Donnerstag, 31. März 2011

Sohnesprosa

Es war einmal ein kleines Und. Es war ganz allein und hatte keine Freunde.
Da kam ein H des Weges. Es fragte: "Wollen wir uns zusammentun?"
"Nein", sagte das Und, "sonst müssen wir ja ständig bellen!"
Aber das H hatte schon die Hand des Unds genommen.
Plötzlich kamen ein M und ein Ich. Sie fragten, ob sie auch beim Spaziergang teilnehmen könnten und hängten sich hintendran. Dasselbe passierte mit dem Bei und dem ß. Da kam noch ein Komma und setzte sich zwischen das H und das Ich.
Das sah so aus:
Beiß mich, Hund.
Plötzlich kam ein Hund, sah die 7 Wörter und biss sie alle in die Köpfe.

(von der Lehrerin mit einem Smiley bedacht, vom Sohn zur Veröffentlichung freigegeben :))

Montag, 28. März 2011

Schreibräume

"Nun ist ja Schreiben ein Sich-Heranarbeiten an jene Grenzlinie, die das innerste Geheimnis um sich zieht und die zu verletzen Selbstzerstörung bedeuten würde, und es ist auch der Versuch, die Grenzlinie nur dem wirklich innersten Geheimnis zuzuerkennen, und die diesen Kern umgebenden, teils mit ihm zusammenhängenden anderen 'Geheimnisse', die oft nur Peinlichkeiten, schwer einzugestehende Verfehlungen sind, nach und nach von dem Verdikt des Unaussprechlichen zu befreien, also nicht Selbstzerstörung, sondern Selbsterlösung zu betreiben."

(Christa Wolf)

Sonntag, 27. März 2011

Zitiert und gewählt

Keine andere Informationsbroschüre, kein anderes Unterrichtsmaterial gibt es so häufig in unseren Schränken. In allen Schulen, in denen ich bisher arbeitete, waren mehrere Klassensätze davon vorrätig, geschenkt  vom Informationskreis Kernenergie zu Unterrichtszwecken. Auffällig viele Exemplare. Damit auch schon die junge Generation im rechten Sinne unterrichtet sei.
Eines dieser Hefte "Kernenergie Basiswissen" habe ich momentan bei mir zu Hause, hole mir den einen oder anderen physikalischen Fakt zurück ins Gedächtnis, denn die Schüler stellen Fragen, Fragen, Fragen in diesen Tagen. Die Ängste kann ich ihnen nicht nehmen, die Unwissenheit teilweise schon.

Außer rein physikalischen Informationen findet man natürlich lange Kapitel über Kernkraftwerke, und über "Sicherheitseinrichtungen bei Kernkraftwerken". Darin ein Unterkapitel "Hypothetische Unfälle".
Gestern stieß ich darauf, blätterte drin. Und dachte, ich lese nicht richtig:
"... bei den in der Bundesrepublik Deutschland gebauten Leichtwasserreaktoren ein gleichzeitiges Versagen aller Notkühlsysteme praktisch ausgeschlossen werden kann ... [wie unsere Bundesphysikerin ja in diesen Tagen auch gelogen hat :( ] ... Aber auch bei einem Unfall lässt sich eine Freisetzung größerer Spaltproduktmengen verhindern ... gäbe es eine Verbrennung des Wasserstoffs mit dem Sauerstoff der Atmosphäre ... [Aber hört:] Ein Verbrennungsvorgang, gleich welcher Art, ist dann nicht mehr möglich ... käme es ... auch zu einem Temperaturanstieg im Reaktorkern. Nach kurzer Zeit wäre die Schmelztemperatur der Brennelementrohre erreicht. ... der Boden des Reaktordruckbehälters durchschmelzen ... Schmelzen des Betons ...  würde es Monate dauern, bis das 5 m starke Betonfundament zerstört wäre. Wahrscheinlich käme es aber zum Erstarren der Schmelze im Fundament."
Wir lehnen uns also beruhigt zurück ...

Wäre es nicht so bitter, würde ich das so kommentieren:
Aha.
Die Spaltproduktmengen und der Wasserstoff in Fukushima waren nur nicht richtig darüber informiert worden, was sie dürfen und was eben nicht. Hoffentlich hat Tepco wenigstens dem Beton mitgeteilt, dass er rechtzeitig zu erstarren hat :(

Und dann kurz darauf - lest:
"Nach der deutschen Risikostudie können Kernschmelzunfälle einmal in 10000 Reaktorbetriebsjahren vorkommen. Nur bei 1% dieser Ereignisse (also einmal in 1 Million Reaktorbetriebsjahren) müsste dabei mit Todesfällen gerechnet werden."
Nochmals aha.
Und wir haben dies in 25 Jahren schon zweimal erlebt. Bei 440 Reaktoren auf der Welt waren  lediglich 11000 Reaktorbetriebsjahre dazwischen. --- Prima also, dann können wir ja entspannen. Weil dann ja in den restlichen 1 Million 989 Tausend Reaktorbetriebsjahren nichts mehr passieren wird. Selbst wenn wir keinen einzigen Reaktor abschalten, wären das 4520einhalb Erdenjahre.
Und überhaupt: bei den deutschen Sicherheitsvorgaben passiere eh nix. Dieser Satz zieht sich wie ein roter Faden durch die Broschüre :(

Boah - ich glaube es nicht. Wer auch immer diese Million ausgerechnet hat, es gewagt hat, das alles in konkrete Zahlen zu fassen, so zu tun, als wisse man auch nur irgendwas ...
Aber klar. Hauptsache, die Eins mit den vielen Nullen dran wirkt beruhigend-einlullend. (Und ich gestehe, ich habe diese Broschüre bisher auch ungefiltert angeschaut, über solche Sätze lieber schnell hinweggelesen. Bis eben vor zwei Wochen.)

Ob die das in einer Neuauflage noch genau so wagen würden zu schreiben???
(Ich befürchte: Ja.)

***

Während der vielen Gespräche im Unterricht über all das ergab es sich übrigens wie von allein, dass ich an die Tafel diese Internet-Adresse schrieb:
www.atomausstieg-selber-machen.de
(und hier schreibe ich sie auch gern nochmals hin!)
Forderte die Schüler auf, das in ihren Schülerplaner zu übernehmen, in das Heft also, in das auch die Eltern regelmäßig hineinschauen. Und sagte noch, sie könnten ja mal mit ihren Eltern drüber sprechen. Wir haben seit einigen Wochen in den achten Klassen sowieso zufällig (?) das Thema Energie, sprachen schon vor dem 14. März über unsere Energienutzung, unseren Umgang mit den Ressourcen. Erschreckend aktuell wurde es plötzlich.
Ich vermute, ich darf solche Webadresse als Lehrerin gar nicht verbreiten, ist ja schließlich Werbung und politische Meinungsbekundung gleichermaßen. War mir in dem Moment aber egal. Und ist es mir auch im Nachhinein immer noch ... Soll sich doch ein Anwaltsvater oder Vateranwalt beschweren kommen - dann schauen wir mal ...

***

Soeben war ich unten im Dorf, mein Kreuz an der richtigen, der nicht-rechten Stelle setzen. Der Gerechtigkeit halber stünde mir für meine Kinder ja auch noch je eine Stimme zu, die müssen die schwarz-gelbe Suppe (ist diese Farbgebung des Radioaktivitätssymbol eigentlich Zufall?) schließlich auslöffeln. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder ...
Bei uns an der Schule (und im ganzen Ländle?) gab es neulich eine U-18-Wahl, ein Projekt der Faches Gemeinschaftskunde, um den Schülern die Grundregeln der Demokratie anschaulicher zu machen. An unserer Schule bekamen Bündnis90/Grüne fast 50 % :) Hoffentlich sind BaWüs Erwachsene ebenso klug wie ihre Kinder. Soeben schließen die Wahllokale, bald wissen wir mehr ...

Freitag, 25. März 2011

...

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

(R. M. Rilke)

Donnerstag, 24. März 2011

Mein Frühling

Heute vor drei Jahren war Ostermontag, erinnere ich mich heute zufällig. Und dass es damals bitterkalt war, wir im Schnee spazieren gingen. Das wollte uns damals gar nicht passen.
Jetzt dagegen passt mir gar nicht, dass es jetzt nicht bitterkalt ist ... ja, in manchen Stunden denke ich, wie viel leichter es doch bei Mistwetter wäre ...

Es stimmt mich jedenfalls traurig, wenn Blumen und Vögel hinter der Scheibe bleiben, während ich hier drinnen hocke. Und noch kaum weiß, wie sich die neue Frühlingsluft anfühlt.
Gestern fast ein bisschen Neid auf all die Frühlingsgenießenden - und in diesem Zustand mag ich mich überhaupt nicht leiden. Es blieb nur die Bettdecke, unter die ich lang vor Mitternacht kroch.
(Wer mich kennt, weiß: diese Uhrzeit bedeutet bei mir irgendeine Art von Ausnahmezustand.)

Heute nun begann mein Tag - woher oder warum auch immer - mit einem kleinen Hell und einer leisen Musik und einem vorsichtigen Ja.
Und obwohl ich sehr bald auf eine Aufgabe stieß, bei der ich merkte: Upps, das hätten wir besser noch wiederholt!, obwohl ich mich hier Stunde für Stunde durch die Berge durchwühlte, obwohl ich immer noch die Blumen nicht sehen konnte vom Schreibtisch aus, vermochte ich doch die Vögel zu hören. Ihre Lieder saßen mir auf jeder Mappe, auf jedem Schülerbogen. Wie gut das tat.
Wie gut es auch tat, mich selbst in die Musik zu versenken - am Klavier, im Chor.
Und wie gut, dass ich mir doch mal eine Runde Zeit für das Gartensein genommen habe. Ich wusste ja noch gar nicht von all diesem:















Es ist eben doch Frühling, ob ich will oder nicht :)

Mittwoch, 23. März 2011

Zwischenmenschliches

An ihrer Schule sei ein japanisches Kind angemeldet worden, erzählte mir die Lehrerin-Freundin gestern. Ein deutsch-japanisches, ein japanisch-deutsches. Vielleicht für zwei Wochen, vielleicht wird er bei Euch Abitur machen, habe die Mutter bei der Anmeldung gesagt. Eine Wohnung hätten sie, die habe sie über all die Jahre behalten, immer für den Heimaturlaub genutzt. Diesmal sei es kein Urlaub.
Die Zeile mit den Angaben des Vaters im Schulcomputer muss leer bleiben.
Später erzählt die Mutter der Klassenlehrerin: Sie bekomme keinen Kontakt zu ihrem Mann, nicht in der Firma, nicht per Telefon, nicht per Handy, nicht per Mail. Nein, es sei ganz sicher nichts passiert. Alle Nachbarn, alle Freunde seien erreichbar, dort sei "alles in Ordnung". Nur ihr Mann - der verweigere den Kontakt, lasse sich verleugnen. Weil sie das Land schmählich im Stich gelassen habe ...

Er wird wohl doch bei Euch Abitur machen, sagt sie dann. Und vielleicht wird die Zeile mit den Angaben des Vaters im Schulcomputer für immer leer bleiben müssen. Aber das ergänze nur ich in Gedanken.
Wie teuer diese Mutter Sicherheit und Gesundheit ihres Kindes bezahlen muss! Eine zwischenmenschliche Tragödie am Rande der großen ...

Dienstag, 22. März 2011

Diszipliniert-Zeit ...

... so könnte ich diese Tage nennen. Und ich habe noch nicht mal die Wahl - ich MUSS diszipliniert sein. Das macht es gleich viel einfacher für mich Ewigvormirherschieberin :)

Ich darf ja zu ihnen, den Schülern, und zu niemandem sonst etwas sagen über Güte und Erfolg und Qualität der Arbeiten, bis sie Ende Mai die Noten bekommen.
Aber eines darf ich doch verraten: Prächtig haben sie das gemacht - prächtig!!!
Zwei von neun Blöcken sind fertig - und ich platze hier fast vor Stolz ;-)

Zwischen den Korrekturen sind meine Tage quirlig: Kindergeburtstagsbesuche, Kinderkonzerte, Kinderchauffieren, Autobeschaffung, bisslabernurganzbisslHaushalt, undwardanichtnochmeinnormalerSchulalltag?
So sieht es aus hier, an dem großen Schreibtisch mit den vielen Mappen darauf.

Und während ich brav eine Zeile nach der anderen lese und auf Richtigkeit prüfe, spielt sich in meinem Kopf so manches ab. Es springen die Gedanken, es springen die Worte darin herum. Hätte ich Zeit, auch nur etwas davon niederzuschreiben, dann würdet Ihr hier vielleicht Texte finden ...
über das Busfahren und den Busfahrer,
über den Freund in solchen Zeiten,
über Pausen in der Musik (wink ;-)),
über Teekannen,
über das Schreiben als Selbsterlösung,
über ein Umsteigen in Würzburg,
über das Sattsein,
über lange Weilen,
über das Perfekte und das Vollkommene,
über um-zu's,
über die Mathematikerin in mir,
über Aufgaben - also: Auf-Gaben
...
Mein Gedankenstenogramm der letzten Tage. Und das war nur ein Auszug.
Stellt Euch vor, diese Texte würden alle geschrieben werden, und auch noch in wenigen Tagen - dann wäre mein Blog ja nicht mehr auszuhalten, umfangsmäßig.
Diszipliniert-Zeiten haben auch etwas Gutes ;-)

Sonntag, 20. März 2011

Stapel



Diesmal scheint er besonders hoch: pro Mappe geschätzte 8 bis 12 Bögen, etwa 20 und 30 beschriebene Seiten. Mal 25 Schüler. Uff - besser nicht ausrechnen.

Heute - nach Abarbeitung aller (aller!!!) anderen Oberstufenklausuren und Mittelstufentests und Elternbriefe und und und ... in den vergangenen Tagen - habe ich mich dem Stapel wie das Kaninchen der Schlange genähert.
Erster Akt: auf alle Bögen je zweimal die fünfstellige Schulkennziffer+Schülernummer schreiben. Hat ziemlich genau eine h-moll-Messe lang gedauert. Dass ich mich in den zwei Stunden nur bei einer einzigen Ziffer verschrieben habe, wundert mich.
Viel verblüffender aber, dass ich nach dieser nervraubenden Ouvertüre tatsächlich
noch elanvoll den ersten Aufgabenblock angegangen bin: einer von neun ist nun fast fertig.
Dass dies der weitaus kürzeste und am einfachsten zu korrigierende ist, das schiebe ich ganz schnell wieder aus meinen Gedanken. Ebenso die wetteronline-Voraussage, die mich ahnen lässt, wie viele Wunderfrühlingstage ich in den nächsten zwei Wochen noch stubenhockend verpassen werde :(

Der ähnlichseitenstarke Wälzer (780) daneben steht übrigens schon lange auf meiner Leseliste. Witziger Zufall, dass es mir ausgerechnet vorige Woche gelungen ist, ihn in der Stadtbücherei endlich-endlich zu ergattern. War aber wohl etwas voreilig, ihn nach Hause zu tragen. Werde ihn wohl ungelesen wieder zurückbringen müssen.
Ach ja, der Wälzer hat übrigens einen originellen Titel :)




PS.
Ja, Ihr seht - weil Ihr fragtet - ich bin längst wieder aus dem Urlaub zurück. Es umtoste mich nur so manches. Die Schuldinge waren da fast noch das Geringste.

Samstag, 5. März 2011

Abfahrt

Und während hier der Frühling erwacht, fahren wir zunächst dorthin.
(Für uns erwacht er dann eben später.)















In der Minute, in der das Post erscheint, steigen wir in den Zug.

Eine gute Woche Euch!

Freitag, 4. März 2011

Am Meer

Hier - zwischen Klausuren zum Korrigieren, Schulstapeln zum Aufräumen, Wäschebergen zum Zusammenlegen, Schreibtischablagen zum Sortieren, Taschen zum Packen - zwischen all dem sitze ich - und reise mal eben ans Meer. Das MUSS jetzt einfach sein.


Weil mir diese unglaubliche Weite immer den Atem verschlägt ...




Weil mich das Vorangehen und Zurückziehen der Wellen so manches lehrt ...




Weil mich die tosenden Kräfte immer wieder bannen ...






Und wie gehalten die Muscheln inmitten von diesem sind ...




Ein Wechselspiel zwischen Halt suchen und Halt geben ...






Die Bildersprache des Sandes ...






... und der Formen ...






Es weckt Fernweh ...




... bis heute klopft mein Herz ein wenig schneller, wenn ich einsteige (gerade wie bei einem kleinen Kind :)) ...




Und dann gibt es noch die Geborgenheit der Häfen ...






Hier verschmelzen Ferne und Nähe ...




Und die Spuren, in denen zu lesen ist, wie die Wege verlaufen ...




All den Spuren werde ich eine eigene hinzufügen ...




Ich liebe diese Wege.




Doch morgen geht es in die Berge.
Es gibt ja immer beides.

So. Geschafft.

Die Abiturvorbereitungsbücher stehen wieder im Regal, die tausend Materialien müssen noch aufgeräumt werden.
Ein letztes Mal habe ich sie heute Morgen gefordert, rechnen und begründen lassen, Taschenrechnertipps gegeben, auf Denkfehler hingewiesen, an effektive Lösungsmethoden erinnert.
Die letzte Aufgabe, die ich ihnen stellte, war eine einfache. Mit Bedacht: ihnen zu zeigen, dass es schon gut wird.
Die letzten Worte, die ich ihnen mit auf den Weg gab, waren etwa diese: dass ich ihnen (und auch mir) natürlich wünsche, dass die Noten gut werden. So gut wie eben möglich, wie sie sie sich vorgenommen haben. ABER: Dass sie bei aller Aufregung und Angst und vor allem bei möglichen Enttäuschungen, sollte eine Klausur nicht wie erhofft ausgehen, nie vergessen mögen - es ist nur eine Note. NUR eine Note - denn das Leben, das Wesentliche, das was am Ende wirklich zählt und trägt und den Lebensfaden bildet, das wird von dieser Note nur am Rande berührt, wenn überhaupt. Sie sollten also wenn möglich gelassen bleiben und bei allem Lerneifer in den nächsten Tagen immer auch daran denken: Es geht NUR um eine Note. Und nicht um ihr Leben.
Für manche stellte das wohl einen ganz neuen Aspekt dar. Viele verstanden. Sie klatschten.
Und dann gingen sie.

Einige von ihnen habe ich vier Jahre lang unterrichtet - genauso lange, wie ich an dieser Schule bin. Was sie in der Prüfung können werden - und was eben nicht - das habe zu wesentlichen Teilen ich ihnen vermittelt - oder eben nicht. Ich war ihre Klassenlehrerin, jetzt Tutorin, wir haben schwierige Klassensituationen gelöst, wir waren zusammen auf Klassenfahrt. Sie waren immer da in meinem Schulalltag. Mit vielen genügt ein Blickkontakt, und wir wissen dann schon. So viel gelacht habe ich noch nie mit einer Klasse. So gut gekannt habe ich auch noch keine anderen. Alles so vertraut. Sie sind ein bisschen "meine".
Unvorstellbar, dass sie bald nicht mehr da sind.
Eine ganz schön große Träne saß in meinem Augenwinkel, als ich vorhin meine letzten Worte sprach.

Das nächste Mal werde ich sie in 12 Tagen sehen. Ich werde einen Schokoladenglückskäfer auf ihren Platz gelegt und ein "Alles Gute und viel Erfolg" an die Tafel geschrieben haben. Dann werde ich den Raum verlassen müssen - Mathelehrer sind als Aufsicht nicht zugelassen. Vier Stunden später werden sie erschöpft aus dem Saal kommen und mir sagen, dass ich die falschen Wahlaufgaben genommen habe. Das sagen sie immer :)  Und ich werde einiges an ihren Gesichtern ablesen können. Den dicken Stapel gelber Mappen nach Hause tragen. Und dann sehen ...

Tage später werden sie wieder zum Unterricht kommen, für ihre letzten zwei Schulmonate. Ja, wir werden auch Mathematik betreiben, ein paar Wahlthemen. Ich weiß noch nicht welche. Wir werden uns viel unterhalten. Es wird kein Unterricht mehr wie bisher. Dieser letzte Rest Schule, nach dem Schriftlichen, das ist wie ein Anhängsel. Eigentlich ist es heute schon ein bisschen vorbei mit unserem gemeinsamen Lehrer-Schüler-Weg.
Meine Aufgabe besteht nur noch darin, ihr Abitur zu korrigieren und sie in diesen Prüfungszeiten moralisch und beratend zu unterstützen.
Im Juni dann ihnen die Zeugnisse zu überreichen.
Und zu guter Letzt ihre Einladung zum Abiball anzunehmen.
An jenem Abend wird die Träne in meinem Augenwinkel wohl noch ein bisschen dicker sein ...

Donnerstag, 3. März 2011

Kontrastprogramm

Preisträgerkonzert des Musikwettbewerbs, ein kleiner Saal einer Edelveranstaltungshalle hier in der Gegend.

Der große Saal und das Foyer sind anderweitig gebucht: eine Gartenmöbelmesse. Schrägschrill-teuer-pompöse Sessel, Hocker, Tische, Liegestühle, Accessoires, die die Welt nicht braucht. Absurd die Vorstellung, sich mit solchen Sitzungetümen den Garten zu verstellen.
Möbelunnützstücke, die zudem höchst unbequem sind. All die Kinder, die in der langen Vorlauf- und Einspielzeit des Konzerts darauf herumklettern, bekunden dies laut und befremdet. Offenherzig wie bei des Kaisers neuen Kleidern. Messeaufpasser, brustschildgekennzeichnet und einheitsgedresst, beargwöhnen die kletternden Kleinen und vertreiben sie schließlich, als erste Messegäste eintreffen. Diese sehen aus wie es die Preisschilder vermuten lassen - kaum ein Stück geht unter 4-stellig weg - und dürfen natürlich nicht mit echten, tobenden Kindern in Kontakt kommen, die noch dazu ungewollte Wahrheiten aussprechen.

Wir ziehen uns wieder in unseren kleinen Saal zurück. Hierher, wo man sich warmspielt, Klavierhocker hoch- und runterschraubt, Cellostühle ausrichtet, Geigensaiten stimmt, wo man aufgeregt zwischen Mama-Papa und Lehrer hin- und herläuft und zwischendurch schonmal einen verstohlenen Blick auf den langen Tisch mit den vielen Urkunden und Medaillen wirft. Hier sind wir richtig.

Wir erleben ein wunderbares Konzert: welch inniges Musizieren, welch Strahlen in den Augen, welch Aufgeregtheit, welch Stolz. Berechtigterweise - denn wie lange haben sie geübt, die hier heute spielen dürfen!

Die Preisgelder für alle jungen Musiker des riesigen Landkreises betragen übrigens 500 Euro. Für alle zusammen. Dafür bekommt man da draußen wahlweise einen Dreiviertelhocker oder einen Viertelliegestuhl. Oder eine Sechzehntelsitzgarnitur.
Nicht, dass ich es wichtig fände, Kinder für's Musizieren mit Geld zu belohnen. Nein, das nicht. Ich erwähne die Summe nur, weil der Kontrast so befremdlich ist: da draußen wechseln gerade vier- und fünfstellige Beträge den Besitzer. Einfach so. Für etwas, das man Luxus zu nennen pflegt.
Wieviele Musikwettbewerbe davon ausgerichtet werden könnten. Wieviel Unterricht für Kinder, deren Eltern sich den Musikschulbeitrag schlicht nicht leisten können. Oder wieviel Musik- oder Lese- oder Turn- oder Knobelaktivitäten in Kindergärten. Oder gesundes Frühstück für Kinder, die keines mitbekommen. Oder Sportvereine. Oder Hausaufgabenbetreuung. Oder ein paar gemütliche Sitzmöbel (nicht 4-stellig-preisig) für unsere Ganztagesschüler. Oder oder oder ... Ich hätte tausend Ideen, auf der Stelle.
Schwindlig machend, für was in diesem Land Geld vorhanden ist, und für was eben nicht. Wo das Geld steckt, und wo eben nicht. Traurig.

Als uns am Ausgang Papiertüten mit Werbeprospekten der Gartenmöbelfirma entgegengestreckt werden, halten wir unsere Kinder davon ab zuzugreifen. Bitte diese Bilder nicht auch noch im Kinderzimmer anschauen müssen :(

Mittwoch, 2. März 2011

Frühlingsklopfen ...

... da draußen vor den Fenstern - in mir will sich noch keines einstellen.

Vielleicht, weil wir uns in zwei Tagen auf den Weg machen ins schneeige Italien - und erst nach dem Winterurlaub bin ich innerlich frühlingsbereit. Auch wenn die Ferien so spät sind - ich bin eh keine Auf-die-Jahreszeiten-Warterin. Es ist immer, was es ist.

Oder vielleicht, weil ich noch so viele Nordseewinterbilder hier liegen habe - unsortiert. Also schnell ein paar davon hergezeigt - bevor ich nächste Woche neue mitbringe, und vor allem, bevor sie vor lauter Frühlingsgefühlen und -sehnsüchten sowieso niemand mehr sehen will.

Hier also ein paar Winterimpressionen, einfach so: