Mittwoch, 30. Juni 2010

Sommer

Sieben Stunden Schule, vier davon Südseite, dann drei Stunden Konferenz.
Im Kopf mein Altbauschulen-Schuljahr wie eine Fata morgana,
an den Beinen Schweißtropfen in Bahnen. Morgen also doch lieber wieder Hosen.
Zwischen Schülerinnen-Schenkeln und -Bauchfrei fällt das Stück Hose kaum auf. Schon ich weiß nicht, wohin gucken. Lehrer (ohne "in") möcht ich jetzt auch nicht sein ...
Warum kann man nicht Schulen bauen mit vier Nordseiten???

Zu Hause, endlich: "Eiskaffee oder Stieleis?"
"Ja", hauche ich.
"Was ja?" sagt die Familie.
"Beides."
(Ich bekomme trotzdem nur eines, schnüff.)

Und jetzt: Motivation für Schreibtischarbeit finden.
Mir kommt nur Destruktives:
Arbeitszimmer unterm Dach war nicht die beste Idee.
Und:
Wenn in vier Wochen die Ferien beginnen, ist der Sommer vorbei.

Genug gebloggt ... Schule machen.

Dienstag, 29. Juni 2010

Ein nächtlicher Mutklick ...

… heute vor einem Jahr brachte dieses Blog vom verschlossenen in den offenen Zustand. Ja, ich hatte es zunächst im Geheimen ausprobiert, ob und was es zu schreiben gäbe, und dann ein paar Tage Mut ansammeln müssen, bevor ich wagte zu öffnen.
In der Nacht, bevor ich nach Berlin auf Klassenreise fuhr, änderte ich also den Status und schickte einigen wenigen Menschen den Link. Und war dann erstmal weg …
So.

Und dann fing meine Schreibreise an, wurde mir wichtiger, bedeutsamer, ist mir heute kaum noch wegzudenken. Als hätte sich mir mit dem Schreiben eine neue Welt eröffnet, die es vorher nicht gab, oder die still schlummerte. Seither schreibe ich viel, ganz viel, täglich, auch um das Blog herum, in anderen Schreibräumen.
Was und in welcher Sprache – das hat sich gewandelt durch die Monate. Ich plane es nicht, ich nehme, was kommt. Denn ja, die Texte kommen von allein, so erscheint es mir.

Soeben habe ich quergelesen, geschmunzelt, mich erinnert, war erstaunt, erschüttert auch. Sehr viele Farben sind mir in diesem Jahr begegnet. Sooo viele!
Tatsächlich scheint mir, dass ich intensiver lebe, seit ich hier schreibe. Dass ich Dinge anders oder überhaupt erst wahrnehme, Dinge, die sich früher ins Vergessen verflüchtigt haben.

Ja – im rechten Spaltentext, der dort seit einem Jahr unverändert steht, habe ich geschrieben:
Wenn ich mich öffne, herantaste, hineindenke, hinterfrage, nachsinne, weiterträume, dann scheinen durch mein Alltagserleben plötzlich das große Ganze, die Tiefe und die Weite, die Schwere sowie die Schwerelosigkeit durch. Dann werden unscheinbare Dinge plötzlich bedeutsam, dann wird meine Sicht eine andere, dann öffnen sich neue Dimensionen. In Anbetracht dieser Fülle kann ich manchmal nur staunen.
Ja, genau so!!!
Ich würde es nach einem Jahr wieder so formulieren.

Vor einem Jahr fragte ich mich :
Werde ich beim Schreiben ganz ich selbst sein können?
Ist nicht die Konstruktion meiner Wortgebäude auch Verstellung?
Ist es Wahrheit, wenn ich Bestimmtes auswähle?
Ist es Offenheit, wenn ich Anderes weglasse?
Bin das überhaupt ich, die hier schreibt?

Ja, auf jeden Fall. Das bin ich.

Ob allerdings meine Auswahl der Themen (und damit auch das Weggelassene) und die Wortform der Texte in den Kategorien von Wahrheit, Offenheit und Verstellung zu bewerten sind? Nein, eher nicht.
Immer wieder, klar, denke ich darüber nach, welches Bild ich hier von mir erzeuge. Natürlich ist das nicht mein ganzes Ich. Aber – und deswegen wage ich weiterhin zu sagen „Das bin ich“ – ich setze mir keine Maske auf, glätte mein Auf und Ab nicht, habe keine Intention, etwas „Bestimmtes“ zu sagen – weder thematisch noch stilistisch – sondern ich lebe das Schreiben wie einen jeden Tag:
Ich nehme es, wie es ist. Greife die Wort- und Satzfetzen auf, die vorbeigeflogen kommen. Lasse mich von einem Geschehnis spontan überreden, es in Textform zu bringen, habe mir keinen Rhythmus auferlegt, verfolge keine Linie.
Ein Sammelsurium also. Spontan, ungeplant, durcheinander, unsystematisch.
Meist. Ab und zu Themen, die mich lange und länger verfolgen, ohne dass ich Zeit für ein Niederschreiben finde. Ja, doch, dann gibt es einen Notizzettel – für später – und damit einen Hauch von Planung. Gerade noch so zu vereinbaren mit der Grundspontaneität :)

Und dann steht da noch im Seitentext:
Und ob diese Sprache in andere hineinzugelangen vermag, ist schon nicht mehr wichtig ... Fast nicht wichtig.
Hm. Hier bin ich mir nicht sicher, hier schwanke ich. Ja, größtenteils schreibe ich für mich, für mich ganz allein. Und doch sind im Laufe der Monate hier Menschen vorbei gekommen, mit denen Begegnung stattgefunden hat. Weniger in den Kommentaren – nein, ich glaube nicht an die Möglichkeit eines echten Dialogs in Kommentargesprächen (man möge mich eines Besseren belehren oder mir ein Blog-Beispiel zeigen – gerne :) ) – sondern vielmehr hinter den Kulissen.
Dafür bin ich ebenso dankbar wie für meinen Schreibraum selbst.

Sich schreibend begegnen:
Hier begegne ich mir selbst.
Hier begegne ich Euch, die ich kenne.
Und hier begegne ich etlichen schweigenden, mir unbekannten „Gesichtern“ – spannend! Denn wer weiß, welche Gedankenwinde und Gefühlsströme im Hintergrund, für mich unsichtbar, so alles meinen kleinen Raum umwehen ....

Für all das bin ich dankbar. Sehr.
Und wäre auch dankbar, wenn ich mir die Geborgenheit hier in diesem kleinen Raum eine weitere Weile erhalten könnte …

Montag, 28. Juni 2010

Sonntag 16 Uhr

Gähnende Leere auf den Wiesen. Sogar Schattenplätze sind frei - noch und noch.
Auf den Bänken ringsum - freie Platzwahl. Ob Sonne oder Schatten: einfach hinsetzen. Hinsetzen und den Kindern zuschauen.
Selbst wenn die an entgegengesetzten Enden des Beckens herumtoben - ich finde sie mit einem Blick wieder. Nicht wie sonst alle drei Minuten ein Herzaussetzer: WO sind die Kinder???
Nein, alles gut. Alles wunderbar. So ist Schwimmbad nicht mal schlimm ...
(Ich mag das sonst üüüüberhaupt nicht.)

Kein Schüler begegnet mir. Nicht wie sonst hundert.
Keine Schlange an keiner Rutsche. Deswegen traut sie sich, die wasserscheue Tochter. Erstmals. Rutscht ohne mich und läuft im kinntiefen Wasser zum Rand. Wieder und wieder. Traut sich, weil keiner sie rempelt, keiner ihr ins Ohr quietscht, keiner spritzt. Nun hat sie also ihre Wasserscheu verloren. Gestern so kurz nach 16 Uhr.
Und der Sohn trifft eine Herzensfreundin. Sie tun was sonst nicht geht: nach Tauchringen tauchen. Sonst sind da immer 37 Beinpaare im Weg, und ein Rudel anderer, eifersuchtsverursachender Freunde ;-)

Herrlich, das Schwimmbad so für sich zu haben. Manchmal sind wir fast allein im Becken, manchmal sind noch 10 andere Kinder drin. Größtenteils sprechen sie nicht deutsch. Und bei der Durchsage - ja, man kann auch hier nicht entfliehen! - des Tors für die Engländer ist der Jubel lauter als bei den anderen vieren - gestern im Waldschwimmbad.

Und bei all meiner sonstigen WM-Leidenschaftslosigkeit: dieser Sieg freut mich. Weil ich nämlich gleich in den Familienplaner eintragen konnte: nächste Woche Samstag 16 Uhr Waldschwimmbad.
(Nur bleiben wir dann länger: bis die Autokorsostaus vorbei sind, in die wir gestern hineingeraten sind. Der Sohn von der Rückbank: "Oh man, ist das nervig ..." ;-))
Und schade eigentlich, dass Halbfinale und Finale zu einer solch schwimmbaduntauglichen Zeit stattfinden ...

Sonntag, 27. Juni 2010

Ein Blumenstrauß



Am Freitag, vom 12er-Jahrgang überreicht, für das, was ich in den letzten Wochen für sie getan hätte ...

Oh!!!!!

"Für mich???"
Und dann war ich wortlos. Die Schüler kennen mich so nicht :)




An einer Hand kann ich die Blumensträuße abzählen, die ich in meinem Lehrerleben bekommen habe. Und ein Strauß, ohne dass ich ein Kind geboren oder eine Schule verlassen oder eine Klasse abgegeben hätte, ein Zwischendurch-Einfach-so-Strauß, für meine Arbeit - das gab es, glaube ich, noch nie.




So sagte schon meine kluge Mentorin im Referendariat: Wir dürfen für unsere Arbeit keinen Blumenstrauß erwarten. Sie meinte das sicherlich im übertragenen Sinne. Wie sehr sie auch wortwörtlich Recht hat, das habe ich nun ein Jahrzehnt lang erfahren.
(Es gibt andere Berufe, denen das auch so geht, ich weiß ...)




Aber jetzt eben mal:

Oh!!!!!

Samstag, 26. Juni 2010

Ganz ungewohnt

Ein Wochenende liegt vor mir - voller ..., nein: eben nicht voller Dinge.

Keine Korrekturen, nix Großes für die Schule zu tun, keine Noten machen, keinen Vortrag vorbereiten. (Ein paar Musterlösungen und die drei Stündchen für Montag - ok, das zählt nicht.)

Keine Termine - nicht im Haus, nicht außer Haus. Kein Kindergeburtstag, keine Freundeverabredung.

Die Erdbeeren sind abgeerntet, die Kirschen wachsen dieses Jahr nicht, das Unkraut hält sich in Grenzen (weil wir die "Grenzen" immer weiter hinausschieben ;-)), Maulbeerbaum und Rosen werfen ganz wunderbaren Schatten auf unsere Liegestühle.

Vielleicht ein bisschen Stadtbücherei, vielleicht ein bisschen Schwimmbad. Aber nur vielleicht.

Keine dringliche Aufgabe, nirgends.

Mal schauen, ob ich das noch kann, so ein Wochenende?

(Und falls nicht, kann ich immerhin beruhigt sein: Der Terminkalender wedelt ab nächste Woche wieder mit Dringlichstem - nur, falls mir was fehlen sollte ;-))

Donnerstag, 24. Juni 2010

Ein Tag - gestern

Im traurigen Herzen das Viele bewegen, das rings um mich nahen Menschen zu tragen aufgegeben ist –
mit offenen Augen die Sehnsüchte der Kinder vor mir empfangen –
fast ersticken daran, ihnen – sehenden Auges – weiter Schweres zuzufügen: Noten und Ängste vor der Arbeit, die sie bald bei mir schreiben müssen –
in Frage stellen: das was ich hier tue, die Worte, die meinen Mund verlassen, all die Mathematik-Physik-Klugheit – wie banal ist das eigentlich? –
plötzlich den strahlenden Augen und dem Redefluss von N. begegnen, der mir seine Arbeit entgegenstreckt, unter der nicht wie sonst „mangelhaft“ steht -
zweifelnd mich fragen: was weiß ich eigentlich von „meinen“ Kindern? –
und gleichzeitig lebenserfüllt durch meine Stunden gehen –
kurz darauf, in der Pause, zusammensinken auf dem Stuhl –
die Gedanken wandern zu Dir und zu Dir und zu Dir und zu Dir, die Du Deine Mutter, Deinen Vater, Deinen Sohn, Deine Tochter … nein, hier mich nicht den Tränen hingeben, nein, jetzt nicht, bitte nicht ... –
immerfort lärmen die Kinder ringsum –
zerrieben im Spagat mich fühlen zwischen Schulflureile und Weltenstillstand im Innern –
und als ich das Stück Kreide übers Pult schleudere, L., weiß ich sehr wohl, dass nicht Du das ausgelöst hast und dass ich jetzt gern mit Dir ein Eis essen gehen würde – ob Du mir wohl die Frage beantworten könntest, warum Du seit einem Jahr alle 5 Minuten irgendetwas tust, was laut (und störend) durch die Klasse dringt oder ob wir das zusammen herausfinden könnten – ja, ich würde Dich gern näher kennen (Du Dich selbst vielleicht auch?) –

Puh, das alles.

Unerwartet darf ich dankbar sein: für einen unglaublich warmen, verstehenden Händedruck mit Kraftwünschen, genau in diesem Moment …
(und dass es nicht selbstverständlich ist, einen Schulleiter mit solch feinen Antennen zu haben – dessen bin ich mir bewusst, und wie!)

Am Nachmittag mit der Tochter Inliner fahren:
Sie steht, beginnt zögerlich, stürzt, kommt wieder auf die Beine, läuft ganz sicher jetzt, stolpert, das Tempo wird größer dann und sie fürchtet sich, weint, strahlt, steht still und setzt den nächsten Schritt, sie besinnt sich, strauchelt und steht wieder auf, will nicht wieder fallen und es passiert ihr doch, sie hält inne und geht weiter … Glücksmomente, Tränen, Innigkeit, Wut, Freude auf den nächsten Tag – dichtestgepackte Lebensfülle bei ihr.

Und bei mir.

So ein Tag war gestern.


(PS. Ich hatte bis gestern noch nie in meinem Lehrerleben ein Stück Kreide irgendwohin geschleudert ...)

Dienstag, 22. Juni 2010

Angekommen

Nun sind wir länger wieder hier als wir fort waren. Schnell sind die beiden Nachurlaubswochen verflogen. Gefüllt waren sie, arg gefüllt. Mit Dutzenden von Terminen und Aufgaben. Mit allen Farben des Lebens, den hellen und den düsteren. Wechselbäder von Lebenstanz und Tränenreigen.

So sehr ich mich diesmal schwertat mit der Rückkehr aus den wunderbar freien, lichten Wochen des Urlaubs in einer anderen Welt, so sehr kann ich jetzt sagen, dass ich heimgekehrt bin: in die meine, die alltägliche Welt.

Angekommen, gerade als – und weil? – in den letzten Tagen das Leben sich mir in unglaublicher Dichte und Unverstehbarkeit zeigte …


Da war eine Wolke zwischen dem Licht des Urlaubs und dem Licht, das ich jetzt wieder spüre. Es dauerte diesmal viele Tage, Rhythmus und Lebensempfinden umzuwälzen.




Ich musste mich wieder hineinfinden in meine täglichen Wege, in denen die Schritte streng in der Reihenfolge zu setzen sind, in der Aufgaben anstehen, in denen kaum Freiheitsgrade bleiben.




Auch wenn ich lieber in die Weite blicken und selbst wählen würde, wohin es geht.





Ich habe gerade in diesen Tagen wieder erfahren, dass auch in dunklen Wegabschnitten Lichtinseln aufscheinen.




Der Endspurtgedanke – in der Schule mit Blick auf den Schuljahresabschluss allgegenwärtig – ist wohl ein Holzweg. Nein, ich muss den Schlängelweg mitten hindurch finden. Mein Tempo gehen, ohne mich von der Aufgabenreihung beeinflussen zu lassen.





Und doch all die Aufgabenberge vor Augen haben – Schritt für Schritt.



Nein, das schließt einander nicht aus.


Ich weiß, dass es bald wieder weit werden wird, sehr weit. Und gehe darauf zu.




Auch wenn das manchmal schwer ist, bergauf mit Last auf dem Rücken.




Wie das geht?

In einen jeden Tag eintauchen, was auch immer dieser mit sich bringt.




In vorgegebenen Bahnen …



… und um Hindernisse herum fließen.




Vertrauensvoll sich durch Engstellen hindurch begeben.




Ausruhen und verweilen, wann immer es nötig ist.





Der Oasengedanke, der trägt.
Licht-Oasen, Stille-Oasen, Innigkeits-Oasen, Begegnungs-Oasen – an einem jeden Tag, allezeit, allerorten zu finden.
Ich darf nur nicht daran vorbeieilen. Muss innehalten, zur Ruhe kommen, für eine Weile, die oft nur ein klitzekleines Weilchen ist. Bevor es wieder weitergeht.
So geht es – nur so.

Ja, ich bin angekommen.
Ein gutes Wort.
In den nächsten Wochen ist es sehr eng im Aufgabenkorsett, aber die innere Weite, ja, die scheint wieder auf.

Montag, 21. Juni 2010

"Es geht schon"

Neulich Vorbereitungsgespräch mit Siebtklässlern, sie halten ihren großen Jahresvortrag in Physik.

Einer hat nichts vorbereitet, mir immer wieder gesagt, er bräuchte noch Zeit, er habe sich das Material noch nicht mal angeschaut.
Nun ist es nicht mehr lange bis Notenschluss. Nicht mehr viel Zeit für ihn.
"Ich weiß gar nicht, wann ich das machen soll. Wir schreiben ja ständig Arbeiten, nicht mal die schaffe ich vorzubereiten."

Ach, ich weiß ja um seine Situation.
Biete ihm an, den Termin ganz weit nach hinten zu legen. Oder ob wir mit der Klassenlehrerin und der Schulleitung eine Regelung finden sollten, ihn ganz zu befreien vom Vortrag.
"Nein, nein, ich will das ja machen."
Klar, ich kann mir vorstellen, wie sehr er sich an jedes Stück Schülernormalität klammert. Ein Vortrag als Zeichen: das ist mein Alltag. Hier ist alles ganz normal, hier kann ich mich halten, hier geht es immer weiter ...

Meine letzte Idee: ihn von den Projekttagen zu befreien, damit er sich in dieser Zeit vorbereiten kann. Ihm einen Arbeitsplatz in der Schule bereitzustellen, ihn bei der Vorbereitung zu betreuen, wofür zu Hause gerade niemand Raum hat.
"Mein Vater hat schon wieder ne Chemo. Meine Mutter ist nur im Krankenhaus, ich bin halt ständig allein zu Hause."

Das treibt mir die Tränen in die Augen. Ich will noch etwas sagen, doch da kommt dieses entschiedene:
"Aber jetzt ist gut. Es geht schon."

Ach, kleiner F., wie sehr mich gerade dieser Satz schmerzt.
Viel stärker schmerzt, als würdest Du vor mir in Tränen ausbrechen, als würdest Du Deinen Schmerz aus Dir herausschreien, als würdest Du Deinen Ranzen wütend auf den Boden knallen - mit all dem könnte ich besser umgehen als mit Deinem "Es geht schon."

Wer hat Dir gesagt, dass es gehen muss?
Immer gehen muss, ganz gleich was geschieht?
Wer lebt Dir das vor???

Doch, ja, ich lebe das vor. Vielleicht. Wir Erwachsenen. Die wir uns zusammenreißen, beherrschen, überwinden, so tun, als sei es wieder gut. Selbst wenn nichts "gut" ist, fügen wir uns einer inneren und äußeren Disziplin. Ich jedenfalls.

Und wenn ich jetzt Dich, kleiner F., mit diesen ach so "erwachsenen" Worten höre, dann weint das kleine Mädchen in mir ganz sehr, ganz sehr ...

Sonntag, 20. Juni 2010

... gestern und heute ...

Gestern die Kindergeburtstagsfeier des Tochterkindes.
Heute Morgen, als ich hier erzählen wollte, fand ich die Nachricht.
Nun sind erstmal keine Worte mehr …







Kerzen,
um ein neues Lebensjahr zu begrüßen,
begleiten nun einen letzten Weg auf dieser Erde
und einen schweren Abschied.

In Gedanken bei Euch.

Stille.

Freitag, 18. Juni 2010

Der Faden

Neulich abends mit dem Sohn. Eine unserer fast täglichen Kollisionen. Ich nannte es vor kurzem Vorpubertät, denn so fühlt es sich an, auch in dieser Situation wieder.

Dieses Mal gelingt es mir, gelingt es uns, nicht aus der Haut zu fahren, sondern zueinander zu kommen: am Tisch und im Gespräch. Zufällig sind wir allein – wie gut, dass wir also in Ruhe sprechen können.
Ich höre aus seinem Munde: „Von Mathe verstehst Du ja vielleicht viel, aber sonst verstehst Du nichts!“ und dass ich sicherlich eine schlechte Lehrerin wäre, die sich selbst satt (fr)isst, während die Kinder neben mir Hunger haben …
So sagt er mir das, mein Sohn.

Ich spüre, dass ich in letzter Zeit einen Faden verloren habe, dass ich so vieles nicht mehr weiß von ihm, dass ich ihm den Gesprächsraum nicht gegeben habe, dass meine Ohren auf andere Dinge lauschten als auf ihn ---- ja, dass ausgerechnet einer meiner nächsten Beziehungsfäden gerissen, oder wenigstens zum Zerreißen gespannt ist. --- Nein, er reißt nicht, das ist mir schon klar. Aber seine Sehnsucht danach, dass ich Raum für ihn habe, dass wir miteinander reden, dass wir nicht immer nur aneinandergeraten, diese unerfüllte Sehnsucht, die er mir mit großen Augen ins Gesicht sagt, die tut mir weh.

Und so sitzen wir lange zu zweit beim Essen, sprechen ganz innig miteinander.

Ganz leise sagt er, als ich aufstehe, und mir ein Glas aus der Küche hole: „Ich wünsche mir, dass Du hier bei mir sitzen bleibst.

Ganz leise sagt er dann: „Ich möchte, dass wir uns Witze erzählen.“ – Ich kann das überhaupt nicht, merke mir keine. Und doch fällt mir bei seinen Häschenwitzen einer ein, den er noch nicht kennt. Wie herzhaft, wie glücklich er darüber lachen kann!

Ganz leise schleicht er sich dazu, als ich später der Tochter vorlese. Legt sich neben uns ins Bett. Ist es Zufall, dass sie an jenem Abend eine Geschichte ausgesucht hat, in der das Nasenbegrüßungsritual der Eskimos vorkommt? --- Wir probieren es alle drei ausgiebig aus.

Ganz leise ruft er mich später – schon längst wäre Schlafenszeit – aus seinem Zimmer, er wolle nochmal reden. Worüber? Egal, einfach reden.
Und so legen wir uns nebeneinander ins große Bett, kommen irgendwie darauf, dass Kinder viel besser phantasiereisen können als Erwachsene.
Wieso, das ist doch ganz einfach?, sagt er.
Nein, für mich nicht, sage ich.
Also los, sagt er … und dann fahren wir Hausboot. Sehen hinten am Horizont einen Dampfer. Und Wellen, einen Wind, der immer näher kommt – ja, jetzt bemerke ich ihn auch. Einmal kann ich sogar etwas sehen, das er noch nicht entdeckt hat, und es ihm zeigen! Aber nur einmal …

Nun, hoffentlich waren die zum Zerreißen gespannten Fäden mit auf unserer Hausbootreise, sind ordentlich nass geworden, vom Wasser dehnbar gemacht … damit sie wieder elastisch werden, elastisch genug, um nicht zu reißen. Hoffentlich.

Ach man, ich fühle mich manchmal so unfähig.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Grün-farbiger Proviant

Aufgesammelt gestern im Garten, als ich statt zu korrigieren zwischen den Blüten herumstreunte. Da fand ich so vieles ...

Es tat unglaublich gut, sich in diese Fülle hineinsinken zu lassen.

Wer braucht und mag, nehme sich mit ...



















































Mittwoch, 16. Juni 2010

Mal wieder ...

Ich kann doch hier nicht schon wieder übers Korrigieren jammern – das ist doch immer das Gleiche? Muss ich da nicht einfach durch?!

Es war schon so gut nach dem Urlaub – ich fühlte mich angekommen, ruhig die Schritte setzend, fast wieder innig in mir. Doch in diesen Tagen, da ich in Aufgabenstapeln versinke, droht es zu kippen ...

An so vielem merke ich es:
Dass aus dem Nichts schmerzhafte Gedanken hervorwinken.
Dass ich zweifelsvoll denke, schaue, rede – in Situationen, die mir sonst voller Licht sind.
Dass ich mich verliere, mich nicht spüre, blind werde.
Mich unfähig fühle …

Lese in Lehrerblogs von Super-Duper-Korrektur-Orga-Tipps, lese vom Korrekturpensum anderer, und fühle mich wie die einzige Undiszipliniertheits-Lusche.

Rede anderen gut zu, Schritt für Schritt zu gehen, die Augen offen zu halten für die kleinen Oasen am Wegesrand – und fühle mich selbst unfähig dazu. Stattdessen höhnt es in mir: Alles selbst verschuldet – ist ja meine Sache, wie viele Stunden ich unterrichte und wie ich mir die Arbeit über’s Jahr verteile, was also jammere ich jetzt …

Sehe stets nur, was noch liegt auf den Stapeln. Bin blind dafür, was ich in knapp zwei Wochen an Korrekturen und sonstigem weggeschafft habe.
(Idee: Ich sollte mir eine „Done“-Liste zulegen, statt des „To-do“, das mich sowieso anspringt.)

Sehe meine Urlaubskräfte schwinden …

Ach …

Nun, noch überlasse ich den Dunkeltrollen nicht das Feld. Lasse die mir ins Ohr geflüsterten Zweifels- und Hämebotschaften nicht übermächtig werden, wie letztes Jahr um diese Zeit.
Noch gehe ich Schritt für Schritt weiter. Nicht jauchzend, aber auch nicht schluchzend.

Zögerliche Versuche, mir selbst Gutes zu tun:
Im Garten korrigieren – dort ist’s heller.
Mich darum zu kümmern, dass mir meine (unterrichts)freien Tage nicht genommen werden, wenn demnächst Ketten von Projekt-, Wander- und sonstigen Sondereinsatztagen anstehen.
(Die Vollzeitkollegen schauen bei dem Satz „das ist mein freier Tag“ komisch, das kennen sie nicht – vor allem nicht von mir ;-) )
Mir die Zeit nehmen, hier zu schreiben – das erleichtert, ist Ventil.
Und mir den Fotoapparat schnappen, ein paar Minuten durch den Garten stromern …





Dass mir in diesen Tagen die richtigen Worte nicht kommen, muss ich mir zugestehen. Ich lasse diesen Text jetzt einfach so stehen.
Korrigiere noch ein bisschen weiter.
Und schaue mir später meine Blumenfotos von gestern und heute an. Ein paar gibt's dann hier, morgen vielleicht ...

Samstag, 12. Juni 2010

Unverstehbares Leben ...

Wie ich heute Morgen diese Worte finde - oh, denke ich, das hat doch mit meinen Ordnungs- und Reihenfolgegedanken von neulich zu tun. Ergänzt die Bilder aus dem vorigen Post.
So also will ich meine Farbenblüten als Geschenk ansehen, das ich geschehen lasse, Tag für Tag ... im Urlaub, wie auch jetzt ...


Du musst das Leben nicht verstehen

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.


(Rilke)

Donnerstag, 10. Juni 2010

Farbenschillern

Ich schenkte mir in den letzten Tagen immer mal ein paar Minütchen Fotoversinken. Das tat arg gut.
Weil ich hier am Ankommen bin, am inneren Ankommen, und dort noch nicht ganz weg, erlebe ich meine Tage wie ein Schillern zwischen den Welten. Mit jedem Tag verliert das Schillern von seiner Tränentraurigkeit, gewinnt es an Kraft und Licht.
Die äußeren Bilderinnerungen wandeln sich in innere Bilder.
Gern würde ich mehr erzählen, viel mehr, doch dazu reichen meine Zeitfenster in diesen Tagen nicht.
Zeige hier einfach ohne Worte ein paar Farbschillerbilder, die mir beim Durchblättern etwas zugeflüstert haben. Was das war? Das weiß ich selbst noch nicht so genau. Es ist noch unhörbar, und doch war es da.

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Und während ich sitze und überlege, wie die Bilder anzuordnen sind, welche Zusammenhänge und Strukturen aufscheinen --- fällt mir nichts ein. Nichts.
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Je länger ich darüber nachdenke, desto deutlicher wird es: Es will alles geordnet sein allein nach der Reihenfolge, in der es geschah. Für den Moment scheinen mir meine Urlaubsgeschichten wie auf der Zeitlinie aufgefädelt. Eine jede Farbe, eine jede Stimmung kam zu ihrer Zeit.
Wann sie sich zu Netzen, zu einem Tuch verknüpfen, wann sie ein Gesamtbild – und welches? – ergeben werden, diese Farbperlen, das weiß ich nicht. Brauche ich nicht zu wissen.
Ich muss sie mir nur betrachten, immer wieder, dann werden sie mir immer lauter flüstern. Irgendwann werden sie zusammen eine Geschichte formen.




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Wer unterwegs den Regenbogen nicht entdeckt haben sollte: Hier ist er nochmals vergrößert.





(Und habe damit die einzige klitzekleine Unordnung in meine Zeitfarbenkette gebracht …)