Freitag, 31. Juli 2015

Sommerferienstart


Ein letztes Schulweckerklingeln. Selbst mit dem Ruf "Zeugnistag" sind die Kinder kaum aus dem Bett zu bekommen. Hier reicht es allen, aber sowas von. Es wird knapp mit der Zeit, an einem normalen Tag würde man es "zu spät" nennen, aber heute ist das egal. Sie fangen ihre Klassen sicher noch auf dem Weg in den Gottesdienst ab.

Ich selbst kann noch einmal zurück in mein Dorf, bin bis 9 Uhr für nichts eingeteilt. (Der halben Stunde, die ich mir in zeitlicher Gelassenheit jetzt nehme, werde ich den Rest des Tages hinterherlaufen.) Kurz vor 9 öffnet der Blumenladen extra für mich, ich hole meine bestellten Rosen - für jeden Schüler eine - und Sonnenblumen - für ein paar Herzenskollegen - ab und merke, dass ich von nun ab zu spät bin. Zur Schule gerast, wo mir alle schon entgegenkommen, ins Lehrerzimmer gespurtet, um die Blumen ins Wasser zu stellen, den anderen hinterher geflitzt in die große Halle, wo nun  alle diejenigen Schüler geehrt und beschenkt und beklatscht und fotografiert werden, die im Laufe des Jahres etwas für die Schulgemeinschaft getan haben. Die Referendare werden verabschiedet, der (einzige) pensionierte Kollege auch. Das alles dauert dieses Jahr ganz besonders lange, und wir am Rand stehenden Klassenlehrer rechnen schon hektisch, wie viele Minuten uns für die Zeugnisausgabe noch bleibt, bis um 11 Uhr die ersten Schulbusse fahren.

Zurück in die Schule im Laufschritt, auf dem Weg von Eltern abgefangen, die dringend - jetzt! - etwas wollen. Und vom erschreckten Erinnern, dass wir noch die Einlegeblätter ... und die Briefe in die Buchpreise ... und in 20 min fahren die Schulbusse ...
Und dann halten die Schüler das Klassenzimmer von innen zu. Schreiben und basteln an etwas herum - Geheimnis - wir grinsen, müssen aber auf diese (blöden) Busse verweisen. Aufgeregtes Gewusel, bis endlich alle Popos den Weg auf die zugehörigen Stühle gefunden haben. Es gibt blaue Mappen mit Rosen, für manche ein Buch, ein paar Freudenschreie, ein paar Tränen. Wir bekommen eine Karte und liebe Worte, dazu kleine Geschenkchen. Von der Coklassenlehrerin ein Fahrradlyrikbuch - wie lieb! Bei all dem verdrücken sich die Tränchen wieder, welche mir fließen wollen, als unsere so liebgewonnenen Sechstklässler ein letztes Mal vor uns sitzen, um nun aufzuspringen und als quasi Siebtklässler in die Sommerferien zu starten. Manche kommen noch nach vorn, um ganz verstohlen die Hand zum Abschied zu reichen. Das ist in diesem Alter ja schon ein wenig peinlich. Scheint aber wichtig zu sein. --- Das war's, Ihr Lieben. Keine Zeit zum Trauern, obwohl ...

Schnell noch eine Klassenkonferenz - in anderen Klassen gilt es über dramatische Schülerwege zu sprechen - dann Dienstbesprechung. Mit Dank, Blumen, Abschied, zwischendurch Aufräumen, an die letzten Formalia denken, Klassenbücherunterschriften einsammeln, das neue Schuljahr im Kopf wälzen, kurze Zettelchen hin- und herschicken, wie so Schüler:) "In welcher Woche können wir uns in den Ferien treffen?" Mir selbst ne Mail schreiben, um heute nachmittag Dokumente nicht zu vergessen, restliche Papiere vom Tisch in fremde Fächer legen, oder in mein Schließfach, oder in die Tasche. Am Ende eines Schuljahres zieht man aus dem Lehrerzimmer immer ein Stück weit aus.
Zur Herzenskollegenverabschiedung gehen wir ins Foyer, führen unser Programm auf, drücken ihn und trinken Sekt, drücken uns gegenseitig, wir die wir "Bis September" sagen können, oder "Bis gleich", weil die meisten noch mit essen gehen. Die Pizzeria zeigt Geduld, wir sind eigentlich nach der Mittagsschließzeit da, aber wir sind viele, sie lassen uns sitzen, so lange wir wollen. Bis vier Uhr bleiben wir, langsam dimmt die Stimmung auf Ferien hinunter, langsam nur.

Als wir gehen - hinter uns wird abgeschlossen - ist es schon Zeit, die Tochter von ihrer Feier abzuholen.  Sie kommt bedrückt aus dem Haus geschlichen. Der Grundschulabschied tut ihr weh, bei aller Vorfreude auf das Gymnasium. Ein Eis tröstet sie ein wenig, wir schauen ihr Zeugnis an (bei dem es nix zu trösten gibt:)) - und irgendwannn kommt auch sie in Lächelstimmung. Im Buchladen gibt es das Zeugnisbuch (wie unromantisch: habe ich es nichtmal vorher abgeholt und eingepackt), und zu Hause wartet der Sohn.

Irgendwie seltsame Stimmung an diesem ersten Abend. Warum jubelt man nach der wochenlangen Anspannung nicht los? Warum fällt man nur müde und fast schon bedrückt ins Bett? Warum schmeckt mir nichtmal der Sekt?

***
Schon zwei Tage ist das her. Die seltsame Stimmung schleppt sich und mich bis heute. Es schreibt sich nicht, ich bin versucht alles wieder zu löschen. Wir haben einen Friseur-, einen Zahnarzt-, einen Kinderarztbesuch hinter uns gebracht, haben die Kinderschulsachen sortiert, ein paar kleine Fahrradschraubereien und vier Waschmaschinen absolviert, eine neue Brille ausgesucht und vermessen, die verlorenen Chipkarten ersatzbeordert, tütenweise zu kleine Klamotten aussortiert (und Einkaufslisten für neue geschrieben), die Reiseplanung für nächste Woche detailreicher gestaltet, erste Urlaubseinkäufe auf dem Boden sortiert abgelegt ...
Mitten in all dem melden sich pünktlich ein Gerstenkorn bei der Tochter und Halsschmerzen bei mir. So wie Ferien oft anfangen. So krank habe ich mich das ganze Jahr nicht gefühlt. Liege im Bett und warte, bis Körper und Seele ferienbereit werden. Immer mit einem Seitenblick auf die lange To-do-Liste, welche vor dem Urlaubsstart am Mittwoch noch Zeile für Zeile abzuarbeiten ist ...

Mittwoch, 29. Juli 2015

Sommerferien minus 1


Vormittag:
- sechs ganze Stunden mit meinen Sechsern: was sich in anderen Klassen wie Kaugummi ziehen würde, wird für mich zum vergnüglichen Vormittagsprogramm: sie sind unkompliziert wie immer, und kicherig, und fröhlich, und hilfsbereit, und konzentriert - wir arbeiten uns durch Büchertausch, Organisationskram, Zimmerputz, Auswertung des Sportfestes, "Instruktions"gespräche für Klasse 7 ("Wie präsentiere ich mich vor meinen neuen Lehrern?"), eine Taschenrechnerrallye, eine längere Hofspielphase, und letztlich zwei lange Rätsel um die Mittagszeit, bei denen ich hinten am Regal lehne, zuschaue, mich von der Begeisterung mitbegeistern lasse und die Augen voller Tränen bekomme, weil sie mein Herz doch ganz schön haben Peng machen lassen, diese hier
- kurz vor Ende stehen plötzlich die Elternvertreter in der Tür: mit Blumen und Abschiedstasse und lieben Worte: hach ...

Abend:
- nach dem kindertermingepropften Nachmittag raffe ich mich abends noch zu einer Großaktion auf: die Papierkubikmeter meines Regals durchforsten, komplett, Stapel für Stapel, um alle zu schreddernden Papiere herauszusuchen - steht doch morgen in der Schule ein Großschredder, wo ich mir das stundenlange Blatt-für-Blatt-Einschieben spare, nur einfach einwerfen muss, mit letzter Konzentration also und bei Bachmusik (der würde sich im Grabe umdrehen!) wälze ich die Fluten um - all das Schredderzeugs passt dann kaum in eine Leinentasche (was ich da an Schredderzeit spare!)
- dass parallel dazu die traurige Mail eines Kollegen eintrifft, welche wir mit Beileidsmails und mit Umplanung und Neukoordination des morgigen Verabschiedungsprogramms beantworten - dies verschiebt meine Schlafenszeit wieder auf Nachmitternacht, öffnet allerdings auch die Augen - mal wieder - wie sich solche Pille-Palle-Arbeitsprobleme in das große Ganze einordnen

Und die anderen Momente:
- in der Schule vormittags, da war eigentlich schon genug "anderer Moment" dabei:)
- nachmittags Kinderchauffierstunden: dass wir zwischendurch eine Pizza im Lieblingsimbiss eingeschoben haben, das fanden nicht nur die Kinder besonders
- die Vorfreude, als ich im Blumenladen die Rosen und Sonnenblumen für morgen bestellte
- ... 

Dienstag, 28. Juli 2015

Sommerferien minus 2


Vormittag:
- in die Schule auch ohne Unterricht: es bleiben geschätzte drei Stunden Physiksammlungsputz (die in der Realtität dannn doch etwas länger dauern) und die restlichen Aufräumarbeiten an meinem Platz und Fach im Lehrerzimmer
- dazu schon Lehrbuchausleihe und ein paar erste Absprachen fürs nächste Jahr (noch nie war ich so früh, glaube ich)

Nachmittag:
- die Methodenkartei drängt, also setze ich den Nachmittag daran, bin zwar unkonzentriert, aber schaffe bis zum Abend doch einen Packen weg, verschicke meine Entwürfe an die Steuergruppe - und lehne mich erstmal zurück, jetzt brauche ich die Rückmeldung der anderen um weiterzumachen (hoffentlich findet noch jemand den Kopf dafür in diesen Tagen ...)

Abend:
- Vorbereitung des morgigen 6-Stunden-Tages, des letzten mit meinen 6ern, die Coklassenlehrerin hat es auf der Zielgeraden ins Krankenbett gehauen, also bin ich morgen allein; und da ich es wenig sinnvoll finde, den Klassen einfach eine Videokassette einzuwerfen (habe ich tatsächlich noch nie gemacht), entwerfe ich noch schnell eine Taschenrechnerrallye, das traditionelle Nachnamenrätsel sowieso, und kopiere eine Best-of-Serie von Denkaufgaben, die immer gut ankommen
- dann all die anderen Orga-Papiere ausdrucken: Bücherrückgabe, Erprobungsphasenfeedbackauswertung (man reiche mir ein Galgenrätsel:)), Vorbereitung des letzten Elterngesprächs usw. usf. - die Klassenleitungsmappe ist plötzlich voll von Dingen, die doch letzte Woche noch nicht da waren (?) und morgen unbedingt noch sein müssen ... vielleicht hätte ja auch ein Rätsel weniger gereicht?


Und die anderen Momente:
- am Rad jetzt endlich wieder einen Low Rider haben, also die Halterung für Fahrradtaschen vorn: damit ist mein Rad erstmals wieder ausgestattet wie zu Studentenzeiten - in zehn Tagen geht es los: juchhu!
- Zeit für ein paar mentale Urlaubsvorbereitungen: Strecke abstecken, Klamotten sortieren, Einkaufsliste schreiben, Vorüberlegungen, welches Buch mitgeht:)
- mit den Kindern kleine Filme entdecken, auf denen sie winzig babyklein waren - es erschallt lautes Hach-wie-süß durchs Haus
- kuscheln, immer wieder kuscheln - das hilft ja immer (der Tochter und mir, und heute lehnt sogar der Sohn seinen Langhaarkopf gegen meinen)
- ... 

Montag, 27. Juli 2015

Sommerferien minus 4 und 3


Samstag:
- nichts, einfach mal nichts - das war ja auch meine selbst erstellte Regel in diesem Schuljahr: einmal pro Woche für 24 Stunden am Stück nichts für die Arbeit tun (hat in 80% der Wochen geklappt, und zwar fast immer am Samstag)

Sonntag:
- Methodenkarten für unser Schulentwicklungsprojekt sind zu schreiben - letztlich mindestens 20 Stück bis September, was ich zwar nicht allein tun werde, aber an mir ist es, die Übersicht, die Struktur, das Layout und die ersten Beispiele zu entwickeln, dann Abgleich mit den Ideen der Kollegen, dann gemeinsames Weiterarbeiten, so ist der Plan
- sitze ich also am schönen Sonntag vor meinem frisch aufgeräumten Schreibtisch, verwüste ihn in Windeseile mit mehreren Büchern und Konzeptzetteln, raufe mir die Haare bis zu den ins nicht mehr funktionierende Gehirn reichenden Wurzeln --- und dann quält sich ein erster Entwurf in den Computer
- nach etwa 3 lähmenden Stunden habe ich ganze 1,5 Blätter fertig und bin selbst auch selbiges, also gebe ich für heute auf und vertraue auf den frischen Montag
- statt dessen noch einen (von gefühlt tausend) Papierstapeln aufräumen und letztlich fast vollständig entsorgen
- und die Abschiedskarte für den Herzenskollegen schreiben


Und die anderen Momente:
- herumlungern, aufgaben- und planlos auf dem Sofa
- das Klaviervorspiel der Kinder, und dass wir hinterher mit der Klavierlehrerin noch Pizza essen waren
- wie der Sohn mit seinem Freund Urlaubspläne schmiedet und dabei so glücklich ist
- und wie die Tochter bastelt und mir immer aus der Ferne die Werke zeigt, wo ich, noch im Bett liegend, doch ohne Brille so gar nichts erkenne, sie aber immer weiter macht mit dem Zeigen, bis ich irgendwann automatisiert "ja, schön" sage und sie darauf: "Woher willst du das wissen, du kannst doch gar nichts sehen."
- ... 

Samstag, 25. Juli 2015

Bitte lesen!

"Den Tüchtigen gehört gar nicht die Welt. Das hat man ihnen nur eingeredet.
...
Den Tüchtigen gehört nicht die Welt, sie können mit ihr bloß nichts mehr anfangen ...
...
Der weitaus größte Teil der von Menschen jemals gelösten Probleme wurde mit dem eindeutigen Tatmotiv der Faulheit erdacht. Faulheit kennt nur ein Ziel: Wohlbefinden. Verbesserung der Lage. Freude am Leben. 
...
Der Fleiß hingegen ist höchstens ein Mittel zum Zweck. Er ist zu einem Fetisch geworden, der uns heute im Weg steht. Mehr Faulheit wagen, das bedeutet nicht nur entspannt mit der Zukunft und der Gesellschaft umzugehen, sondern auch mit sich selbst.
...
Für die wahre Faulheit werden wir hart an uns arbeiten müssen."

Der ganze Artikel hier: Mehr Faulheit wagen!

(Schön auch der Name des Autors: Wolf Lotter :))

Sommerferien minus 5


Vormittags:
- voller Elan in die Physiksammlung, mit eigenem Eimerchen+Putzlappen ausgestattet (so ist das in Schulen:)), und mich an die mir zugeteilten 6 Schränke machen: ausräumen, sortieren, Reparatur- und Fehlliste schreiben, putzen, einräumen
- nach 3 Stunden sind 3 Schränke fertig, immerhin (überlege nun, ob ich am Wochenende hinfahre oder den Rest am Montag dazwischenschiebe)
- Deputatszettel liegen in den Fächern --> Schock, Schreck, da ist alles schiefgegangen (viel zu wenig Stunden, wegen Mischung aus einem Versehen meiner zweiten Dienststelle und neuen strengen Vorschriften, immerhin keinerlei böse Absicht, einfach nur totales Pech, denn selbst wenn ich jetzt noch genug Stunden zusammenbekomme, bin ich dann so "Lumpensammler" für Dinge, die niemand tun will, meine Lieblingsklasse ist jedenfalls weg, schluchz) --> Akutgespräch mit dem Chef, ob sich noch was richten lasse, der sieht den Irrtum und meinen Punkt, hat aber im Moment noch keine Idee ... wir schimpfen beide auf ... und ich weine dabei los ...

Nachmittags:
- Telefonate und Mails, um eine Lösung zu finden, ich schluchze die ganze Zeit, all die Erschöpfung bricht sich Bahn, und riesige Angst, dass ich doch auf diesem Unterstundenberg sitzenbleiben muss (mit einer Folge fürs übernächste Schuljahr, welche ich mir noch gar nicht ausmalen mag)
- Telefongespräche mit allen möglichen Kollegen, die aber immer in deprimierenden Aussichten enden: es kann eigentlich nur ungünstig werden, selbst wenn ich doch noch Stunden abbekomme ...
- ich merke, wie ungelassen (gibt's das Wort?) ich bin, wie schlecht ich das verkrafte, obwohl  mich doch eigentlich trösten sollte, dass alle möglichen Menschen jetzt alles mögliche probieren und niemand diese Situation wollte ...


Und die anderen Momente:
- mein Sohn, der mich weinend sieht (weil ich ihn aus der Schule mitnehme) - wie er sich um mich bemüht:)
- die 4t-Klass-Abschlussfeier der Tochter, mit einem tollen Programm und gar nicht so langweiligem Zusammensitzen hinterher (hatte Schlimmstes befürchtet)
- der Abend, den ich baumschauend verbringe, immer noch sehr gedämpft, aber die Tränen rollen nicht mehr, ich denke es rationaler durch, überlege, ob ich der Situation Positives abgewinnen kann, und was im schlimmsten Falle passieren könne
- und erlaube mir sehr früh ohne jede Haushalts- oder gar Schultätigkeit ins Bett zu fallen, einfach nur mit Buch - "Arbeit und Struktur", dabei dann die Gedanken, was ich eigentlich für Pille-Palle-Probleme habe
- ... 

Freitag, 24. Juli 2015

Sommerferien minus 6

Nun läuft also diese berüchtigte vorletzte Woche, in der die Tage so voll sind, dass man abends kein Wörtchen mehr schreiben und morgens kein Detail mehr erinnern kann ...

Vormittags:
- unterrichtsfrei, also sitze ich am heimischen Schreibtisch (da habe ich wenigstens einen) und schaue 60 Klassenarbeitsverbesserungen durch (was abgegeben ist, wird durchgeschaut - manchmal frage ich mich selbst, ob ich nen Knall habe)
- zwischendurch immer noch ein paar Dinge per Mail herumorganisieren - ich weiß gar nicht mehr, wie wir gearbeitet haben, bevor wir uns täglich 20-30 Dienstmails hin- und herschickten

Nachmittags:
- gut fangen sie an, die Konferenzen: mit dem kulinarischen Abschied des Lieblingskollegen - und weil wir ihn nur noch 5 Tage haben, nutzen wir den Nachmittag ausgiebig, mehrfach mit ihm anzustoßen und zu plaudern - er steht schon ein wenig abwesend in unseren Fluren
- Zeit für Aufräumarbeiten meines Platzes und meines Fachs: ich werde damit fertig, so früh wie nie! - und warte nun nur noch auf den Riesenschredder, in den wir am Mittwoch unsere Papierberge werden werfen können (statt jetzt Blatt für Blatt ...)
- Klassenkonferenz vorbereiten: Protokoll vorschreiben, Zeugniskommentare vorformulieren
- nach unserer Konferenz kämpfen wir in grrrr-Stimmung wie alle Kollegen mit diesem Sch....zeugnisprogramm (das Land könnte sich mal bessere Programmierer leisten - was das an Kräften freisetzen würde!)
- dann noch schnell die 8 Buchpreise für unsere Klasse auswählen ...
- und ab zum anderen Dienstort, ein wenig verspätet zur Abschlusskonferenz, zwei Stunden lang drin gesessen, und früher wieder gegangen (ab 19.30 darf man das, finden wir, die wir alle da rausschleichen, weil wir unsere Kinder schließlich nicht über Nacht betreuen lassen wollen)


Und die anderen Momente:
- vormittags zu Hause sein, das ist schon toll, und zwischen den Klassenarbeiten ein paar Schneisen in das Haushaltschaos schlagen: selbst das fühlt sich in diesen Zeiten als guter Moment an
- die kurzen Gespräche mit dem Herzenskollegen, wenn auch traurig, so doch in wohltuender Vertrautheit, mit gegenseitigem Wertschätzen, welches wir uns gleichzeitig ins Gesicht sagen (und wieder Tränchen)
- viel Lachen auf dem Schulflur (ohne Schüler, haha)
- das Streichquartettvorspiel der Tochter, zu dem ich gerade noch pünktlich komme - sehr ergreifend, wie diese vier kleinen Mädchen unglaublich vertieft (und gut!) musizieren; genauso berührend, wie sie sofort danach wieder Fangen und Verstecken und Tuscheln spielen, so dass wir Mütter sie kaum auseinanderreißen können
- abends ein wenig lesen, mich treffende Blogtexte finden, nachsinnen, gedanklich umherschweifen
- als letzten Akt vor dem Schlafengehen: Urlaubsvorbereitungen am Computer - Streckenplanung, Notizen, ein kleiner Einkauf --> Vorfreude!
- ... 

Donnerstag, 23. Juli 2015

Vor x Wochen - Tag 8: Ruhlesee - Berlin


Die Nacht ist schultraumdurchweht. Und von der 2 km entfernten Autobahn durchlärmt. Klingt unwahrscheinlich? Aber ich habe es so wahrgenommen. Bin am Morgen gerädert, unausgeschlafen, und falle nach diesem Blick aus dem Zelt nochmals in tiefen Schlaf. Bis mich um halb zehn das Telefon weckt. Oh mein Gott, verschlafen. Um drei wollte ich in Berlin sein. Das wird nun nichts mehr. Ich telefoniere ein wenig herum, um die Berliner Wartenden umplanen zu lassen. Und schon greifen Terminzwänge wieder mit ihren Tentakeln nach mir.




Zum Glück kann ich dieser Bedrängnis noch ein paar Stunden entfliehen. Packe in Ruhe ein, frühstücke und gestalte mir die letzten Reisestunden bewusst ruhig. Ohnehin dauert heute alles länger. Das Ausschütteln des märkischen Sandes aus sämtlichen Gepäck- und Kleidungsstücken benötigt mindestens eine Extrastunde.




Kurz vor Mittag bin ich auf dem Weg. Dieser gestaltet sich heute heiß und hügelig, im Inneren tönt die ganze Zeit ein mimimi. Nach 15 Kilometern bin ich in Biesenthal, Berlinnähe - von hier ab sind viele Ortsnamen für mich erinnerungsgetränkt. In diesem Ort zum Beispiel wohnt der beste Referendariatsausbilder von allen - würde ich den jetzt hier treffen, hach. Und hier war ich Ende der 70er im ersten Probenlager meines Lebens.
Heute ist der Ort laut. Und wie gesagt heiß. Außerdem befinde ich mich spürbar schon im Ausflugsbereich von Berlin: Tagesradler, so weit das Auge reicht. Von hier ab grüßt man sich nicht mehr auf den Radwegen. Ich versuche noch ein paar zögerliche Grüße, aber man schaut an mir vorbei. Oder mich komisch an. Ja, die rüde Art und Fahrweise von Autos und Rädern ist ernüchternd. Ein derber Aufprall nach dieser sanften Woche.






Nach früheren Touren übrigens bin ich abschließend in die S-Bahn gestiegen, um die Stadteinfahrt zu vermeiden, der Aufprall in der überfüllten, hektischen Realität war immer schlimm. Heute daher der Versuch, mich dem Stadtmoloch auf dem Berlin-Usedom-Radweg zu nähern. Tatsächlich ist der Weg wunderbar geführt, ausgebaut und ausgeschildert, wenn er nur nicht so voll wäre. Ich bleibe gefangen in meinem mimimi-Empfinden, störe mich am Gegenwind, an den Hügeln, an den Straßen, an der Hitze, an allem. Willkommen Ferienende :(
(Brauche ich zum Radfahren Umgebungsidylle? Könnte man fast meinen.)

Kurz vor der Stadtgrenze, in Bernau, ist ein Eis dran. Das muss jetzt einfach noch sein. Ich blicke auf einen Alt-neu-Kontrast (symbolisch?), versuche, die Nachbartischgespräche auszublenden, trage letzte Worte ins Reisetagebuch ein und seufze leise.




Direkt am S-Bahnhof Bernau vorbei geht es dann. Nein, ich steige nicht ein. Aber ich erinnere mich. Von hier aus starteten wir 1985 mit der Klasse zur Radtour an die Ostsee, was meine erste Mehrtagesradfahrt war. Hier hat also alles angefangen, sozusagen. Kurze Gedenksekunde, und weiter geht's. Die Freunde in Berlin warten.




Der Berlin-Usedom-Radweg ist wirklich allererste Sahne-Wahl für diesen Tag. (Berliner, hört! Ein Tagesradausflug par excellence.) Er führt durch die Parks in Buch und Niederschönhausen (in all meinen Berliner Zeiten habe ich die nie entdeckt - und was sagt das jetzt über mich?) , an der Panke entlang, autofrei, in optischer Idylle. Grüner kann Großstadt nicht sein.










Akustisch natürlich bin ich mitten in Berlin. Mit jedem Kilometer wird es lauter. Nach der Mecklenburgwoche platzt mir fast mein Ohr. Unglaublich, wie ich hier aufwachsen konnte und das NIE wahrgenommen habe. Ja, ich frage mich, wie man in der Großstadt leben kann, ohne sich permanent die Ohren zuhalten zu wollen. (Die Frage beantwortet sich dann schon im Laufe des Abends. Als wir Stunden später mit den Freunden in der Straßenkneipe sitzen, bin ich bereits in der Lage über den Lärm hinwegzuhören. Alles ist wieder normal. So schnell geht Assimilation. Schnief.)




Nun aber zunächst die letzten Kilometer schaffen. Letzte Kurzpause in Pankow-Heinersdorf. Telefonieren: noch 7 Kilometer. Abschiedsgefühl. Gar nicht wegwollen von diesem Stein am Wegesrand, auf dem ich  mich niedergelassen habe.




Tatsächlich schaffe ich es noch - dank konsequenten Schildernichtbeachtens - aus den 7 km 11 oder 12 zu machen. Ich besichtige also noch Teile des Weddings, die ich immer schon mal sehen wollte, kurve mich mäanderförmig durch die Straßen und springe dann doch über meinen Schatten: Auch Berlinerinnen dürfen in Berlin ein Navi benutzen.
So. Die vertraute S-Bahn-Brücke. Von hier weiß ich den Weg.




Und bin angekommen.
Rechtzeitig, um zu den Freunden in der Straßenkneipe dazuzustoßen. Und für den Rest des Abends zu vergessen, dass übermorgen Rückfahrt in den Süden und überübermorgen wieder Schule ist ...




Fazit, sagt der Tacho: Hamburg-Berlin dauert 572 Fahrradkilometer. Da können Autofahrer nur verwirrt den Kopf schütteln ...

Sommerferien minus 7

"Minus 7" - eine Woche. Nur. Noch. Wie toll das klingt. So toll, dass ich mich gestern Abend gleichmal ganz entspannt einem Gläschen Sekt hingegeben habe und dann eingeschlafen bin. Eigentlich ohne es zu wollen. Aber doch immerhin so vorbereitet, dass ich mich dabei in meinem Bett und in Schlafkleidung befand. Hab das frühe Einschlafen wohl doch gewollt:)


Vormittags:
- erste Doppelstunde ist frei (seit die 12er weg sind), aber wegen des Gipsfußkindtransports bin ich eh schon da: wieder neue Notenlisten abzeichnen, über die Nichtversetzung sprechen, und - ha! - ein wenig in der Kaffeeküche mit Kollegen plaudern
- Doppelstunde mit meinen 6ern, deren Ferienticker offenbar schon tickt, dieses Wuseln macht mich ganz wuschig; ich lasse sie Klassenarbeitsverbesserungen machen (Hausaufgaben an 40°-Tagen wären ja wohl verbrecherisch) und bin selbst mit Formalienkram beschäftigt (Klassenbuch-Dokumentationslückenliste, Fehlzeitenliste, Entschuldigungsverwaltung - bäh)
- dann Austeilen der frisch gelieferten Taschenrechner und erste Entdeckungstour - Schüler sind erwartungsgemäß schwer begeistert und sofort am Tippen, meine Einführung verpufft in einem Raum nichtzuhörender Schüler --> ich greife zum letzten Mittel: "Setzt euch auf eure Hände." (der Hausmeister kann die an den Stühlen festgeklebten Schüler dann sicher in der großen Pause losschweißen)
- letzte Doppelstunde in einer meiner Physikklassen - Rätsel, auch das für sie ausgedachte, große Begeisterung - und ich räume nebenher Papierstapel auf, die sich im Vorbereitungsraum angesammelt haben (zum Schrankputz komme ich leider noch nicht)

Mittags:
- habe ich wie immer an Konferenztagen einen Leinenbeutel vergessen, um mein Mittagessen vom Supermarkt wegzutransportieren, wie immer kaufe ich also einen; in den Sommerferien werde ich aus all den Leinenbeuteln meines Haushalts ein Familienzelt nähen. oder so - heute besteht mein Essen übrigens aus Flüssigkeiten, inklusive Schokolade:)

Nachmittags:
- Konferenztag, das ist wie Zebra: bin dran - bin nicht dran - bin dran - bin nicht dran --- gesucht sind sinnvolle Füllungen für die Zwischenzeiten, zum Beispiel ...
- Liedprobe für den Pensionierungsabschied eines Herzenskollegen (wir sind alle soooo traurig)
- Absprachen und Vorbereitung meiner eigenen Klassenkonferenz am Donnerstag
- Besprechung der Methodenkartei für unser Schulentwicklungsprojekt (den ersten Teil wollten wir vor dem Urlaub in zwei Wochen fertig haben, damit realistischerweise bis Schuljahresbeginn dann eine sinnvolle Menge im Schulwiki steht ... gerade streikt mein Kopf ...)
- Klassenbuchverfolgungsjagd (für die mitlesenden Nichtlehrer: jeder Klassenlehrer rennt allen Fachlehrern hinterher, die irgendwann im Jahr einen Eintrag vergessen haben - das ergibt ein lustiges Jagen auf den Fluren:) - wer seins zuerst vollständig hat, sagt zu den Kollegen "ätsch" - und wer gar von niemandem gejagt werden muss: das ist doch nicht normal, solch ein Perfektionismus ...
- Beginn meiner privaten Aufräumarbeiten - verblüffend: aus einem 30cm x 30cm kleinen Fach und von einem auch nicht viel größeren Schreibtisch kann ich einen Kubikmeter Papier entsorgen, drei Körbe Zeugs zum Nachhausebringen ins Auto tragen und großzügig farbiges Papier und Stempelchen an junge Kollegen verschenken
- den Rest der Zwischenzeiten verbringen wir mit gemeinschaftlichem Schmelzen und schlaff-auf-den-Stühlen-hängen - für den Physiksammlungsputz sind diese Temperaturen definitiv nicht gemacht (muss meinen 6-Schränke-Anteil aber bis Montag fertighaben: sollte ich mich nachts in die Schule schleichen, alle Fenster aufreißen, und dann ...?)
- Ende und Heimfahrt: halb sieben --> 11 Stunden in der Schule --> guten Gewissens echter Feierabend heute, yeah!


Und die anderen Momente:
- morgens, bevor der Tag und die Kinder erwachen: barfuß im Gras, mit Kaffee in der Hand, an den Kirschbaum gelehnt, die Hügel hinaufschauen
- all das Lachen im Lehrerzimmer, und all die guten Momente, die sich in Gesprächen ergeben
- die Heimkehr: wie ich frischgeduscht im Liegestuhl auf der Terrasse mit geschlossenen Augen dem Gartenrauschen lausche und die Tochter aus der Küche ihre Fragen zur Rühreizubereitung stellt - das sind so besondere Glücklichmomente
- ein Sekt, ein Sekt! (oder zwei?)
- wie ich kurz nach zehn meine, mich doch schon mal ins Bett legen zu können, nur so versuchshalber, und dann wirklich und richtig einschlafe
- ...


Mittwoch, 22. Juli 2015

Sommerferien minus 8


Vormittags:
- volles Programm: 6 Stunden - zwei Drittel davon sind letzte Stunden des Jahres - bei mir gibt es weder Filme noch Frühstücke, sondern Rätsel, immer nur Rätsel (drum darf ich keine Klasse länger als zwei Jahre haben, sonst sind meine besten Stücke verbraucht:)
- läuft super, die Schüler knien sich rein, zufällig vorbeigekommene Kollegen auch, und ich kann nebenher meinen Experimentierwagen aufräumen, Kurshefte vervollständigen, Formulare ausfüllen, Klassenbuch kontrollieren - schaffe also toootal viel nervigen Papierkram, während die herumraten
- bei den 6ern Klassenarbeitsrückgabe mit viel Tumult und Trara und einem ziemlichen Lautwerden meinerseits (so kennen sie mich nicht, aber kurz vor Ende darf das mal, sage ich mir)
- in den Pausen Kurzgespräche im Leherzimmer über das rauchende Kind, das Jugendamtskind, das sitzenbleibende Kind ... und über so manches
- Noteneintragungen überprüfen gehen - bei 120 Zahlen wird einem schier schwindelig (und außerdem weiß ich nun, dass Gleitsichtbrillen nicht dafür gedacht sind, dass man oberhalb der Kopfhöhe liest)
- Absprachen und Konferenzvorbereitung mit der Mitklassenlehrerin
- Kurzbesuch im Schulleiterzimmer ... das mit dem Jugendamt eben
- erst halb zwei komme ich endlich weg, und zwei halbverhungerte Kinder warten auf mich im Parkhaus (wo's schön kühl ist, immerhin)

Spätabends:
- weil tagsüber kein Sekündchen Gelegenheit war, bereite ich meine vier Stunden für morgen erst jetzt vor, ist ja nicht mehr viel - bin lang vor Mitternacht fertig
- am Aufwendigsten wieder das Rätsel: aber die heutige Begeisterung hat es gelohnt


Und die anderen Momente:
- mit den Kindern nach einem Streit am Morgen wieder gut zusammenfinden
- Fahrt in die Stadt zu Tochterterminen im - hej - klimatisierten Auto (20° gegen fast 40 draußen!) mit laut aufgedrehter Musik
- halbes Stündchen in der Stadtbücherei - Mahngebühren ohne Murren bezahlt (Kollateralschaden des Schuljahresendstresses) - und einen neuen Stapel mitgenommen, für den ich ja später auch wieder Mahngebühren zahlen kann:))
- während die Tochter ihre Musik hatte, schnell zu einem Outdoorladen gefahren, mit mäßigem Erfolg zwar, doch mit gesteigerter Vorfreude zurückgekehrt
- ruhiger Abend mit der Tochter, wir legten sogar gemeinsam Wäsche zusammen, ganz harmonisch
- und nun noch: lesen, bis die Äuglein zufallen
...

Dienstag, 21. Juli 2015

Sommerferien minus 9

Jedes Jahr frage ich mich, was mich in den letzten Tagen vor Ferienbeginn immer fast aus der Bahn wirft. In den Wochen zuvor ist mir dies klarer - letzte Arbeiten, Korrekturen, Fahrten und Ausflüge, Elterngespräche, Planungssitzungen fürs nächste Schuljahr, Noten ... große Teile davon sind abgearbeitet. Wenn das dicke Ende erst noch kommt.
Tja, ich möchte wissen, ob ich mir die Überforderung einbilde - weil es halt schon immer so war, sucht sich mein Befinden diesen Zustand - oder ob etwas daran ist.
Darum werde ich für mich festhalten, ob das zu Tuende tatsächlich meinen gesamten Tag bindet. Ich bin gespannt und verspreche mir ein Stück Psychohygiene davon: die Belastung entweder sichtbar zu machen, oder sie wie ein Gespenst zu verjagen. Das Protokoll wird es ans Licht bringen.

Morgens:
- Zeugnisnoten aller Klasse nochmals überprüft, Verhalten und Mitarbeit dazu
- Verbalbeurteilungsbausteine für die 6er ausgewählt

Vormittags:
- in der Schule alles in den Computer eingetragen
- Vorschläge für Zeugnisbemerkungen in Listen eingetragen, einiges davon schon diskutiert (spart später Konferenzzeit)
- alle Listen meiner eigenen Klasse ausgedruckt und kopiert
- schnell wieder weg aus der Schule (Bienenschwarmatmosphäre, kicherig noch dazu, heute nicht meines)

Nachmittags und abends:
- Klassenarbeiten der 6er für die morgige Rückgabe gerichtet (Noten drunter, Bemerkungen geschrieben)
- Einzelgespräche mit Stichpunkten vorgeplant
- für die anderen beiden Klassen die Abschiedsstunde vorbereitet - traditionell mit einem Namensrätsel, das ich individuell für jede Klasse ausdenke (so etwa wie das Zeit-Rätsel) - heute also 60 Namen verschlüsselt und als Puzzle zusammengefügt
- weitere Kopiervorlagen herausgesucht (und bissl geschnippelt - diese Tätigkeit gehört zum Lehrergeschäft ... nein, erzählt mir nichts vom Einscannen:))
- Feedbackrunden in den Klassen vorbereitet
- Schulmailordner großflächig aufgeräumt und ein Dutzend Mails abgearbeitet (die kommen in diesen Zeiten schneller rein als ich klicken kann)

Und zack, ist es halb eins.


Und die anderen Momente:
- morgens ein Kaffee auf der Terrasse, als die Kinder aus dem Haus sind (Schulfreitagluxus:))
- mit dem Rad zur Schule und dann in die Stadt - Nieselregen, Sonnenwind, ein grüner Traum!
- Urlaubsvorbereitungen: Rad zum Check abgeben
- warten auf den Zug --> Milchkaffee
- Mittagsschläfchen - fast tägliches Ritual, aber ich bin ich in der Lage mich langanhaltend darüber zu begeistern:)
- nachmittags Gartentänze mit der Tochter unterm Rasensprenger
- ein paar gute Gespräche
...

Samstag, 18. Juli 2015

Vor x Wochen - Tag 7: Drosedow - Ruhlesee

Nun ist es passiert: das Schulleben hat mich fast aufgefressen, ich kann kaum noch abschätzen, wie lange meine Reise schon her ist. Eher weiß ich, dass es bis zum Start der nächsten noch drei Wochen sind. Also erzähle ich hier schnell die restlichen Kilometer bis Berlin, bevor ich wieder unterwegs sein werde. Falls ich mich nach so langer Zeit und aus dem derzeitigen Schulendetrubel heraus überhaupt erinnere ...

So ein See verströmt Ruhe. Viel Ruhe. Zeltplätze müssten immer an Seen sein.
Ich will mich morgens gar nicht losreißen. Nur meine Vernunft, die rechnet Kilometer und Stunden zusammen (für die mitlesenden Physiker: natürlich dividiert sie diese, gell) und sagt zu mir: Hopp. Auf.
Wie immer brauche ich sehr lange. Die ringsum zusammenpackenden Wasserwanderer sind aber im gleichen gemächlichen Tempo unterwegs, das fühlt sich wunderbar gemeinschaftlich ruhig an.




Neben meinem Zelt gibt es eine altersangemessene :)  Sitzgelegenheit, ich spüre denn doch beim Bodenhocken die 40+ und nehme diese Bank dankend an. Weil es so gemütlich ist, lese ich mich gleich noch in meinem Roman fest ...




... bevor mir die Rechnung mit den Stunden und Kilometern wieder einfällt und ich Abschied vom See nehme.




Eigentlich könnte ich heute an jeder Ecke innehalten, irgendwo ist immer Wasser und Stille und Blick und Blätterrauschen. Man sollte in solchen Weltgegenden kein Kilometerpensum haben.
Habe ich aber. Lehrerin muss am Montag wieder vor der Klasse stehen. So ist das eben.

Mehrmals überquere ich die Havel. Ich bin passionierte Schleusenguckerin - dieser Teil meines Selbst kommt heute ausgiebig auf seine Kosten.




Ebenso wie der Teil in mir, der Orte am Wasser liebt und sich fragt, warum er selbst ein Haus auf nem Berg bewohnt. Ein Heimatgefühl, wie ich es kaum anderswo finde.




Kurz hinter Fürstenberg dann Abschweifen in eine andere Welt. Eine ganz andere.
Ravensbrück.
Ein seltsames Gefühl vorbeizufahren an den Gebäuden, welche davon zeugen. Erinnerungstafeln zu lesen von einem vergessenen Mädchen-KZ. Die Holzstelen, die dessen Dimensionen markieren, am Wegesrand zu passieren. Ein paar Schritte neben mich treten, von oben auf das große Ganze schauen. Keinen Faden finden, kein Gerüst, das beides verbinden mag: mein sonniges Reisesein mit der damaligen Düsternis. Ich fahre still weiter.




Ein paar Kilometer weiter eine Abschweifung anderer Art. Die Jahreszeiten scheinen verwechselt. Doch nein, ich lese: Hier in Himmelpfort wohnt der Weihnachtsmann. Aha.




Zur Beruhigung wieder eine Schleuse (wirkt!) und Weiterfahrt auf Brandenburgs fantastischen Asphaltradwegen.




An manchen Ecken glaubt man, alle Baugelder seien in eben diese Radwege geflossen, ...




... und der Name Globe.trotter hatte bei mir bislang auch eine frischere Optik.




Ein See, ein See.
Ich muss heute Kilometer schrubben, aber diese Verweilorte sind es, welche mich trotz der Eile bei mir bleiben lassen.




In Zehdenick eile ich leider nur durch, hier könnte man sicher gut den Abend verbringen.




Eine Kanalfahrt bis Liebenwalde ...




... wo mich meine Reifen mangels Campingplätzen in Berlinnähe vom wunderbar ausgebauten Havelradweg wegführen müssen. Vorher noch schnell Abendessenseinkauf, denn ich zweige ins Fuchs-und-Hase-Hinterland ab.

15 km querfeldein. Da soll irgendwo ein Campingplatz sein. Ich muss vertrauen, denn es sieht lange nicht danach aus, dass überhaupt noch etwas kommt. Die hiesigen Menschen aber scheinen verirrte verwirrte Touristen gewohnt und sind sehr freundlich: "Is nich mehr weit, det schaffen'se!" Ja, darauf hoffe ich.
Tatsächlich, Ruhlsdorf erscheint am Horizont, wird größer, gleitet am Wegesrand vorbei, und schon habe ich die Wahl zwischen zwei Campingplätzen.




Ich wähle erst den falschen, und auf dem richtigen dann den falschen Eingang. Aber irgendwann haben der Platzwart und ich uns gefunden. Ja, er holt mich sogar mit'm Radel ab, um mich zur richtigen Anmeldung zu bringen. Ein alter DDR-Zeiten-Campingplatz, der Rezeptionswohnwagen und sein Mobiliar versetzen mich zack zurück in Kindheitserinnerungen. Noch älter scheint das vergilbte Buch zu sein, in dem liebevoll mein Ankommen und mein baldiges Abfahren sütterlinnotiert werden. Ich schmunzele und finde diese Szene großartig.

Ebenso großartig wie die Nettigkeit, dass er mir eine zweite Duschmarke schenkt. Und ha, ich werde am Abend natürlich nur einmal duschen, und die zweite Marke für später aufheben. Mir dämmert nämlich, dass es auf allen Campingplätzen der Welt identische Duschmarken zu geben scheint. Mit dieser Vorratsmarke kann ich nun also jegliches verspätetes Ankommen trotzdem beduschen. Ich werde beim Kauf immer eine Duschmarke voraus sein. Plane ich umgehend.

Aber hier erstmal ankommen, Zelt aufbauen, See einatmen, kochen, Beine ausstrecken (es waren heute 102 km), Tee trinken. Und schlafen.

Nicht ganz einfach übrigens, denn ich bin mittlerweile, nach diesen Tagen, sehr lärmempfindlich.
Die beiden Dauercamperinnen, die aus ihrem Leben plaudern, so dass es auch die letzte Stillzelterin noch sthört, gehen wenigstens irgendwann ins Bett.
Aber in 2 km Entfernung ist eine Autobahn - sehe ich auf der Karte. Deren Geräusche wehen mitten auf mich. Unglaublich, wie laut das sein kann, wenn sonst nur Stille ringsum ist.









Dienstag, 7. Juli 2015

Zwischen den Polen eines Tages


Er beginnt schon damit, dass du ihn verfluchst, den Tag. Und seine Wärme. Und den Ferienplan, der das Schuljahresende in den Juli legt, und den Juli selbst, der eben immer mit Hitze daherkommt.
Und die schier nicht zu überblickenden Stapel auf dem Schreibtisch, denen du dich schon widmest, bevor sich im Haus wer anders überhaupt regt. Bevor sie wach werden, die Kinder, schnell noch etwas wegkorrigieren.
Am Vormittag dann bleiben die Stapel liegen, weil die Telefonate wegen des Rosenkriegskindes dringend und lange raumgreifend sind. Parallel versuchst du eine Doppelstunde zu tauschen, damit die Woche überhaupt durchstehbar wird, da aber allseits die Nerven blank liegen, geht das nicht unter 20 gereizten Emails vonstatten. Apropos: Das Mailfach quillt über, du arbeitest ein paar Eisbergspitzen ab.
Die Klassenarbeit ist immer noch nicht fertig - wieso hast du denn auch nur Klassen mit über 30? - und zieht sich in den Nachmittag. Wo du schon längst was anderes ... Zeitnot macht sich breit. Und der schaudernde Gedanke, dass du morgen und übermorgen je 12 Stunden außer Haus zu arbeiten hast, und noch nix - NIX - vorbereitet hast. Da bist du doch eigentlich Profi und brauchst trotzdem fast zwei Stunden, oder mehr?, bis die nächste Physikarbeit steht. Und die Mathearbeit für Mittwoch, Mist, das Heft liegt in der Schule, die Grafik flickst du dann also morgen in der nicht vorhandenen Mittagspause ein.
Bleiben vier Doppelstunden vorzubereiten. Der Gedanke, morgen wieder an die 30 Grad im Klassenzimmer zu haben, das lässt dir schon jetzt die Knie weich werden. Wie überhaupt soll dann noch Unterricht gehen, du pfriemelst mühsam ein paar Ideen zusammen, wie du die 12jährigen über 90 Minuten gesundheitsverträglich beschäftigen wirst. Und die Checkliste, mensch, die brauchst du zwar erst am Mittwoch, aber morgen ist ja auch keine Zeit. Du erinnerst dich nur noch mühsam, was du letzte Woche mit dem Differenzierungslehrer der 9er abgesprochen hattest über die Trainingsstunde - dass der sich ebenfalls nicht erinnert, macht die Absprache nicht leichter. Voller Schrecken zählst du den Kalender ab und stellst fest, dass es allerhöchste Zeit wird mit den 8er-Einzelgesprächen zu beginnen, weil die doch noch eine Woche weg sind - wie konntest du das aus dem Auge verlieren? Damit ist der Bockwurstversuch für morgen hinfällig, na gut, bei der Hitze kommt der wohl eh nicht so gut. Also noch schnell ein Arbeitsblatt ausdenken, damit die während der Gespräche nicht über die Tische springen.
Und dann blätterst du vor lauter Nichtmehrwollen und -können in Blogs herum, entdeckst, dass die liebe Frau Henner schon fertig ist mit allen Korrekturen für dieses Jahr, du neidest ihr das nicht, die ist ja auch ne tolle, aber du fühlst dich wie der letzte Organisationstrottel, der sich mal wieder selbst in die Hitzekorrekturschlacht hineinmanövriert hat. Die drei Arbeiten, die du erst noch schreiben musst, und all diese Termine, all das ... lässt dich kurz verzweifelt auf dem Boden hocken, weil dieser Berg aus aufgelaufenen Dingen zum Besteigen sowieso viel zu hoch scheint. Du denkst an Frau Weh, diesen Schatz, die ist bestimmt schon im Trubelwirbel untergegangen (oh nee, hoffentlich nicht - hej, wo bist du, ich vermisse dich!), wenn du jetzt nur ein Fünkchen ihres Humors hättest ...
Es greift dich fast schon an, so im Innern.

Und plötzlich betritt dieses kleine Mädchen dein Zimmer, dieses wunderbar fröhliche Tochterkind. --- Und du liest ein paar Worte, einen Text über das Dankbarsein. --- Und du denkst an das Überraschungsfest, welches du am Mittwoch besuchen wirst: Feiern, dass die letzte Chemo geschafft ist.
Welch Geschenk, dass du dies mit den Freunden feiern darfst. --- Welch Geschenk, dass du hier gesund sitzen zu darfst, nur kurzzeitig von ein paar kleinen Aufgaben ein bisschen überfordert. --- Welch Geschenk, dass du diese Tochter vor dir tanzen siehst, diesen Menschen mit den strahlendsten Augen der Welt.

Es rückt sich manches in dir zurecht, in diesem Moment. Du schaltest Bach-Musik ein, weil diese dir das Ganze in so einzigartige Tiefe hineinsenken kann. Du atmest ein paarmal durch. Bis die Nervosität aufhört zu rasen, bis die Beengtheit ihren Gürtel wieder weiter schnallt, bis die Traurigkeit einer leise ziehenden Sehnsucht weicht.

Und du beendest den Tag wie er begonnen hat: mit den Physikarbeiten. Punkte und Noten stehen schon drunter. Es fehlen noch persönliche Worte, ein paar wenigstens, die du den Schülern dazu mitgeben willst. Damit sich morgen auch für die Schüler ein Bogen schließen kann - zwischen der Zahl, die zuweilen schmerzen wird, ja, und dem Eigentlichen, was du in diesen jungen Menschen siehst. Und falls du es jetzt nicht mehr schaffst - es ist ja schon spät - falls dir nicht für jeden ein stimmiges Wort einfällt, dann hast du sie ja morgen noch vor dir sitzen, einzeln, jeden ganz kurz, für einen Augenblick.

Um diesen Tag weiterzuleben.
Um diesen Tag weiterzugeben.

Samstag, 4. Juli 2015

Vor vier Wochen - Tag 6: Klink - Drosedow


Wenn ich die Brille nicht aufsetze, sehe ich die Dauercamper am Horizont nicht, ich darf mich also noch ein wenig in der Wildnis wähnen, bevor ich mich ans Chipkartenduschen wage. Und ans Alles-langsam-Angehen. Ja, die Zeit zu vergessen und das zu tun, was man gemeinhin trödeln nennt, das braucht manchmal Mut. Ich bin so ein Fall: Langsamkeit fällt mir ausgesprochen schwer. Muss ich üben, dringend. Weil ich mich sonst in meinen andauernden Bemühungen, alles zu optimieren, Abläufe und Geschwindigkeiten und so, selbst hinweghetzen werde.




So Morgengedanken über das Vergehen von Zeit:
Fahre ich, ist eine Stunde prall gefüllt. So viel Welt fließt vorbei. Ich schaue alles an, versuche manches festzuhalten, komme von der äußeren in eine innere Bewegung.
Sitze ich, ist eine Stunde weg wie nichts. Ohne dass Welt des Wegs kommt, scheint alles still zu stehen. Außer der Uhrzeiger.
Was ist die Substanz dieses stillen Nichts'? Was bleibt von ihr in der Rückschau? Kann man Stille überhaupt anschauen? Hat sie etwas mit rückwärts und vorwärts, mit früher und später zu tun? Oder ist Stille ein uns zeitlos umgebender Nährboden?
So Morgenirrundwirrgedanken halt.




Nebenbei packt sich mein Geraffel - wie sonst auch - nur langsam ein. Erst irgendwann bin ich auf dem kleinen Pfad am Müritzsee, der nach Waren führt.




Zunächst ans Ufer. Mit einer anheimelnden Brücke, einfach weil das Wort schon ein Vorgriff auf das Übermorgen in Berlin ist. (Nur das t ist zuviel. Mir war das nicht bewusst: Kiez ist gar kein originär Berliner Wort:))






Dann meine gute Tourtradition fortführen: Vormittags auf einen Marktplatz setzen, mit Milchkaffee natürlich, und zuschauen. Zuschauen beim Leben, beim Unterhalten, beim Einkaufen, beim Hasten, beim Schlendern, beim Schubsen, beim Treibenlassen, beim Lebensgefühl dieser Stadt eben. Hier in Waren ist endlich wieder ne Stadt, hier lebt es. Die beiden Frauen etwa, deren Räder hier im Bild sind, ... doch das würde jetzt zu weit führen.




Kurz vor Mittag beginne ich meine Bewegung auf das nächste Ziel zu: die Havelquelle. Zunächst durch einen Zipfel Müritz-Nationalpark. Ganz benommen von dieser wirklich besonderen Waldeslandschaft, rausche ich ohne ein Bild hindurch. Erst an der Ecke, wo alle Welt Fischadler mit den Augen sucht (warum nur kann ich Bio einfach nicht? mir würde es überhaupt nichts bringen, selbst wenn ich sie am Horizont fliegen sehen würde ...), da halte ich inne. Der Grund sind nicht die Großvögel, sondern ein älteres Ehepaar, welches verwirrt einen Weg sucht. Ich versuche mit Karte, Navi, Sonnenstand und rationalen Überlegungen zu helfen, vermutlich erfolgreich - die Leute aber drehen sich einfach um und gehen. Ja, in die von mir ermittelte Richtung. Nein, ohne ein Mini-Wort des Dankes oder Abschieds. Ich starre noch ein Weilchen irritiert hinterher.




Meine Richtung jedenfalls ist Ankershagen, dort gibt es die Heinrich-Schliemann-Schule zum Verkauf (oder war das eine andere Schule in einem anderen Dorf?). Ich kaufe zunächst mal keine Schule, sind ja Ferien.




Weiter zur Havelquelle, die hat sich gut versteckt. Und ist leider steinisch inszeniert. Und von einer Radlerhorde okkupiert. (Doch, ich habe Verständnis, dass nicht alle Menschen als Alleinradler unterwegs sein wollen. Ich habe nur kein Verständnis für das mit Großgruppen einhergehende Herumgebrülle.)
Jedenfalls: Auf diese Fotos warte ich eine halbe Stunde. Vertreibe mir die Zeit mit Mittagessen. Zuweilen kann ich den Impuls nachzufragen kaum noch unterdrücken. Es macht mich ganz kirre, wenn vor meinem Ohr halbe Plots dargeboten werden, ohne dass man mich einweiht, warum denn die Schwiegermutter nun vorgestern Schwein gehabt habe und wieso denn Herr K das immer schon alles gewusst habe und so. Brüllgespräche in Andeutungen sind wie Handygespräche im Zug.






Die Weiterfahrt wird hügelig, Endmoräne halt. Dass Norddeutschland flach ist, ist nur ein Gerücht. Zum Glück komme ich heute endlich in ein meditatives Fahren hinein, schaue nicht mehr ständig auf Kilometerstände, Durchschnitte, Tempi, maximale Kraft, sondern lasse es laufen wie es kommt. Ich habe das schon einige Male bemerkt: in diesem Zustand spüre ich die Hügel nicht, empfinde ich sie nicht als schwer, nicht als hoch, nicht als anstrengend. Der Körper bewegt sich von allein. Hat was vom Gefühl des Fliegens. Jedenfalls stelle ich mir Fliegen so vor.




Irgendwo auf dem Weg baut man mitten durch den Wald gerade 'ne Straße für mich. Ich rolle am Bagger vorbei und verfestige mit meinem Rad die noch nicht verfugten Platten. Mein heutiger Beitrag zum Aufbau Ost.




Und dieses Bild hier, auf dem sieht man nicht viel - das ist mir schon klar. Es geht aber nicht ohne. Moorlandschaft, ich fahre durch so viel ursprüngliche Natur.




Und durch so viel geborgenheitsschenkendes Grünland.




Gegen Ende des Tages tauchen lang bekannte Ortsnamen auf, Kindheitsurlaube wiedererstehen vor dem inneren Auge.




Der See, in dem ich als Kind beinahe erfroren wäre - immer wenn wir auf dem fließwasserfreien Campingplatz morgens in den See mussten, der Körperpflege wegen, auch in 12°-Sommern - dieser See ist auch heute nicht wirklich warm. Aber die Erinnerungen. Angeln im Schlauchboot. Regenlesetage im Zelt, manchmal sommerlang. Andere Sommer voller Mastermind- und Schiffeversenken-Exzesse. Brombeeren. Holzsammeln. Über Baumwurzeln stolpern. Plumpsklos riechen eklig. Die Wespen waren damals schon anstrengend. Und Brötchen holte man noch in Synthetikbeuteln. Rahmbutter bestand nach dem Schmelzen aus einer gelben und einer weißen Schicht. Die Zelturlaube waren immer zu kurz. So war das.




Wäre es schon etwas später am Tag, ginge ich vielleicht genau auf diesen unseren Zeltplatz. So aber hält mich das Übermorgen-in-Berlin-sein-müssen vom Innehalten ab. Ein paar Kilometer noch.
Wesenberg gibt sich ausgestorben, irgendwie noch unheimlicher als all die anderen leeren Orte. Am Ortsrand bietet es mir einen sauren Milchkaffee inklusive unfreundlicher Bedienung - na, da stehen wir doch drüber. Heute überwiegt ohnehin das innere Gefühl zu fliegen.
Ich wähle mir den telefonfreundlichsten Campingplatz aus. Dass ich aus den Ansagen: "Noch 9 km von dort, wo Sie sind" und "Der Kiosk hat bestimmt noch ne halbe Stunde auf" Schlüsse ziehen sollte, dazu brauche ich heute ne Weile. Das innere Fliegen umgehend in äußeres Rasen umsetzen: als Preis steht ein Abendessen und ein Bier.
Natürlich schaffe ich es nicht. Die Kioskfrau aber ist unglaublich lieb, schließt wieder auf, kocht mir ne Bockwurst, lässt mich in Ruhe Sachen aus dem Regal suchen und erzählt nebenher, dass sie noch nie im Leben weg war von hier. Noch. Nie. Upps. Manchmal habe ich so gar keine Vorstellung vom Leben der anderen.
Jedenfalls: Oft war mein Abendessen gesünder, aber selten besser als heute.




Mein Zelt schlage ich auf der Wasserwandererwiese auf, dort ist es immer ruhig. Auch lauter so Menschen, die in der Stille unterwegs sind. Den Rest des Abends schaue ich auf den See.




Es ist so still, dass man das Plätschern des Kanus mitten auf dem See hört.




Hach.