Sonntag, 28. Februar 2010

Inventursonntag, mit Fragen

Ein wirbeliger Tag, nicht nur draußen vor dem Fenster. Aber es musste sein, es war so viel liegen geblieben in den letzten Wochen.

Kleider- und Schuhschrankinventur:
Schockschwerenot – die Kinder haben nichts!!! zum Anziehen für den Frühling und Sommer. Keinerlei Vorräte - so dürftig sah es noch nie aus. Unsere Kleiderquelle des Sohnes hat ausgedient: die Jungs sind jetzt quasi gleichgroß. Und für die Tochter hatten wir noch nie eine, keine regelmäßige jedenfalls. Wir haben irgendwie nur Freunde mit jüngeren Töchtern. Kein einziger Rock, kein einziges Kleid ist da, ein paar abgelegte Hosen, ein paar T-Shirts vom großen Bruder.
Das Suchen nach Kinderkleidung gehört wirklich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Es ist mir lästig, mich auf Flohmärkten ins Getümmel zu stürzen. Stürzen zu müssen. Jedenfalls wenn ich eine so lange Liste, nicht nur einzelne Stücke suche. Es wird mir an den kommenden Samstagen aber nichts anderes übrig bleiben. Menno.
Ebenso Ebbe im Schuhschrank. Habe alles vermessen (BIMS sei Dank blieb uns das Anprobieren erspart - kennt Ihr dieses Schuhmesssystem?), was in Kisten und Regalen so herumfliegt: Winterschuhe, Stiefel, Halbschuhe, Sandalen, Turnschuhe, Schläppchen, Badelatschen, Gummistiefel, Hausschuhe … und kam am Ende auf sage und schreibe 10 akut fehlende Paare. Für beide zusammen: 6 für den Sohn, 4 für die Tochter. Dafür liegen hier massenhaft Winterschuhe, Winterstiefel, Skischuhe, gefütterte Gummistiefel, gefütterte Hausschuhe herum – die reichen jetzt schon für die nächste Saison. Nochmal menno.
Ich habe so keine Lust, ich mag Einkaufen nicht wirklich, ich liebe vor allem Schuhgeschäfte nicht. Und ich hätte jetzt einfach gern noch ein paar Tage Winter bitte. Nur aus Schuhgründen. So schnell komme ich nicht hinterher beim Schuhkauf …
Fühle nur ich mich so überfordert bei der Kleider- und Schuhbesorgeaufgabe? Machen andere Mütter das mit mehr Herzblut, ist es dann einfacher? Kaufen sich die Dinge dann von allein? Oder sollte ich die Sache langfristiger und organisierter angehen? Etwa auf den jetzigen Flohmärkten schon in allen künftigen Größen mitkaufen, was mir in die Hände fällt? Oder was mache ich falsch?
(Ich wage kaum das zu fragen, bei meiner lächerlichen Kinderzahl. Wobei, vielleicht ist es mit mehr Kindern auch einfacher. Diese totale Ebbe im Schrank tritt wahrscheinlich ab dem dritten Kind gar nicht mehr auf?)

Kinderzeichnungsinventur:
Meine Kinder basteln, malen, tuschen, kneten, kleben, töpfern, nähen und bauen unentwegt vor sich hin. Wunderbar, gell? Nur, was macht man mit den ganzen Kreationen? Alle paar Wochen versuchen wir den Berg, der sich ansammelt, abzutragen. Besonders wichtige Dinge kommen in die Mappen und Kisten, die ich für später aufhebe. Einige Herzensprodukte geben sie nie und nimmer aus der Hand. Vieles wird im Kinderzimmer aufgehängt und aufgestellt, und auch in den anderen Räumen des Hauses. Es gibt eine Bastelkommode, die sie ungehemmt füllen dürfen, und jeder hat noch eine Kiste für Zeichnungen, in deren Inhalt und Ordnung ich mich nicht einmische. Doch irgendwann läuft das alles über. Heute war also mal wieder Sortiertag.
Langsam frage ich mich jedoch, wohin das führen soll. Das, was ich hier in den Erinnerungskisten sammle, dürfte, wenn ich bis zum Ende der Kindheit beider Kinder hochrechne, geschätzt den Umfang eines Containers einnehmen. Also wie: Soll ich jedes Jahr einmal aussortieren und noch im Nachhinein Bilder wegwerfen?
Und was die Gestaltung des Hauses mit Kinderbildern angeht: Seit neuestem ist der Sohn in einer Malschule, langgehegter Herzenswunsch. Er ist glücklich, ich bin glücklich, weil er so glücklich ist. Nur: die malen dort in DINA3, DINA2, DINA1, DINA0 …. Wenn unser Haus schon nicht zu klein ist, so wird doch spätestens jetzt klar: Wir haben entschieden zu wenig Zwischenwände eingebaut :)
Wie handhabt Ihr das mit den Werken Eurer Kinder? Wieviel hängt bei Euch, wieviel bewahrt Ihr auf, was werft Ihr weg?

Fahrrad-, Laufrad- und Dreiradinventur:
Dazu kam es nicht, war zu windig, zu ungemütlich. Ist verschoben auf später. Nur eines weiß ich: In diesem Jahr ist es Zeit zum Fahrradfahren für die Tochter. Sie wird im Mai 4. Das 12-Zoll-Fahrrad, auf dem der Sohn gelernt hat, hatten wir geborgt, damals. Er bekam dann zum 4. Geburtstag ein 16-Zoll-Rad.
Meint Ihr, dass sie gleich auf diesem großen Rad fahren lernen kann? Oder sollten wir uns lieber ein 12-Zoll organisieren?

Und eine noch – die gedankliche Vorabinventur der kommenden Woche:
Nein, so richtig hatte ich mir das bisher nicht bewusst gemacht. Nämlich, dass die kommende Woche meine tief-durchatmen-Woche ist. Montag Mittwoch Freitag ganz normal Schule, mit zwei Nachmittagsterminen, Dienstag Donnerstag (sonst mein freier und mein fast freier Tag) zwei ganztägige Fortbildungen auswärts, Samstag Tag der offenen Tür. Macht allein 42 Präsenzstunden. Nicht eingerechnet Fahrzeiten, Vorbereitungen, Korrekturen. – Für 68%-Teilzeit ziemlich viel. Eine Woche lang Vollzeit schnuppern, mal wieder – das letzte Mal ist 6 Jahre her.
Ich werde sehen, wie ich die Woche durchstehe. Und wenn’s nur dazu dient zu erkennen, dass ich doch besser noch bei meinen 17 Stunden bleibe in den nächsten Jahren ...

Jetzt jedenfalls werde ich mal noch ein bisschen Schule vorbereiten. Vor-vorbereiten sozusagen: für Mittwoch schon.
Und mich innerlich mit dem Gedanken vertraut machen, dass ich morgen während der Klavierstunde des Sohnes besser nicht am Flussufer sitze, sondern die Schuhgeschäfte des kleinen Städtchens durchforste, vorabsondiere, um dann nach dem Unterricht sofort den ersten Kauf zu tätigen. Hoffentlich.

Samstag, 27. Februar 2010

Innensuche

Hat man sich an allen Fronten übernommen, vor allem an jenen, die eigentlich gar keine Fronten sein sollten,
ist man erschöpft und müde, von tief innen heraus,
dann wird es Zeit für Rückzug.

Drehen sich die Gedanken im Kopf mit der Geschwindigkeit eines Wirbelsturms,
werde ich von ihnen aufgesaugt statt sie zu leben,
dann wird es Zeit anzuhalten, innezuhalten.

Nehmen die Sinne nur noch schmale Streifen von Lichtblitzen, Nebelschwaden von Klängen, ein Bruchstückmosaik von Stimmungen wahr,
ist das Sinneserleben in mir seltsam unbeständig, rasant wechselnd, flüchtig geworden, so als wolle kein Ton, keine Farbe, kein Duft in mir verweilen,
dann wird es Zeit für den Gang in die Innigkeit.


Wohin?
Wo ist mein Kloster?


Inmitten turbulenter Tage mir selbst zum Rückzugsort werden.

Das Tor zur Innigkeit wieder sanft aufstoßen, es weiter öffnen, mutig sein, nicht wegschauen.
Aus dem wirbelnden Karusselltreiben in die Mitte gehen, zu dem Innenpunkt, der sich nicht mitdreht.
Nicht mehr geworfen und getrieben werden. Beginnen wieder zu ruhen. Zu lauschen und zu schauen. In mich hinein. In mir sein.


Sehnsucht … Innensuche.


Inmitten der Seelenlandschaft,

scheint sie auch noch so karg: ihre schlichte Schönheit erkennen






scheint sie auch mit Abgründen durchsetzt: Brücken und Wege hinüber finden





scheint sie auch noch so düster: ihre Farben als Leuchten wahrnehmen





scheint sie auch noch so dürstend: die zarten Pflänzlein in der Wüste finden.






Da bricht an unerwarteter Stelle Grün durch.




Da wachsen Blumen aus Stein heraus.






PS.
Ich habe diesen Text heute Morgen geschrieben, er ist Reflexion über meine vergangene Woche. Als ich die Bilder einfügen und ihn einstellen wollte, wurde meine Familie wach. So hatte er bis zum Abend zu warten.
Nun liegt der Gartensamstag hinter mir. Ein guter Tag. Bilder sind im vorigen Post.

Ich habe diesen Tag durchatmet, habe in meinem Atmen Samen des Innehaltens gespürt.
Ich habe diesen Tag durchschritten, habe in meinen Schritten Keime des Anhaltens gefunden.
Nur dies gilt es:
In jedem einzelnen Schritt ankommen.
In jedem einzelnen Schritt ankommen.
In jedem einzelnen Schritt ankommen.

Heute war so ein Tag.
In den vergangenen Wochen hatte ich dies irgendwie verloren.

Ich lasse den Morgentext hier stehen. Er hat sich nicht überholt. Nein, so weit wäre ich nur gerne :)

Gartensamstag


Synchronharken



Auf die Plätze - Schredder - los!





Winterjacken überflüssig



Erster Draußen-Mittagskaffee!



Tulpenleuchten



Durchbruch (kann man's erkennen?)



Und diese kleinen, lieben, zarten Boten ...

Freitag, 26. Februar 2010

Von der Musik gestreift

In den Alltag dieser Woche sind mir einige Klänge hereingeweht - ein jeder zur rechten Zeit, ein jeder brachte mit, was ich gerade suchte ...


Montag Morgen, erster Schulweg nach den Ferien, schwer, müde, gedrückt, da schenkt das Radio uns dieses hier:


(es war eine andere Interpretation, zügiger und leichter, glaube ich)

Langvergessene Erinnerungen strömen ein, innerer Tanz belebt mich. Es ist stimmig, zusammen mit dem erwachenden Frühlingstag.

Der Sohn spontan von hinten: "Klingt wie eine Mischung aus Mozart und Rolf Zuckowski." --- Hm. Ich lache zunächst. Höre dann anders in die Musik hinein.
Er ist eigentlich sehr treffsicher beim Zuordnen unbekannter Musik zu Epochen und Komponisten, jedenfalls wenn er sie schon selbst gespielt hat. Nur die russischen, die gab es bisher selten in seinem Programm. - Was mag ihn da an Zuckowski erinnern??? Ich schmunzle immer noch ... (und würde gern mal mit seinen Ohren hören.)

***

Montag Nachmittag, Klavierunterricht beendet.
"Mama, ich habe zwei Walzer auf!!!"
Seitdem tönt Chopin durchs Haus, erstmals aus Sohnes Händen. Ich fühle mich getragen. Ja, diese Harmonien begleiten mich durch die ganze Woche, umgeben mich in diesen Tagen wie eine zweite Haut.

***

Heute Abend - schon wieder mein Sohn: wieviel Musik er uns ins Haus bringt! - höre ich ihn singen, das tut er manchmal, wenn es ihm richtig gut geht. Hat sich Bachs Schemelli-Liederbuch hergenommen, probiert, bleibt bei Jesu Jesu du bist mein (anklicken!) hängen. (Ich habe leider keine Aufnahme mit Gesang gefunden.)

Ich halte beim Wäschelegen inne ---
Vor mehr als zehn Jahre war es, da habe ich das gesungen, eines Morgens, in der kleinen Kapelle in der Altstadt. Wie so oft am Sonntag Morgen. In der Zeit, als ich fast nur in Singwelten lebte, in Chören, Ensembles, am Theater, Auftritte in Gottesdiensten, bei Festen, mit unserem Quartett, Opernprojekte, Gesangsstunden, Konzertreisen, und die vielen vielen Stunden, in denen ich mit meiner Stimme allein war in dieser kleinen Kapelle. Dort, in den Singwelten, war damals mein wahres Leben, glaube ich. Das Studium musste sich dazwischen fügen. Tat es. Ihm reichten die wenigen Reststunden des Tages ;-)

Nun, und jetzt stehe ich wie erstarrt inmitten meiner Wäsche, unten tönt mein Lied. Ich kann nicht anders als zu ihm zu gehen.
"Los", sage ich zum Sohn, "spiel. Ich singe."
Wieder und wieder - er schafft sich mit Mühe durch die Begleitung, ich durch die hohen Töne (bei ihm klang das doch eben so locker?!).
Wir singen.
Und ich seufze tief im Innern, unhörbar.
Der Sohn genießt es.

"Wir können ja ein Konzert geben. Es Freunden vorsingen."
"Hm, besser nicht. Da müsste ich noch heftig üben."
"Wieso - klingt doch schön? Warum kannst Du das nicht, so wie andere Frauen: einfach singen?"
"Einfach singen!"
wiederholt er noch mal.

Ja, warum eigentlich nicht? --- Treffsicher hat er mich ertappt. Mich und den Troll des ewigen Selbstzweifels auf meiner Schulter. Wird Zeit, dass wir mal in einen intensiven Dialog miteinander treten, kleiner Troll!
Nein, kein Konzert geben, das nun wirklich nicht ;-) Aber es trifft mich viel tiefer, was der kleine große Sohn mir da einfach ins Gesicht sagt. Viel tiefer.

Und noch in einem hat er Recht: Es wird Zeit, dass ich wieder singe. Einfach singe.

Donnerstag, 25. Februar 2010

Gestern so

Immer dieser Mittwoch. Ich falle um vor Erschöpfung nach 8 Schulstunden ohne Päuschen oder gar Pause, ohne Innehaltminute und Coffee-to-sit. Ich schleppe mich und meine Tasche zur S-Bahn und vom Bahnhof den Berg zu uns hoch. Ich falle auf dem geplanten Weg ins Bett als Zwischenstopp aufs Sofa im Wohnzimmer, von wo mich die Kinder alsbald wieder hochtreiben :( – und ich bemühe mich die restlichen Stunden des Nachmittags redlich, in der Senkrechten zu bleiben. Abends will nix mehr gehen am Schreibtisch. Auch kein kurzes Blogtextchen. Daher erst heute mein Aufwühlerlebnis von gestern.

Seit Wochen haben wir in der Schule Overhead-Sabotage. Die Projektoren werden manipuliert, serienweise. So dass beim Einschalten ein bestimmtes Teil zerstört wird und die Sicherung rausfliegt. Bis zu 10 Stück am Tag. Reparatur kostet Zeit und nicht wenige Euronen (selbst ohne Kundendienst: wir können's inzwischen selber, ist ja immer das Gleiche).
Seither halten wir alle Projektoren der Schule unter Verschluss, was einen Riesenaufwand bedeutet (verändertes Aufsichtssystem und so). Die Schule hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet, Kripo im Haus. Ausführliche Gespräche in allen Klassen. Kein Resultat, kein wirklich enger Verdächtigtenkreis. Wir schließen die Dinger weiterhin weg. Manchmal entgeht uns einer.

Gestern war es bei mir so weit. Ich lasse Schüler einen holen, sie rollen den Projektor in die Klasse, die Klasse tuschelt („Ist das wieder der?“). Ich bin nicht wach genug aufzuhorchen. Auch nicht als ich bemerke, dass alles verstellt ist. Ich bekomme den Spiegel kaum nach oben geschraubt. Die Schüler warnen mich (wissend?): „Vorsicht, wenn Sie da jetzt ziehen, rutscht die Stange raus.“ Ich werde immer noch nicht hellhörig. Schalte ein und – peng. Mal wieder.

Erst der unaufgeforderte Schülerkommentar macht mich stutzig: „Na was denn, wenn Schüler das hinbekommen, dann kann es für die Lehrer ja wohl nicht so schwer sein, das zu durchschauen und wieder zu reparieren. Also echt ma, das iss ja nu nich so kompliziert. Der Herr X kann das, bestimmt, und da unten in der Werkstatt, da gibt’s doch alles, was man braucht …
--- Ich glaube, ich traue meinen Ohren nicht. ---
Auch nicht, als nach der Stunde ein Schüler mir lang und breit erklären will, aus welchem Raum sie den geholt haben und wer da vorher alles drin war und dass er aber in der 3. Stunde noch ging.
(„Hattet ihr da genau diesen Projektor?“ – „Nee, warum?“ – „Woher weißt du, dass der in der 3. noch funktionierte?“ – „Ach so, ähm, das hat mir einer gesagt.“ – „Wer?“ – „Einer aus der 12.“ – „Wer??“ – "Weiß nicht mehr genau." - "Wer???" - „X.Y.“ – „Wieso habt ihr überhaupt drüber gesprochen?“ - … - „Wieso weiß der das?“ - …)
Und als ich in dem Moment im Hintergrund wahrnehme, wie zwei andere Schüler die Scheibe hochgeklappt haben und im Innern des Projektors herumwühlen, sachkundig besprechen, dass es an dem Teil jetzt aber nicht gelegen haben kann - da fühle ich mich wie im falschen Film.
Ich kann mich darum jetzt nicht kümmern, schiebe das Tatobjekt mit ner Eilnotiz ins Sekretariat und muss in die nächste Stunde rennen (30 Sekunden und 500 Meter bis zum Klingeln).

Mein Bauch sagt: Die wissen was. Wenn schon nicht als Täter – sie sind Eingeweihte. Sagt mein Bauch, nur der.
Und was jetzt? Soll ich mir den Schuh anziehen? Mein Bauchgefühl vor Schulleitung, Kripo und Klassenlehrer ausbreiten? Wieder Gesprächslawine in Gang setzen? Mich selbst als Spürhündin betätigen?
Nicht gerade mein Traumjob – ich habe andere berufliche Baustellen, dringendere, wichtigere. Ich habe keine Zeitreserven. Will sie, genau genommen, für sowas auch gar nicht haben. Mir reichen meine Unterschriften- und Notenfälschungen, das ist Detektivarbeit genug. Nervig, lästig vor allem die im Hintergrund lauernden Anwaltsarmeen der Elternschaft: Bloß nicht den Hauch einer falschen Verdächtigung wagen – dann ist die Klage im Haus (Tatsache hier, leider). Ich bin genervt.

Und doch: es lässt mich nicht los. Ich kann mich nicht so einfach rausziehen. Wegen dieses Bauchgefühls eben. Und weil mich schockt, dass da keinerlei Unrechtsbewusstsein ist bei den Schülern. Keinerlei.
(Es ist nicht meine Klasse. Der Fall wäre Klassenleitergeschäft. Aber weil die einen Klassenlehrer haben, der in der Sache nichts unternehmen wird – das weiß ich – deswegen fällt es mir noch schwerer, mich nicht reinzuhängen. Ich bin komplett unentschlossen, was ich tun soll.)

Dienstag, 23. Februar 2010

Unerwartet willkommen

Es ist schon seltsam: Da ist dieses letzte Bild auf dem Kamerastick noch keine drei Tage alt,



und plötzlich flutet hier der Frühling herein. Gestern war‘s. Ein Tag, wie er unerwarteter nicht sein konnte. Noch unerwarteter aber war mir, wie sehr ich diesen Tag willkommen geheißen habe.

Mir war nicht bewusst, wie sehr ich auf ihn gewartet hatte. --- Das erste Lied der Amsel war schon lange her, vor dem Urlaub noch – da hatte ich es kaum erwähnenswert gefunden. Seltsam. Weil unser Winterurlaub noch bevorstand? --- Gestern aber das Vogelstimmenkonzert am Morgen, das trank ich mit allen Fasern. Und die laue Luft dazu.

Mittags, nach der Schule, zog es mich nur noch hinaus. Zu einem Spaziergang in den Garten, bei dem ich meinen Augen kaum zu trauen wagte. (Und heute schien alles wieder unwirklich, da es trüb-nieselig und ich in melancholischer Stimmung gefangen war).

Gestern aber: Ungläubig fast waren meine Sinne,
dass hier bald Tulpen



und Narzissen



und Forsythiengelb



und Kirschblüten sein werden.



Bald, sehr bald.
Kaum zu glauben, und doch ganz nah-wirklich, dass hier jetzt schon so viel neue Farbe aufkeimt.



Die Mittagspause auf der Terrasse, erstmals wieder, mit Kaffee und Buch. Welchem ich mich aber nicht widmen konnte vor lauter Sonne auf der Haut und Grün und Blau im Ausblick.





Die Musikschulstunde durfte ich erstmals seit Wochen nicht im düsteren Aufenthaltsraum, sondern auf der Sonnenseite flusswandernd verbringen.
(Nicht gerade eine Einsiedelei, wie man sieht ;-))



Mit dem Blick auf’s andere Ufer – in dem Gebäude am Wasser, etwa in der Mitte zwischen den beiden Kirchen, rechts von der grün durchscheinenden Plane, sieht man den Sohn Klavier spielen … sähe man, wäre das Fenster geöffnet und das Fernglas scharfgestellt





mit Lichtreflexspielen, die die Wasseroberfläche vom Grau der letzten Wochen blankpolierten






mit immer wieder staunen machender Himmelskulisse (und ihren bizarren Vordergründen)




mit dem Gefühl der Freiheit, im T-Shirt auf einer Bank zu sitzen (naja, wirklich befreit fühle ich mich immer erst an dem Tag, an dem ich schuh- und sockenfrei herumlaufen kann).



Das schattenspendende Blätterdach darf sich mit dem Wachsen ruhig noch Zeit lassen.



Und die Sonne mit dem Höherstehen auch – es war traum-schön.



Abends, zu Hause, noch ein Sonnenuntergangsschauspiel – oh …






Nur Mut!

Weil ich am Elternsprechtag keine Stimme hatte, bleiben mir jetzt 10 Elterngesprächstermine zu finden. Die meisten nachmittags. Na toll. Aufwändig jedenfalls.
Eine Mutter wohnt hier im Dorf. Damit wir nicht beide extra in die Schule fahren, kam ich auf die grandiose Idee, sie zu mir nach Hause zu bestellen. Nachher.
So. Und jetzt habe ich nach langem Ringen beschlossen, das Haus nicht aufzuräumen, nicht zu putzen. Nix. Nicht die Lehmspuren im Flur, nicht das Schuhgebirge, nicht die Küchengeschirrtürme, nicht die Krümel unterm Essplatz, nicht den Zeitungsstapel, nicht das Spielzeug. Nix.
Der Verstand sagt nämlich: Das würde den Zeitaufwand des Gesprächs um ein Mehrfaches überschreiten. Und die Frau ist berufstätige Dreifachmutter – wer wenn nicht die versteht das.
Die Aufregung aber sagt: Doch, tu was, nur ein bisschen, komm schon, räum was weg, nimm nochmal den Wischlappen. Denn wer mich kennt, weiß, dass, wann immer Besuch angesagt ist, bei mir zwangshandlungsartiges Rotieren im Haus einsetzt.
Nun also: mein Entschluss – ein Testlauf. Kann ich ohne oder nicht? Mit diesem Post spreche ich mir selbst Mut zu, es zu wagen. Erstmals. Eine Stunde noch. Eine Stunde Zeit zum Schwachwerden … ich werde sehen, ob ich durchhalte. Und ich werde noch überlegen, ob ich das Chaos kommentiere oder unkommentiert lasse. Man oh man, frau. Stell dich nicht so an.

Verwirrtraum

Eigentlich interessiert mich ja Olympia überhaupt nicht. Ich schau mir auch nix an, wir haben eh keinen Fernseher.

Aber heute Nacht, da stand ich auf dem Treppchen. Ganz oben sogar. Nach der Disqualifikation des anderen Teilnehmerpärchens nämlich. Wir zögerten zwar und fühlten uns nicht ganz berechtigt, allein aus diesem Grunde die letzte Stufe hinauf zu klettern, aber so ward uns geheißen.
Von wem? Weiß nicht mehr. An eine Medaille auf der Brust kann ich mich auch nicht erinnern. Nur dass das Siegerpodest neben einem Kachelofen stand. Einem grünen, mit so nach innen gewölbten Reliefkacheln. Und dass es sich um eine Wassersportart gehandelt haben muss, die man mit Pulswärmern (rot, gestrickt) und mit Partnerin ausübt. Synchronschwimmen vielleicht? Keine Ahnung, beim Wettkampf war mein Traum noch nicht dabei. Die Partnerin kenne ich nicht. Den Trainer auch nicht (vollbärtig, weißhaarig, onduliert-gewelltes Haar, unangenehmer Typ), der saß nur mürrisch auf der Bank und gratulierte nicht mal. Klar, bei zwei Teilnehmern, und dann die anderen disqualifiziert – da ist gewonnenes Gold schon eher lächerlich.
Und sofort nach der Siegerehrung begann das Warmschwimmen für die „echten“ Schwimmwettkämpfe. Brust, Kraul und so. Ohne Pulswärmer also. Wohin ich die in der Eile verlegt habe, ist mir entfallen. Nur dass ich mir aus einer langen Reihe von CD-Playern letztlich einen mit der Aufschrift „Rücken“ aussuchte, um mir während des Einschwimmens die Technik nochmals coachen zu lassen, das weiß ich noch. Die Frage, ob das Ding überhaupt unterwassertauglich sei, flackerte im Traum schon auf. Und im Wachzustand treibt sie mich immer noch um ;-)
Und dann? Keine Ahnung, wie der Wettkampf lief. Da war ich wohl nicht mehr dabei, muss nach 5Uhr30, nach dem Weckerklingeln gewesen sein. Naja, den Olymp werde ich wohl nicht bezwungen haben mit meiner CD-gecoachten Technik.

===

Ein paar Stunden später: Der Traum ist mir so präsent wie selten einer. Was sagt mir das jetzt?

… Zweifel …
Warum bin ich so blind gegenüber meiner Partnerin?
Und wer ist überhaupt dieser Trainer? Will ich ihn, brauche ich einen?
Und ich bin ganz klar auf dem falschen Olympia, Wasser im Winter …

… Selbstberuhigung …
Keine Spur von Ehrgeiz und Wettkampfgedanken in mir, den ganzen Traum lang nicht. Und keine Spur von Stolz auf dem Treppchen. Wenigstens das. Wenigstens hat mich das agonale Prinzip nicht vollkommen durchdrungen, offenbar.

… erneuter Zweifel …
Aber war es nicht doch schön warm, so nah am Ofen, wie das Podest stand?
Mache ich mir was vor?

… Verwirrung …
Da bin ich Siegerin, scheinbare zumal, in unwichtigsten Randdisziplinen, und dafür im elementaren Bereich nicht mal mit den Grundtechniken vertraut? (Dass da so viele CD-Player hingen, für so viele Unbedarfte, beruhigt mich nicht wirklich.)

Ach, ich weiß nicht. Ich grübele so in den Vormittag hinein, das führt im Moment zu nichts. Also erklimme ich jetzt lieber wieder meine Berge hier. Keine Olymps, nein. Eher so 57-m-Hügelein. Solche, die höchstens in Holl- und Friesland mit Gipfelkreuzen versehen werden, die sind heute dran. Und der Wäscheberg, der auch.

Montag, 22. Februar 2010

Kaltstart

Boah - was für ein Nachferienmontagmorgenstart!
Ich betrete die Schule wie immer viel zu früh (dem Stundenplan des Sohnes sei Dank), die Vertretungsplanmacher wissen das inzwischen (ich versteck mich ja in der Zeit nicht im Kämmerlein, das es überhaupt nicht gibt in unserer Raumnotschule) und nutzen es schamlos aus. Heute also: Doppel(!)stunde Vertretung Mathe 8. Klasse. Statt Deutsch, auch das noch. Mir unbekannte Klasse. Tolles Alter, toller Zeitpunkt für Vertretung.
Schüler nämlich sind immer! begeistert von Vertretungsunterricht. In diesem Alter ohnehin. Von Mathe zumal. Von einem Fremdlehrer erst recht. Und am Montag nach den Ferien sowieso.
Boah - warum das mir???

Ich starte durch: Eilblick ins Klassenbuch (was haben die vor den Ferien in Mathe gemacht?), Sprint in den Vorbereitungsraum, Sprint zum Kopierer, Übungsblatt kopiert, Sprint ins Klassenzimmer, dort gähnende Leere, Flur zurück, Suche nach der Klasse im Schulhaus (ein Schelm, wer Arges dabei denkt), Überführung der Klasse in ihren Raum. Heftigste Kämpfe erwartend, stelle ich mich vor den 30 Achtklässlern in Positur, Standbein, Spielbein und so, der Stimme schonmal prophylaktisch Gewicht verleihend.

Doch was ist das??? Was'n das für 'ne Klasse? Das habe ich ja noch nie erlebt? Dass es sowas noch gibt: Sie stehen da, grüßen höflich, murren nicht, rollen nichtmal mit den Augen, packen aus was ich ansage (sie haben kariertes Papier dabei: in Vertretungsstunden ein Wunder!), kreuzen brav auf dem Blatt die zu bearbeitenden Aufgaben an und arbeiten los. Schwitzen fast, bemühen sich, stellen Fragen, schreiben mit, bleiben ruhig, sooo ruhig, sind emsig emsig emsig, melden sich ... upps upps upps ... ich bin ganz gerührt und staune ziemlich unendlich.

Nach 10 Berufsjahren etwa, sagt eine Faustregel, habe man als Lehrer eine gewisse Professionalität erreicht, im Sinne, dass man dann jede mögliche Unterrichts-, Klassen- und Sozialsituation einmal erlebt und bewältigt habe. Scheint, als wäre dies bei mir bis heute Morgen nicht der Fall gewesen. DAS nämlich hatte ich noch nie :)

Boah, was für ein Gute-Laune-Start für mich - ein herzlicher Dank an diese einzigartige 8a!
Und von der Stimmung habe ich dann an die nächsten Klassen ein paar Scheibchen weiterverteilt. Ein paar aber nur, damit für meine Kinder heute Nachmittag noch was bleibt. Die haben schließlich gestern all meinen Blues ausbaden dürfen, bei denen muss ich heute was gutmachen. Auf geht's - der Sohn hat Schulschluss!

Bunte Mischung ...

... eine sehr bunte Mischung ist da in mir.
Da ist von allem etwas:

Bilderflackern einer vollen Woche
Erschöpfungsweinen
Leseerfülltheit
Ankommensfrust
To-do-Listen-Elan
(nach dem Urlaub ist es plötzlich immer soooo viel)
Schulunlust
Wortlosigkeit
Schneesturmnachwehen
Wattegedämpftempfinden
Hoppla-es-kann-doch-nicht-schon-vorbei-sein-Gefühl
Alltagsneueingewöhnungsüberforderung
Schimpf- bis Fluchbedürfnis
(was muss die erste Woche aber auch immer so voll sein mit Terminen?!)

Alles in allem eher gedrückte Stimmung.
Und Vorbereitungsträgheit (gerade erst durch den Schulkram für morgen durchgewurschtelt: wer? was? wie ging das nochmal? kann man denn in einer Woche so komplett ahnungslos werden?)
Ja, ich weiß, erholt aus dem Urlaub kommen geht anders :(

Ich brauche jetzt erstmal mein Bett und denke beim Einschlafen bestimmt ganz und gar nicht daran, dass ich morgen früh (seeehhhr früh!) erst meine eigenen lieben Kleinen aus dem Schlaf und dann die lieben Kleinen fremder Leute aus der Ferienstimmung holen muss ...

Donnerstag, 18. Februar 2010

...