Samstag, 16. Juni 2012

Gestern, früh am Morgen

Das ist kein Ort, keine Zeit, keine Situation, um in die Ruhe zu finden. Natürlich läuft den ganzen Tag Programm. Natürlich sitze ich abends mit den Kollegen zusammen. Natürlich wird es spät. Natürlich drücke ich den Wecker um 5 Uhr wieder aus.
Um halb sechs ringe ich immer noch mit mir und meinem Weiterschlafbedürfnis. Um sechs schaffe ich es endlich.
Ein Tal, ein Waldweg, eine Wiese, ein Anstieg, eine Lichtung, fast Alm zu nennen, ein Bergbach, Kühe mit Kuhglocken, Ziegen, Vögel, Insektenschwirren, so früh am Morgen schon. Eine Kapelle, ein Brunnen, eine Bank. Ich setze mich.
Allein, im Morgenlichtflimmern, unter mir das Tal mit seinen Nebelschwaden, Wasserrauschen, die Kühle des Blätterdachs, und fast kann man es Bergluft nennen, was ich einsauge. Das Herz beruhigt sich, die Stimmen in mir verstummen. ...
So wenig braucht es. So wenig ist manchmal genug.

(In zwei Stunden ist wieder Tagungsprogramm. Vor mir liegt noch der Rückweg, die Dusche, das Packen, das Frühstück. Schnell also. Aber ich nehme sie mit, die andere Welt, in die ich soeben kurz eintauchen durfte.
Übrigens: Es fühlt sich ungewohnt an, keinen Fotoapparat dabei zu haben. Es war eine bewusste Entscheidung, ihn nicht ins Tagungsgepäck zu nehmen. Wenn ich überhaupt Zeit für die Bergwege haben sollte, hatte ich gedacht, probiere ich mal aus, wie es sich dort ohne Fotoapparat anfühlt. --- Seltsam, spüre ich jetzt. Ein kaum zu unterdrückendes Bedürfnis alles festzuhalten. Wissend, dass "alles" sich nicht im Bildlichen erschöpft, dass man ohnehin nichts festhalten kann - suche ich trotzdem die ganze Zeit nach dem Fotoapparat. Ich suche sozusagen in mir, wenn ich ihn schon nicht um den Hals hängen habe. Umgehend stellt mein Zensor mir Fragen über Fragen. Vom Festhalten und Loslassen ...)

Sonntag, 3. Juni 2012

Morgenwege

"Eine halbe Stunde Meditation ist absolut notwendig, ausser, wenn man sehr beschäftigt ist, dann braucht man eine ganze Stunde."

(Franz von Sales)

Daran habe ich mich heute Morgen plötzlich erinnert, und in Gedanken ein "... oder auch zwei ..." angefügt, und bin losgegangen. Meinen Weg, über den Berg, an meinen Bäumen vorbei.

Ein Weg - ein Sturm an Gegensätzlichem ...

Sonne
Gewitterhimmel
Felder aller Farben
Windtosen
eine Bank, von niemandem benutzt
die lärmende Geschäftigkeit des Tals in der Ferne
Ackerfurchen
Kühle auf der Haut
meine Bäume, der stehende, und der gefallene
Mohn, so viel Mohn
Regentropfen
ein winziges Stück Weite
windgeschüttelte Gräser ...

Und Stillwerden
und Atmen
und Sein
und ...