Montag, 31. Oktober 2011

Studentenstadtausflug

Eine Woche sind die Kinder weg, eine Woche im Oma-Opa-Berlin-Urlaub. Eine Woche habe ich hier zu Hause nur für mich, kann tun und lassen was ich mag. Ganz so wie damals im Studentenleben. (Und seither kaum je.)

Ich nehme den ersten Abend und fahre mit dem Bus in die Stadt. Doch, ja, manchmal war ich fahrradfaul, und wir hatten ja eh das Semesterticket. Stehe also lesend an der Bushaltestelle - wie damals. Fahre die altvertrauten Wege, ins Zentrum hinein, die Lichter am Fluss, der Umsteigeplatz. Er hat bis heute den Charme einer Bahnhofshalle. Wie verloren ich mich auf ihm fühlte, anfangs, und lange noch. Immer wenn ich nach der Abendvorlesung im Werbelichtermeer stand und auf meine Tram wartete. Oder auf meine Verabredung. Oder mein Fahrrad über den Platz schob.
"Damals": das war genau vor 20 Jahren, fällt mir bei dieser Gelegenheit ein. Wintersemester 91/92, in den späten Oktobertagen, da begannen meine Wege in dieser Stadt.

Die Hauptstraße. Schon damals wunderte ich mich, warum sich all die Leute am Sonntag auf ihr entlang wälzen. Schaufensterspaziergänger zu Tausenden. Heute bin ich eine davon. Die Schaufenster sind lang nicht mehr die gleichen. Mehrfach ausgetauscht über die Jahre. 1-Euro-Ketten haben Einzug gehalten, Fastfood-Dominanz, und allerorten das Schild "Räumungsverkauf". Das gab es damals noch nicht - oder schaffe ich mir eine Vergangenheitsidylle?

Vorbei am Institut, das damals meinen Neid erweckte. Weil die, die in ihm studierten, meinen Kindheitstraum leben durften. Heute bin ich froh, dass es dazu in meinem Leben nie gekommen ist. Vorbei am nächsten Institut, in dem wir unsere Zeit absitzen mussten. Pflichtscheine, inhaltlich überflüssig, meine ich bis heute - nichts habe ich aus diesem Haus für meinen Beruf nach Hause gebracht. Nuja, wir haben diese Seminare mit Humor genommen, haben etwas anderes aus ihnen gezogen. Wie wir als Lehrer mal NICHT werden wollen ... vielleicht also war es doch fruchtbar, dort, in jenem Institut.

Ich laufe weiter, schaue den Entgegenkommenden ins Gesicht. Denke immerzu, dass ich jeden dritten kennen müsste. So lange wie ich hier war, so viele Chöre, so viele Studienkontakte. Und mittlerweile so viele Schüler. Suche nach bekannten Gesichtern, doch selten genug finde ich eines in der Menge. Und meist kann ich es dann keiner Situation mehr zuordnen. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit.

Nächste Ecke. Kaum finde ich die Straße, in der die Freundin wohnt. Die Geschäfte sind alle neu - jetzt also umlernen: beim Schuhladen einbiegen. Ihr Treppenhaus dagegen ist das alte. Der Geruch, das Knarren. Und oben der Küchentisch unter den Dachbalken. Abende- und nächtelang teilten wir hier Gespräche beim Wein. Heute zunächst Tee - den Wein werden wir erst nach dem Konzert trinken. Eine Vertrautheit wie damals. Wie oft, wie oft saß ich hier ...

Später vor der Kirche, klar, da sind sie, die bekannten Gesichter. Chorsänger, die dieses Projekt ebenfalls nicht mitgeprobt haben, auch nach einer Karte anstehen. Selten war ich Zuhörerin in dieser Kirche. Fast alle "meine" Chöre hatten hier ihren Konzertort. An die 100mal werde ich hier gesungen haben.
Heute stehe ich nur in der Kartenschlange. Zu viele schulische Termine in letzter Zeit, zu viele Proben habe ich versäumt, als dass ich guten Gewissens dort mit auf dem Podest stehen dürfte. Das ist mir im Studium nie passiert.
Und als mich in der Schlange noch eine Frau anspricht - "Ich bin die Mutter von Felicia ..." - da bin ich wieder in der Jetztzeit angekommen. Studentisches Gefühl vorbei. Stimmt ja, ich bin "erwachsen", bin Lehrerin - aber über Felicia und meinen Matheunterricht mag ich heute nicht reden. Zum Glück finden wir ein anderes Thema ...

Sonntag, 30. Oktober 2011

Landschulheim

Eine Woche ist es jetzt her. Alle Erschöpfungserinnerungen sind wie weggeblasen. Dass ich am Tag danach von einem Nickerchen ins nächste fiel. Dass wir drei Tage lang einen Großteil unserer Kraft in die Essenserziehung stecken mussten (und manchmal keine Lust mehr hatten, weil wir dachten, dass das doch eigentlich die Eltern ... naja ...). Dass es in dem Heim hellhörig und sowas von laut war, selbst bei unserer eher ruhigen Klasse. Dass wir nachts gefühlte dreiundsiebzig Mal in das eine Jungenzimmer rennen mussten und uns auf dem Flur schon schlaftrunkene Mädchen entgegenwankten - "Wir könn'n nicht schlafen, die sind so laut." - und wir die Jungs am liebsten samt Bett und Schlafsack raus in den Wald gejagt hätten, nicht ohne uns mächtig unfähig zu fühlen. Dass wir drei Tage lang von allen Seiten ein "MÜSSEN wir zurückwandern?" ins Ohr gejammert bekamen ...
All das ist vergessen.

Geblieben ist ...

... wie wir gelacht haben, mit den Kindern, ohne die Kinder, beides ...

... wie vertrauensvoll es war, von allen Seiten (naja: von fast allen; wäre ja seltsam, gäbe es nicht Kinder, bei denen sich Schwieriges offenbart; aber gut, eine solche Zeit zu haben, um dies wahrzunehmen, um jetzt gezielter beobachten und reagieren zu können) ...

... wie liebevoll die Heimmutter nicht nur in der Küche fantastisches Essen in kaum zu bewältigender Menge bereitete, sondern auch uns beiden Lehrerinnen einen Stapel Kaffeemarken nach dem anderen für die neue Espressomaschine in die Hand drückte - wir kamen mit dem Kaffeetrinken gar nicht hinterher :) ...

... wie großartig die Klasse mitzog, als wir von unserem Prinzip nicht abließen: jedes Spiel, jede Gruppenaktivität, jede Tischordnung in neuer, zufällig ausgeloster Gruppenzusammensetzung - sie durften nicht ein einziges Mal in den drei Tagen ihre Partner selbst aussuchen und haben das großartig gemacht, haben sich in so erstaunlicher Weise zusammengefunden, ganz gleich mit wem ...

... wie froh wir waren, dass es keine Heimwehtränen gab, vor allem nicht bei den Kindern, die vorher schon Bauchschmerzen hatten, weil sie - lässt man die Gruppen sich nach Wahl zusammenfinden - immer und immer wieder übrig bleiben - und für diese Kinder u.a. war unser permanentes Zufallsdurchmischen auch gedacht ...

... wie wir ein bisschen stolz waren, als der Polizeikommissar, der für den ersten Baustein eines Gewaltpräventionstrainings angereist war, der Klasse zum Abschluss seine Beobachtung spiegelte: wie gut hier alle miteinander umgehen würden, sogar die Jungen mit den Mädchen und vice versa - das wäre in anderen Klassen dieses Alters längst nicht so selbstverständlich, längst nicht so reibungslos ...

... und wie wir uns immer wieder bewusst wurden, dass wir vermutlich großes Glück mit dieser Klasse haben, denn die waren vom ersten Tag an so. Auch die anderen Lehrer der Klasse: es mache soo Spaß mit ihnen. Find ich auch. Vorgestern in Mathe war ich wieder schwer begeistert ...

Und vorgestern als Stundenabschluss haben wir auch meine Fotos angeschaut, groß mit Beamer an der Wand. Da kam alles nochmal ein bisschen zurück.



Eierwurfwettkampf - ein rohes Ei war so in Naturmaterialien zu verpacken, ohne jedes von Menschenhand gemachte Hilfsmittel, keine Schnüre, keine Tüten, dass es einen Sturz aus dem zweiten Stock überlebt. --- Zwei von fünf Eiern haben es geschafft!







Wilde Wege.
(Und dass sie so große Tüten dabei haben, das liegt an dem Sammelauftrag, den sie von uns hatten.)







Hausbau im Wald.





Hochmotivierende Arbeitsaufträge. Dieser hier: Jede Gruppe geht ihr gebautes Haus wieder zerstören - möglichst unfallfrei - damit nachfolgende Klassen nicht schon alles fertig vorfinden. Sie waren selten so schnell unterwegs :)





Ein Kran aus 30 Armen, und wie alle gebannt und konzentriert daran arbeiteten, Stein auf Stein zu setzen. Diese Gesichter!!! (Faszinierende Fotos, die Bände sprechen - nur leider kann ich die hier ja nicht zeigen.)









Rückweg über die Berge im Morgennebel.

















Abschlussreflexion.









Letzte Schritte im Wald, das Ziel unten am Fluss schon sichtbar ...






Gut war es.

Freitag, 28. Oktober 2011

Ferienanfangsabend

Dieser erste Abend, das ist immer der beste Ferienmoment.
Zumal wenn es einen überkommt wie mich heute. Die Schule verlassend, aus einer prallvollen Woche ohne Atempause, oder eigentlich aus einem prallvollen Monat heraus, bleibe ich auf dem Weg zum Auto stehen und sehe plötzlich Herbstfarben - orangefarbene Wärme, rotes Leuchten, gelbes Strahlen, all das ist um mich her. Und erst da wache ich auf: Ferien!!! Ich habe ja jetzt Ferien!
Ich bin noch ein bisschen überwältigt von diesem Gedanken. Ich muss erst ankommen.
Dieser wundervolle Ferienanfangsabend ...

Samstag, 22. Oktober 2011

Geschafft ...

... in zweierlei Wortsinne.

Im ersten: Ich bin immer noch zu müde, davon zu berichten. Aber es gibt eine Menge, was wir geschafft und geschaffen haben. Viele Fotos habe ich zu sortieren, und irgendwann erzähle ich bestimmt auch hier.

Im zweiten Sinne: Hat dazu geführt, dass ich gestern nur noch ins Bett gefallen bin, mittags, nachmittags, abends - Mehrfachnickerchen. Nein, es war kein extremer Schlafmangel dort - zwei Nächte á fünf Stunden sind ganz gut fürs Landheim. Aber das Nonstopp tagsüber: maximale Pausenlänge 10 Minuten. Also echte Pause, ohne zwischendurch "Frau Rebis, die Milch ist alle ...", "Frau Rebis, die Hannah hat ...", "Frau Rebis, der Fabian weint ...", "Frau Rebis, meine Taschenlampe geht nicht mehr, aber vorhin ging sie noch ...", "Frau Rebis, die Friederike ist in'n Bach gefallen ...", "Frau Rebis, da hinten sind so große Jungs, und die ham zum Alexander gesagt ...", "Frau Rebis, ich bekomm mein'n Schlafsack nicht wieder in die Hülle ...", "Frau Rebis, die vom Nachbartisch sind einfach aufgestanden ohne Aufräumen ...", "Frau Rebis, meine Bonbons sind weg ...", "Frau Rebis, ich blute hier am Finger ...", "Frau Rebis, die schieben da oben schon wieder Betten ..." usw.usf.usw.usf.usw.usf.  Unerschöpfliche Kinderphantasie, was die Art der Hilfeanliegen und Aufmerksamkeitssuche angeht :) Mal abgesehen von ernsteren Situationen und Betreuungsaufgaben zwischendurch. Glücklicherweise ohne total ernste Situationen. Aber wie gesagt, nonstopp. Von jetzt ab lob ich mir Städte- und Kursfahrten. Die Schüler bekommen immer mal mehrstündige Freizeit-Phasen, toben sich in der Stadt aus, und als Lehrer darf man sich in der Zeit im "Mein Name ist Hase"-Gefühl wähnen ...

Nun erstmal mein Pausentag. Nur Haus- und Familienaufgaben.
Und hoffentlich in die herrliche Sonne hinaus, wenn ich die Kinder überzeugen kann.
(Denn ohne sie - nein. Drei Tage Abwesenheit sind nachzuholen, das Nonstopp von 30 schaffen meine beiden hier im Moment locker auch zu zweit :))

Dienstag, 18. Oktober 2011

Herausforderung

Es ist ja nicht so, dass ich  meinen Beruf bislang als eintönig empfunden hätte. Doch jetzt, erst jetzt mit meinen 5ern, sehe ich, was mir bisher gefehlt hat.

Klasse 5 - das ist noch fast Grundschule. Alles geht ein bisschen langsamer, und alles geht vor allem viel bunter zu. Da fühlt sich mein nicht vorhandenes Bastel- und Dekorations-Gen so richtig herausgefordert. Ich wusste nicht, wie ausdauernd ich basteln kann :)
Und jetzt erst - Schullandheim, für drei Tage.
Die Sportlehrer drücken uns eine Kiste in die Hand - wie man ne Slackline aufbaut, wisse ich doch bestimmt, und dieses Spiel mit den Holztürmen, das erklärt sich von selbst, und Dreifelderball wäre auch ne super Sache.  Aha ...
Die Musiklehrerin meint, die Kinder sollten Instrumente mitnehmen, wir sollten singen und musizieren, das machen die gern. Ok, sage ich, packe nen Stapel Liederbücher auf den Gepäckberg, und meine Gitarre, und dann schaun wir mal. Noch nie habe ich mit Kindern gesungen, also mit so vielen, meine ich. Wie bringt man denen eine Melodie bei, muss ich das dann immer vorsingen? Und was, wenn sie keine Lust haben? Und ich mich verspiele? Oder das gewünschte Lied selber nicht kenne? Mal schauen ...
Die Kunstlehrerin: Kunstwerke aus Naturmaterialien gestalten, das komme immer gut. Und dann eine Ausstellung damit gestalten. Ok, das scheint mir noch am einfachsten. Ich muss ja nix fachfrauisches zu den Kunstwerken sagen, das geht ...
Und dann noch von vielen Seiten: Eine Naturrallye, das wäre der Renner. Ich bekomme mehrere Zettel in die Hand gedrückt. Allesamt gespickt mit Fragen, die ich - jedenfalls auf den ersten Nachdenker - nicht mal selbst beantworten kann. Als echtes Großstadtkind - ähm - das ist natürlich keine Entschuldigung, aber ich weiß manches einfach nicht. Vielleicht sollte ich damit ganz still sein. Aber wie führe ich dann die Rallye durch ....

Irgendwie ... weiß ich noch nicht so recht. Ich freue mich sehr auf die drei Tage mit den Kindern. Aber all dieses Programm ... hm ... ich bin irgendwie besser im Mathe- und Physikunterrichten als darin. Total unerfahren. Bisher war ich immer nur mit den "Großen" zum Schüleraustausch, oder auf Städtefahrt. Aber so echtes Landheim - noch nie. Mir ist das ein bisschen unbehaglich.
Mit meinen beiden Fächern fühle ich mich dort als Mensch mit zwei linken Händen. Meine mitreisende Coklassenlehrerin hat Deutsch und Religion - nicht viel besser. --- Doch: die weiß wenigstens, wie Rollen- und Theaterspiele gehen. Überhaupt die Spielrunden, die machen ihr nichts aus, sagte sie. Von Jugendfreizeiten her hat sie da tausend Ideen. Ich atme auf: wer hier ausdauernd mitliest, weiß, dass Kindergeburtstage für mich zum Schrecklichsten gehören. Das Gleiche in einer Runde mit 31 - nicht auszumalen. Gut, dass sie das kann.

Und ich, ich pack jetzt mal die Gitarre ein, stelle die Wanderschuhe bereit, drucke eine Wegkarte aus, norde mich auf der gedanklich schon mal ein, überlege ein bisschen vor mich hin, was wir machen, wenn Kinder das Laufen verweigern, weil es regnet (denn: wir wandern zur Herberge - morgen hin, am Freitag zurück; und zwar bei jedem Wetter), wenn ein paar Schlafsäcke vergessen wurden, wenn es abends und nachts Heimwehtränen gibt, und dann google ich noch nach den Antworten für die Naturrallye.

Lehren bildet :)

Montag, 17. Oktober 2011

Das Berufstätigenkind

Heute war ein Tag, wie ich ihn in Zukunft möglicherweise - vermutlich? - hoffentlich nicht! - öfters haben werde. Früh kurz nach sieben aus dem Haus. Voller Schultag, anschließend diverse Besprechungen, mit Betreten der Wohnung ein Anruf über einen dringenden Dazwischentermin, Kehrtwende auf der Türschwelle, gerade so die Kinder mit Blicken gestreift und schon wieder weg, direkt anschließend der Nachmittags-Abends-Termin. Rückkehr gegen halb neun, die Kinder sind am Einschlafen.
Ich nehme die Tochter auf den Arm, knuddle sie, und sage, dass sie mir an solchen Tagen ganz arg fehlt, dass ich sie vermisst habe.
"Wieso", sagt sie mit kessem Blick, "Du hast mich doch dreimal gesehen heute: Morgens, nachmittags, und jetzt."

Tja, wenn das so einfach wäre. Für sie ist es offenbar weniger schwierig als für mich. Oder täuscht das?
(Und wie oft werde ich wirklich solche Tage und Wochen haben, in denen ich ganz weg bin? --- Ich schiebe das für heute beiseite und freue mich am neugewonnenen Internet: Yeah! Und gehe jetzt schlafen ...)

Sonntag, 16. Oktober 2011

Langsamkasse

Gestern waren wir in einem Konsumtempel. Einem der unsympathischsten Orte, um sonnige Samstagsstunden (oder überhaupt irgendwelche Stunden) zu verbringen. In mir ist größter Widerwille gegen solche Malls, aber hier gibt es nun mal Winterstiefel, Schreibblöcke, AAA-Akkus, Imprägnierspray, Folienstifte, Fahrradkörbe, Schulhäkelnadeln und damit viele Fliegen mit einer Klappe, also unter einem Dach. Und so landeten wir gestern dort.

Zum Schluss, erschöpft, stehe ich an einer Großmarktkasse, träume wartend vor mich hin, freue mich auf den Sonnenschein vor der Tür … und werde unfreiwillig Zeugin einer Belehrung. An der Kasse gegenüber nämlich. Eine Vermutlich-Chefin in Zivil zu einer Neukassiererin. Dies und das und jenes sei wichtig, oder nicht erlaubt, oder dringend zu beachten. Ein Redeschwall ergießt sich über die junge Frau. Und das Arbeitstempo: das sei viiieeel zu langsam. Ein Testkäufer wäre heute bei ihr gewesen, und der habe berichtet, sie würde die Dinge arg gemütlich übers Band ziehen, so dass die Leute hinten in der Schlange schon rumort hätten. „Aber ...“, will die junge Frau einwenden, doch sie kommt nicht zu Wort. Mangels fließender deutscher Sprachkenntnisse, und weil die Suada der Vermutlich-Chefin auch gar nicht vorsieht, dass die Überschüttete zu Wort kommt. Die Botschaft – wirst Du nicht schneller, dann wirst Du hier nicht arbeiten – die ist klar vernehmlich. Mir jedenfalls. Ob der deutschunkundigen Neukassiererin auch, bin ich mir nicht sicher. Am liebsten möchte ich sie tröstend in den Arm nehmen, verbal wenigstens. Damit würde ich ihr allerdings in dieser Situation einen Bärendienst erweisen. Also schweige ich. Und dass ich sie von hinten anlächle, kann sie nicht sehen.

Jedenfalls beobachte ich sie weiter, als die Chefin geht, der nächste Kunde kommt – sie schiebt die Dinge tatsächlich gemächlich übers Band, mit runden, ausgewogenen Bewegungen, keine Hast, keine Hektik, in ihrem Tempo eben. Ja, man könnte sie „langsam“ nennen …

Das wär's doch mal, träume ich, eine „Langsamkasse“ im Supermarkt. Als Gegenstück zur „Schnellkasse“, die es schon allerorten gibt. Für so Leute wie mich daneben eine „Langsamkasse“. Wo man wartend träumen und mit den Gedanken abschweifen darf. Wo man nicht zack-zack zusehen muss, alles in Windeseile auf's Band zu werfen. Und noch viel wichtiger: wo man nicht am anderen Ende schweißgebadet alles in Korb oder Tasche stopft, weil sich die Berge des nachfolgenden Einkäufers bereits auf den eigenen türmen. Wo einen nicht eine Schlange voller ungeduldig Wartender genervt anschaut, wenn man seine EC-Karte nicht in Null-komma-Nix aus dem Portemonnaie gefingert hat. Und sich dann noch bei der Geheimzahl vertut. Wo mich  das angesagte Tempo nicht ständig in ein Gefühl der Überforderung wirft. Wo ich als ich, und nicht als Hastgepeitschte einkaufen darf.

Eine Langsamkasse, wo es gemächlich zugeht. An der man mit Vordermann und Hinterfrau ins Gespräch kommt, oder wenigstens ins gegenseitige Anlächeln. Dazu ist genug Zeit, weil vorn an der Kasse ja auch geschwätzt wird. Weil man die Kassiererin mit Namen kennt, und mit ihren Geschichten, Sorgen und Nöten. Und vice versa. Wo es Begegnung gibt, wie früher im Laden an der Ecke. Wo nebenher ein bisschen eingekauft, übers Band geschoben und kassiert wird. Aber wo sich vor allem Menschen gegenüberstehen. (Oder sitzen – ok, die Kassiererin darf und soll sitzen. Außer wenn sie aufsteht, aus ihrer Box herauskommt, um mit einem Kunden zurück zum Regal zu gehen. Zum Beispiel, um etwas umzutauschen, oder ihm zu zeigen, dass es das, was er eigentlich wollte, doch gibt, oder einfach nur für eine kleine Empfehlung. Und dann kommen sie wieder zurückgeschlendert zur Kasse …)

Und beim Einpacken – da helfe ich der alten Frau vor mir, zusammen sortieren wir alles gemütlich in ihren Korb ein. Während sie derweil mit meinen Kindern schäkert, lacht, sich winkend verabschiedet. Die Kinder stellen ein paar technische Fragen zur Kasse – und bekommen sie beantwortet. Dürfen ruhig auch mal rüberklettern, auf den Schoß der Kassiererin, dürfen begeistert mitwirken bei unserem Einkauf. Nämlich den Scanner über die Codes ziehen, und den Knopf drücken, bei dem sich die Kasse öffnet. Während mir beim Verstauen meines Einkaufs der junge Mann hinter mir hilft, und wir über Sinn und Unsinn der letzten Gemeinderatsentscheidung ins Plaudern kommen. Bevor wir uns verabschieden und er sich erinnert, dass er jetzt mit seinem Einkauf dran ist …

Hach, eine Langsamkasse in jedem Supermarkt – und schon wären mir die Konsumtempelbesuche viel sympathischer. Wäre eine solche Kasse zu unzeitgemäß, nicht schritthaltend mit dem Tempo des modernen Lebens, nur eine romantisch-versponnene Idee, mein Sonntagsmorgentraum? Würde sich außer mir wohl noch jemand an einer solchen Kasse anstellen???

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Meditativtag









So saßen wir heute, gemütliche zwei Stunden lang. Schön war es. Innig.
Der Sohn mit seinen ersten Strickversuchen und der Ungeduld, dass er doch bitte heute gleich noch die linken Maschen lernen wolle. Spätestens aber morgen. Die Tochter mit einer Stickgeschwindigkeit, die vermuten lässt, dass sie im Kindergarten schon Gobelins in Serie produziert hat. (Ich weiß gar nicht: stickt man die?)
(Und mir stellte sich ernsthaft die Frage, wie die das in Schule und Kindergarten mit 25 Kindern hinbekommen - ich fühlte mich schon mit zweien als maschen- und fadentechnische Helferin permanent überfordert :))

Dennoch ein stiller Nachmittag - Maschenfangen und Fädenentknoten lässt auch Zeit für Gedankenknäuel.

Ob uns dieser ruhige Nachmittag vom Computerloch geschenkt wurde? Oder ob wir uns solche Tage einfach nur nehmen müssen, ganz gleich, welcher Bär hier sonst im Haus tobt? Ja, ich glaube, ich bin schon lange dabei zu lernen: Ich muss mir diese Zeiten nehmen, einfach nehmen. Alles andere ist Ausrede. "Sage nicht: Ich habe keine Zeit. Sei ehrlich und sage: DAFÜR habe ich keine Zeit." Diese Worte hingen lange Jahre an meiner Pinnwand. Genau so ...

Und dennoch: Es braucht Kraft dafür, in die Ruhe zu gehen.

Zunächst ab nächsten Montag - wir werden vermutlich wieder Internet haben. Und ich werde neu lernen müssen (und wollen!), einen Teil der Ruhe dieser Tage hinüberzuretten.
(Dieses Wunder hat übrigens der Technik-Ehrgeizige vollbracht, von dem ich vorgestern schrieb. Zusätzlich hat ihn wohl gewurmt, dass schon der Kunde - oder noch schlimmer: die KundIN ;-) - brauchbare Ratschläge zur Systemüberlistung geben muss, damit es voran geht. Nun, er hat jedenfalls nen Durchbruch geschafft - nun haben wir Bestätigungspost, die Software und einen Schalttermin - so weit waren wir noch nie :) All diese frohen Botschaften erfuhr ich bei meinem heutigen Callcenter-Anruf - am liebsten hätte ich mit der Dame am anderen Ende einen Sekt geöffnet. Wenigstens überschüttete ich sie mit überschwänglichem Dank. Den eigentlich der Typ von gestern verdient hatte. Na, egal. Gefreut hat sie sich trotzdem :))

Und vor allem auf lange Sicht - werde ich noch in die Ruhe finden? Denn von noch einer Bewegung in noch einer Sache erfuhr ich heute. Was ich vorgestern noch nicht erzählen durfte, weil zwar die Spatzen es von den Dächern pfiffen, über dieses Pfeifen aber nach außen hin Schweigen zu wahren war.
Heute bekam ich es schwarz auf weiß. Ich hatte mich ja mal beworben. Im Frühjahr: Hier, und hier.
Heute also bekam ich ein Ja. Ich darf das tun, was ich immer schon wollte, das, wohin es mich seit Jahren zieht - in Gedanken. Nämlich: Unterrichten, wie man Mathematik unterrichtet. Eine Stelle in der Lehrerausbildung ist meine. Riesige Freude!!!
Aber auch Sorge. Weil ich natürlich nicht ab sofort mein Unterrichtsdeputat auf die Hälfte reduzieren kann. Weil ich Präferenzen habe, welche Klassen ich gern behalten würde (und welche nicht) - der Stundenplanmacher aber überhaupt erstmal schauen muss. Und kein Ersatzlehrer da ist, mindestens bis Februar. Im Januar aber fängt der Kurs schon an. Und ich sollte mich vorbereiten, für dieses komplette Neuland. Alles ein bisschen unheimlich, wie das zu bewerkstelligen sei, ob ich mich nicht übernommen habe, ob ich die ersten zwei Jahre des ersten Durchgangs gesund überstehen werde - bin ja dort quasi wieder Berufsanfängerin. Ob ich mich mit einer vollen Stelle nicht übernehme - und die war Bedingung für den Lehrauftrag. Verzicht auf freie Vormittage, auf freie Nachmittage vielleicht auch, auf freie Abende allemal. Für ne ganze Weile. Neuer Fokus meiner Schreibtischtätigkeit - häufiger die Meta-Ebene betreten, mein Konzept von Mathematikunterricht reflektieren, tiefergehen, fachdidaktisch fundieren, lesen lesen lesen lesen, und einen Lehrgang daraus bauen. --- Nein, ich brauche und werde nicht das Rad neu erfinden. Aber meine Handschrift soll es tragen. Und dazu muss ich diese betrachten, üben und fließend machen. --- Neue Kollegen kennenlernen. Am Montag schon die erste Sitzung. Die machen das zum Teil seit Jahrzehnten. Ich werde den Raum betreten wie eine kleine Schülerin ...
Solche Gedanken wirbeln in mir.
Glücklich aber bin ich, dass zwischendurch immer und immer wieder die Freude aufblitzt. Und ein Fünkchen Zuversicht, dass ich irgendwann - in drei Monaten oder in drei Jahren - in dieser neuen Tätigkeit angekommen sein werde. So wie ich aus der ersten Unterrichtsstunde meines Lebens, aus dem ersten Berufsjahr unmerklich ins mittlerweile elfte hinübergeglitten bin - so wird das dort auch werden. Ganz sicher ...

Heute jedenfalls erstmal: gestickt, gestrickt, gefreut. Und tief durchgeatmet. Wie es wohl ab Januar wird? Wir werden sehen ...

Dienstag, 11. Oktober 2011

Allzugern ...

... würde ich jetzt hier was erzählen. Aber ich darf nicht.
Bald. Ganz bestimmt. Bald erzähle ich's.

Allzugern ...
... hätte ich auch wieder Internet. Also so richtiges, nicht das aus der Tube, nicht nur am Minilaptop, nicht nur im Dachwinkel.
Bald? Ganz bestimmt? - sage ich bei dieser Frage eher nicht.

Als ich heute mit dem Callcenter telefonierte - das tue ich mittlerweile täglich - da formulierte ich ohne nachzudenken, dass ich keine Lust auf weitere drei Monate mit diesem Problem hätte. "Waaaaaaaas?!", schrie der Mitarbeiter ganz empört auf, "so lange wollen sie denen noch Zeit geben???"  --- "Denen", sagt also der Te.le.kom-Mitarbeiter über sein eigenes Unternehmen. Und ich, die Kundin, erwidere nur ganz sanft, ich sei halt ein geduldiger Mensch. Er brauche sich wegen mir nicht aufzuregen.
Schon mehrmals rauften sich liebe Mitarbeiter förmlich die Haare ob des nicht zu überwältigenden Systemfehlers, und ob meiner Lage - das muss ich zu Ehren vieler meiner Gesprächspartner hier mal sagen. In solchen Momenten bin immer ich es, die dem Gespräch einen Schuss Humor zusetzt, damit mein Gegenüber nicht allzu verzweifelt bleibt, damit ja nicht etwa Schuldgefühle aufkommen, und damit das Gespräch wenigstens wenn schon telefontechnisch aussichtslos, so doch zwischenmenschlich in heiterer Atmosphäre endet.

Naja, ist vielleicht die falsche Taktik.
Aber ich KANN das einfach nicht - empört-ungeduldig in den Hörer schreien, den Nervenzusammenbruch simulieren, mit Kündigung (wohin soll'n wir denn sonst?), der Vorstandsetage, der Presse oder rechtlichen Schritten zu drohen - ich KANN das nicht. Ich bin einfach ein blödes Geduldslamm. Ja, ich bin ein Schaf.
Auf die Weise bekomme ich wohl nie Internet. Aber so bin ich eben.

Lieber versuche ich der Situation abzugewinnen, was ich sonst nie erlebt hätte. Meine täglichen Telefonate mit dem Callcenter zum Beispiel. Da erzähle ich ja immer neu meine Geschichte. Hatte in den letzten Monaten an die 30 bis 50 Mitarbeiter an der Strippe. Höchstspannend. Da gibt es die genervten ("... ich wüsste nicht, wie ICH Ihnen da weiterhelfen sollte ..."). Die besorgt-mütterlichen ("... och mensch, das ist ja schrecklich, was Sie durchmachen - da wünsche ich Ihnen mal noch viel Durchhaltevermögen ..."). Die gleichgültigen ("... nööö, das System hängt - tut mir leid, da kann jedenfalls ich jetzt nichts machen ..."). Die technik-ehrgeizigen ("... gleich haben wir den Systemfehler gefunden, nur noch drei Klicks - das wär doch gelacht, wenn wir das nicht hinbekommen würden - ich finde da eine Lösung - morgen melde ich mich bei Ihnen ..."). Die hilflosen ("... Moment - ich schau mal - nein, ich finde da nichts - bitte warten Sie einen Moment, ich frage mal nach - nein, also da sehe ich ... ähm ... gar nichts ..."). Die locker vertröstenden ("... doo hab'ns halt noch a bissl Geduld ..."). Die sich verbunden fühlenden ("... wir beide werden uns ja wahrscheinlich nicht wiederhören, aber ich wünsche Ihnen alles alles Gute ..."). Die empathisch empörten (siehe oben).  Und zahlreiche mehr.
Von allem etwas.
Menschenkunde pur - so konzentriert selten erlebt. Inzwischen versuche ich schon beim ersten Satz des Telefonats zu erraten, an welchen Typ ich diesmal geraten bin. Ein Spiel quasi, ein Training in Menschenkenntnis.

Und noch ein Spiel spiele ich hier unauffällig im Hintergrund. Das Problem liegt in der Software - irgendwie kann die neue Leistung nicht zu unserem Anschluss gebucht werden, weil unsere Rufnummern nicht gescheit gespeichert sind, irgendwie so. Wegen dieses Systemspeicherproblems hat es auch mit unserem ISDN-Anschluss schon vier Monate gebraucht.
Seit ein paar Tagen ist mein Ehrgeiz entzündet, ich lasse mir täglich die Fehlermeldungen vorlesen, schreibe mit, äußere eigene Vermutungen, was man nun mal klicken könnte, und lasse mich wiederum von jedem Mitarbeiter neu informieren, welche Knöpfchen und Schaltflächen es in der Software noch so gibt. Das alles schreibe ich hier unauffällig am heimischen Schreibtisch mit. --- Wenn die sich mit ihrer Fehlerbehebung nicht beeilen, dann bin womöglich ich per Ferndiagnose schneller, dann durchschaue ich das System von hier aus und sage an, was und wie jetzt zu schalten wäre ...  Heute jedenfalls habe ich schonmal dazu beigetragen, dass doppelte Nummern entfernt wurden - der Mitarbeiter war gleichermaßen verblüfft wie dankbar für meinen Tipp :)
(Wenn mein Beamtengehalt mal nicht reicht - bald kann ich bei Magenta als Netzwerkadministrator anheuern. Und sollte eines Tages doch ein Brief von hier in die Unternehmens-Chefetage wandern, dann werde ich zwar nicht mit Empörung, aber wenigstens mit profunder System- und Unternehmensablaufskenntnis aufwarten können ...)

Naja. Sind halt Spielchen. Meine Selbstvertröstung. Nach dem Motto: Alles ist zu irgendwas gut.

Aber wenn ich gaaaanz ehrlich bin, hätte ich doch allzugern wieder Internet. Oder wenigstens ein Magenta-Papierchen, auf dem steht, dass es am trillionsten Oktober geschaltet wird - wenigstens das ...

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Exotisch

In meiner Statistik habe ich es entdeckt: Jemand aus Korea hat sich auf meinen Blog verirrt. Und so habe ich die seltene Gelegenheit, meinen Blog - der übrigens 줄무늬 - 만지는 - 부품 : 쓰기 heißt - auf koreanisch anzuschauen: Hier klicken!

Aha, "Ferienfremdeln" und "Zeugnistag" kann offenbar nicht übersetzt werden (weil es keine Ferien gibt? weil es keine Zeugnisse gibt?). Impounds에서 ist eine interessante Entsprechung für "Angestaut". Das Datum wird in der Reihenfolge Tag-Jahr-Monat angegeben. Und "Wildgans" heißt 야생의 거위.
Genauere Betrachtung der Seitenspalte: Es stellt sich die Frage, warum es offenbar im Koreanischen nur Mai und März gibt, die anderen Monate aus dem Englischen entlehnt werden müssen. Hej - da fehlt mein Lieblingsherbst :(
Wahrscheinlich alles ein Missverständnis des automatischen Übersetzungsalgorithmus. Die koreanische Sprache kann vermutlich gar nichts dafür.

(Und übrigens: dass im Impressum ein Leerzeichen hinter dem Punkt fehlt, schon immer, das hätte ich ohne diese(n) koreanische(n) Leser(in) niiieee entdeckt. Und zur Belohnung für hartnäckiges Verstecken darf es nun bleiben, das ausdauernde fehlende Leerzeichen.)



Bitte mehr Klicks aus fernen Ländern - das ist so spannend :-)

Montag, 3. Oktober 2011

Sonnenaufgangsnebel

Hinaus- und hinaufgehen - anders konnte ich heute Morgen nicht. Weil ich meinen Augen kaum trauen wollte ...





















... dieser Nebel ...












... dieses Licht ...















... diese Fäden ...















... diese Farben ...












... diese Weite ...









Und nun, nach diesen Schritten, bin ich angekommen im Tag, verbunden mit mir, mit Himmel und Erde, so erfüllt...

Sonntag, 2. Oktober 2011

Funkstille

Noch nie hatten wir Glück mit der Te.le.kom. Bei fünf Umzügen ging fünfmal etwas schief. Wäre ja ein Wunder gewesen, wenn diesmal - mein Arbeitszimmer zog innerhalb des Hauses um - alles geklappt hätte.

Da haben wir also vier Monate auf ISDN gewartet. Jedes Mal Auftragsbestätigung, jedes Mal neue Nummern zugewiesen, jedes Mal einen Umschalttermin genannt bekommen. Und jedes Mal tat sich --- nichts. Ich war Dauertelefoniererin mit den netten Damen und Herren vom Callcenter. Die Gespräche begannen immer mit "Guten Tag, mein Name ist ..., was darf ich für Sie tun?" und endeten regelmäßig mit einem in Variationen verpackten "Das tut mir leid, da kann ich nichts für Sie tun, das müssen Sie doch verstehen, dass Sie da noch ein bisschen Geduld brauchen."
Ich brauchte und hatte Geduld. Erzählte meine Geschichte gern jeden Tag jemand Neuem im Callcenter. Immer ganz von vorn, immer ganz ruhig bleibend, immer geduldig.
Auch als plötzlich doch geschaltet wurde: und zwar die alte Nummer weg, und die neuen noch nicht dran. Das müsse mit dem Verteilerpunkt im Nachbarort zu tun haben, sagten die Herren Techniker ratlos, fuhren wieder ab und hinterließen uns ohne Telefon. Eine Woche lang. Dann - oh Wunder - funktionierte es. Nach vier Monaten rechnet man nicht wirklich mehr damit.

Nun also DSL-Anbieterwechsel. Von Fremd-DSL wechseln wir ebenfalls zu dem Unternehmen mit dem netten Callcenter. Gekündigt im Mai, bei Magenta beantragt im Mai.
Also: eines hat ja pünktlich geklappt. Nämlich die Abschaltung des Fremdanbieters. Das war's dann aber auch. Bei meinen fast täglichen Telefonaten mit den Damen und Herren des Callcenters durfte ich schon vor Wochen erfahren, dass man wegen eines Systemfehlers unser DSL nicht zubuchen könne - was auch immer das technisch bedeutet. Jedenfalls: haben werden wir in absehbarer Zeit kein DSL.
Ob das ihr Ernst sei, fragte ich halbwegs entsetzt durchs Telefon. Na, ich müsse schon verstehen, dass man da im Moment nichts machen könne. Nee, sagte ich, ausnahmsweise verstehe ich das überhaupt nicht. Und würde ich nicht aufm Dorf wohnen, wäre ich jetzt weg, aber sowas von weg von ihrem Unternehmen, sagte ich der hilflosen Dame. Und dass ich mit dieser Geschichte natürlich nicht hinterm Berg halten werde - was ich hiermit tue :) - und meine Zuhörer würden schließlich nicht alle aufm Dorf wohnen ... Dieser kurzzeitige Zornesausbruch brachte immerhin den Erfolg, dass die hilflose Dame sich bei einem Chef im Hintergrund erkundigte und mir dann schüchtern anbot, sie könne uns auf Kulanz einen Mobilstick zuschicken, wenn ich wolle. Nur her damit, sagte ich (auch wenn ich noch nicht sehe, dass wir nicht doch auf den Kosten sitzen bleiben). DSL ist ja doch in nächster Zeit nicht absehbar, und so versuchte ich mich gestern erstmals an diesem Internet aus der Tube - so sieht der Stick nämlich aus.

Eigentlich hatten wir vor, uns den für beide Computer zu teilen, abwechselnd halt. Die gute Nachricht: das ist nicht nötig. Die schlechte Nachricht: weil er nämlich an keinem der beiden Computer funktioniert :( Tja, wir scheinen in unserer Hausburg besonders strahlengeschützt zu wohnen, denn Empfang haben wir nur an ausgewählten Mikrofleckchen des Hauses. Und dies auch nur auf meinem Laptopchen, meinem lahmen Netbook nämlich, das niemals dafür gedacht war, für die gesamte Kommunikation herzuhalten. Das kann es nämlich gar nicht. Hat ja nicht mal ein ordentliches Schreibprogramm drauf. Und im Tempo erinnert es an einen guten alten Trabbi. Hach ja ...

Und so übe ich mich derzeit also ...
... im arg reduzierten Internetgebrauch ...
... in Dateienlogistik (unsere gesamte Schulkommunikation läuft über Mail - dann transferiere ich Mails und Anhänge auf nen USB-Stick, klettere drei Treppen nach unten, bearbeite und verwalte und speichere alles auf dem Unten-Computer, dem eigentlichen, und umgekehrter Prozess, wenn ich etwas abzuschicken habe - sehr sportlich, ich trage ja quasi jedes Bit im Moment die Treppe rauf und runter) ...
... darin nicht die Übersicht zu verlieren (ich kann hier nicht mal meine Emails gescheit sortieren, und täglich werden es mehr - an Wochen und Monate will ich noch gar nicht denken) ...
... in dem Gefühl, nicht mehr immer erreichbar zu sein, weil es so aufwändig ist, mich ins Netz zu begeben (das schafft übrigens eine Menge Ruhe und löst eine Menge Gedanken aus - ähnlich wie diese hier (klick!) - auch wenn ich mein "Stopp" ja von außen diktiert bekommen habe, weiß ich sehr wohl darin zu lesen :)) ...

Und vor allem übe ich mich in Geduld. Und darin, nicht allzuviel Kraft in all das zu investieren. Am Dienstag werde ich mal wieder mit dem Callcenter telefonieren ...

Ja, ich weiß, es gibt andere Anbieter. Und warum überhaupt wir uns dies antun ... diese Art Ratschläge brauche ich jetzt so gar nicht. Hier bei uns auf dem Dorf gibt es halt nur Magenta, sonst rutscht hier nichts durch die Leitung. Mal abgesehen davon, dass man von anderen auch nicht immer nur Erfolgsgeschichten hört ...

Offene Schalen

Scheu und mit großen Augen ertasten sie ihre neue Umgebung, die vielen unbekannten Menschen ringsum. Wagen erste Fragen, bereit, ihre neue Welt aufzusaugen. Suchen zuweilen Hilfe, greifen eine helfende Hand. Da fließen auch mal Tränen, da sehen wir Erschöpfung. Es ist so viel - SOOO viel -, was neu auf sie zukommt. Manchen geht es zu schnell. Sie brauchen ihr eigenes Schrittmaß bei der Erkundung - und wir versuchen, sie dabei sanft zu begleiten.

Weit geöffnet begegnen sie uns. Erzählen freimütig, was sie wahrnehmen. Erklären uns ganz ehrlich, was sie verwundert. Berichten mir freudig, was sie an anderen Kollegen lustig finden. (Oha, da erfahre auch ich manches ganz neu :-)) Es platzt aus ihnen heraus, wenn sie von Erstaunlichem zu berichten haben. Ihre Stirn runzelt sich, wenn sie verständnislos vor Unbegreiflichem stehen - leider ist ihnen auch das schon begegnet. Und es strahlt aus ihnen, wenn sie sich wohl fühlen. Ganz unverfälscht ist ihr Blick.

Ja, ganz offenherzig begegnen sie uns, schenken sich uns voller Vertrauen - unsere jüngsten Schüler - unsere offenen Schalen.
Wenn ich auf sie schaue, werde ich unglaublich dankbar. Und demutsvoll. Und behutsam. Ich kann nur hoffen, dass wir uns ihres Vertrauens würdig erweisen ...