbst nicht bewusst gemacht, oder nicht eingestanden, oder nicht benennen wollen - wer weiß. Ja. Vielleicht habe ich auf dieser Reise mein Leben der letzten drei Jahre durchfahren. Mein atemloses Leben, welches mich in einem (über)fordernden Tempo in unzählige Zerrissenheitssituationen geworfen hat, so dass der Horizont der Ruhe immer häufiger aus meinem Blickfeld verschwunden war.

Jetzt, in diesen Tagen, scheint mir, taucht er allmählich wieder auf.
Ich bin einen ganzen Vormittag lang allein zu Hause, ohne Kinder, ohne Schule - und bin.
Ich räume abends, nach Intensivkinderstunden - so viele Baustellen, so viel Wirbel im Moment in diesen beiden jungen Leben - das Haus auf, und die Wäsche, und die Küche, und sinne dabei nach über dies und das - und bin.
Ich lausche in mein Bauchweh hinein, welches die eine heftige Kindesbaustelle in mir bereitet, und träume davon - gut und ungut - und spreche darüber - laut und leise - und wende es nach allen Seiten, und bewege es in mir, um mich ihm nicht auszuliefern, sondern zu öffnen, und spüre dabei, wie ich ruhiger und zuversichtlicher werde, für den Moment jedenfalls - und bin.
Ich setze mich in die Sonne, mit Kaffee in der Hand, und Vogel-Eltern-Kinder-Gesprächen über mir, und Wolkenschattenspielen auf mir, und Sonnenlächeln außen wie innen - und bin.
Sein.
Einfach so.
(Das unwillkürlich hervorpreschende PS, dass das "Einfach so" so einfach eben doch nicht und nie ist, denke und schreibe ich für heute ganz klein.)

Sonntag, 2. Juni 2013

unterwegs

Nun bin ich wieder da.
An der Saar und an der Mosel war ich unterwegs, allein, mit meinem Fahrrad, mit meinen Kräften, meinem Schwachsein, meinem Willen, meinem Trotz, meinem Michfügen, meiner Sturheit, meinem Wachsein, meiner Blindheit ... und wer sonst noch alles mitfährt auf solchen Wegen, die man stets erst suchen, und manchmal auch verlieren muss, um sie allmählich zu finden.
Ein Spiegel, ein wirklicher Spiegel.
Warum ich so viele Kilometer fuhr - zwei ganze Flüsse entlang in fünf Tagen - und oft so schnell, so tempoversessen unterwegs war und so selten in die Ruhe fand, obwohl ich doch immer wieder in Landschaften und Räume eintauchte, in denen ein starker Verweilenswunsch nach einem Halt rief, und dem ich doch nicht nachgab - das verstehe ich selbst nicht ganz. Ich ahne nur.
Warum ich immer wieder Ausruhbänke und Cafes und Einkehrmöglichkeiten liegen ließ, obwohl ich doch eigentlich dringend eine Pause ersehnte, und warum ich manchmal fast bis zum körperlichen Kollaps (gefühlt jedenfalls) weiterfuhr - das erschließt sich mir nicht. Ich ahne nur.
Warum ich die Einsamkeit suchte, aus Städten floh, und aus Begegnungen, und daher auch den Regentag sehr genoss, an dem ich die Wege mit kaum jemandem teilen musste außer mit dem beharrlichen Nass von oben (ansonsten nämlich: das ist eine Radfahrerautobahn dort - wer in der Stille radeln will, sollte nicht die Mosel wählen), und mich doch am Wegesrand und in den Unterkünften in den Gesprächen mit anderen Radfahrern festsaugte - ich glaube, die waren teilweise schon leicht genervt - das weiß ich nicht. Ich ahne nur.
Warum der Moment, als mir beim Fahren der Hagel ins Gesicht schlug, schmerzvoll, und doch keine Unterstellmöglichkeit weit und breit sich bot, so dass ich mich nur mit geschütztem Gesicht unter einen Busch kauern konnte - warum ausgerechnet dieses Erleben einer der eindrücklichsten Momente der Fahrt war - das erfasse ich nicht in seiner ganzen Tiefe. Ich ahne nur.
So viel bringe ich mit.

So schnell aber strömt hier alles wieder auf mich ein.
Ein Schulstart, der nach den Pfingstferien immer besonders schwierig zu gestalten ist. Dabei ein aus allen Nähten platzender Terminkalender. Der Sohn ist schon fast im Abflug zu einer Orchesterreise, und muss drumherum etliche Klassenarbeiten vorbereiten (und plötzlich ist sein Zensurenehrgeiz erwacht:) - ich schmunzele und freu mich an seiner Selbstständigkeit). Der Tochter stehen allerwichtigste Schritte bevor, die mit viel Wachheit zu begleiten sind (uiuiui, ich hatte das die Ferien über verdrängt - und jetzt schlottern mir wieder die Knie, innerlich) - und dazu erste Orchesterauftritte, mit einem größeren Cello, welches langerwartet in den nächsten Tagen hier einziehen wird, und ein nachzufeiernder Kindergeburtstag, der noch nicht mal richtig in Planung, aber von ihr schon heiß herbeigesehnt ist.
Und ich soll Bruckner singen, und mag die Messe nicht. Noch nicht? Weil ich mich bisher nicht mit allen Fasern ins Ungewohnte hineinzubegeben bereit war? Ich fühle mich fremd in dieser Musik. Noch vier Proben bis zum Konzert

Wäre ich hier so schnell unterwegs wie in jenen Radreisetagen, säße ich heute morgen nicht voller Schreck vor diesem Riesenberg Schuldinge, der bis morgen bearbeitet sein will. Wäre ich auch hierbei so schnell wie mit dem Fahrrad, hätte ich diese schon in den vergangenen drei Tagen - so lange bin ich wieder hier  - erledigt. Wäre ich auch beim Arbeiten schnell gewesen, würde ich heute die Sonne, die vor dem Fenster scheint (ja!), auf einem Morgenspaziergang besuchen. Und auf einem Mittagsspaziergang. Und auf einem Abendspaziergang.
Aber ich bin mit meinem Arbeitsberg nicht schnell gewesen. Mal wieder habe ich den vor mir hergeschoben. Naja. Ich kenn mich ja nicht anders ...

(Wie schon so oft wage ich zu erwähnen, dass es viele Fotos gibt und ich ja später, wenn dann Zeit sein wird, ich von diesen hier welche zeigen könnte und so ... Vielleicht wird das ja diesmal klappen. Vielleicht aber wird es auch wieder untergehen im Terminkalender-Arbeitsberg. Mal schauen.)