Sonntag, 31. Juli 2011

Strandgedanken

"Und dann, an irgendeinem Morgen der zweiten Woche, erwacht der Geist und ersteht zu neuem Leben. Nicht im Sinne der Stadt - nein - in der Art des Strandes. Er beginnt zu wandern, zu spielen, sich in lässigen Windungen zu überschlagen gleich den trägen Wellen, die auf den Sand rollen. Man weiß nie, was für zufällige Schätze jene spielerischen unbewußten Brecher auf den glatten, weißen Sand des Bewußtseins spülen werden; was für einen vollkommen gerundeten Stein, was für eine seltene Muschel sie vom Grund des Ozeans mitbringen. Vielleicht eine Wellhornschnecke, vielleicht eine Mondmuschel oder sogar eine Argonauta.
Aber man darf nicht danach suchen oder etwa gar danach graben! Nein, nur kein Schleifnetz über den Meeresgrund ziehen. Das würde unseren Zweck vereiteln. Das Meer belohnt jene nicht, die zu beflissen, zu gierig oder zu ungeduldig sind. Nach Schätzen zu graben beweist nicht nur Ungeduld und Gier, auch Mangel an Glauben. Geduld, Geduld, Geduld lehrt uns das Meer. Geduld und Glauben. Leer, offen und passiv wie der Strand sollten wir daliegen - das Geschenk des Meeres erwartend."
(Anne Morrow Lindbergh: Muscheln in meiner Hand)


























Bisher liege ich nur am Gedankenmeerstrand.
Morgen in einer Woche aber sind wir auf dem Weg ans echte Meer ...

Donnerstag, 28. Juli 2011

Sohnesweisheit

"Ferien sind die beste Erfindung der Welt. Aber nur weil es Schule gibt. Ohne Schule wären Ferien überhaupt nicht schön."

Mittwoch, 27. Juli 2011

Ferienbeginn

"Im Anfang beherrscht uns ausschließlich unser erschöpfter Körper. Wie an Bord eines Schiffes verfallen wir der Liegestuhl-Apathie. Gegen den eigenen Willen, gegen alle guten Vorsätze überwältigen uns die Ur-Rhythmen der Küste. Der Brecher auf dem Strand, der Wind in den Pinien, der träge Flügelschlag der Reiher über den Dünen lassen uns das hektische Pulsen der Städte und Vorstädte, der Fahrpläne und Terminkalender vergessen. Dem Zauber verfallen, dehnt sich entspannt der ruhende Körper. Man wird eins mit dem Element, auf dem man liegt, vom Meer hingestreckt; einsam, preisgegeben, leer wie der Strand, den die Flut von den Überresten des Gestern reingewaschen hat."
(Anne Morrow Lindbergh: Muscheln in meiner Hand)

Zwar befinde ich mich nicht am Meer, nicht am Strand, aber Liegestuhl-Apathie kann einen ja auch im heimischen Bett befallen. Zum Beispiel am Zeugnistagsnachmittag. Beherrscht vom erschöpften Körper - so fühlt es sich an, genau so.
Nach einem Morgen, der gehetzter und dichter kaum sein kann, mit allem, was zum Ausklang des Schuljahres noch ansteht. Und der bei uns an der Schule immer mündet in eine feierliche Verabschiedung von Pensionären, Referendaren, Nebenlehrern. Mit Sekt. Von dem ein Schlückchen ausreicht, mir - wie immer am Zeugnistag - den Rest zu geben.
So dass ich kaum noch das Eisessen überstehe, welches Tradition zum Sohneszeugnis ist. Mich nur nach einem Bett sehne, in welches ich am eher späteren Nachmittag dann endlich fallen darf. (Deswegen bin ich auch jetzt noch wach. Also: wieder wach :))

Ausräumen, Wegräumen, Aufräumen, Umräumen steht an in den nächsten Tagen - Schultasche, Schreibtisch, Haus, umfassendes Räumen.
Und Schuljahresvorbereitungen. Verrückt, dass ich mich jetzt schon drauf freue, auf das nächste Jahr? Am liebsten heute noch alle Absprachen, diverse Vorbereitungen getroffen hätte - aber ich meine mich aus den Vorjahren zu erinnern, dass dieser Eifer in den nächsten Tagen schon noch vergehen wird. Man muss eben in die Ferien erst hineinwachsen ...

Ich versuche das Hineinwachsen mal damit: Bilder vom Pfingsturlaub, aus Kühlungsborn an der Ostsee. Die habe ich noch gar nicht richtig angeschaut. Schaue und sortiere ein bisschen und finde die Erinnerung an das noch sehnsüchtig unerfüllte Fernweh des ersten Reisetages ...






... und an die verschiedenen Farben der Weite ...


















Die nehme ich nun mit in meine Traumwelten ... leer werden, wie der Strand ... Und dann sehen, was kommt ...

(Bilderfortsetzung folgt. Wenn das Ausräumen, Wegräumen, Aufräumen, Umräumen ... mich lässt. Bzw. wenn ich das Ausräumen, Wegräumen, Aufräumen, Umräumen zwischendurch mal lasse.)

Dienstag, 26. Juli 2011

Fotoshooting

Das ist so gar nicht meins. Überhaupt nicht.

Musste aber sein: eine Fotowand mit allen Lehrergesichtern soll in der Schule aufgestellt werden. Ein Profifotograf seit Wochen schon am Werk. Alle Fotos, die ich sah - ob von Schülern oder Kollegen - waren wunderbar gelungen.
Und dennoch drückte ich mich. Bis heute, bis zum letzten Tag. (Leise Hoffnung: vielleicht wird das Projekt ja abgeblasen. Wurde es nicht.) Ich machte mich auf in den hinteren Hof. Ein Pulk Kollegen kam mir entgegen, sie hatten es gerade hinter sich. Entweder man sah mir alles an, oder es waren auch solche auf-den-letzten-Tag-Schieber, die meine Lage kannten: "Es tut auch gar nicht weh", rief mir einer zu :)

Glücklicherweise stand hinter mir niemand mehr in der Schlange, war ich unbeobachtet.
Glücklicherweise war die Grundschulpause gerade zu Ende, so dass nicht auch noch mein Sohn mit versammelten Mitschülern zusah.
Und glücklicherweise musste der Blitz noch eine Weile aufladen. So dass ich mit dem Fotografen ins Gespräch kam. Darüber, wie ich mich fühle bei "so etwas". Wie schrecklich das für mich ist. In ein fiktives Gegenüber zu lächeln, oder eben nicht zu lächeln, oder nicht zu sehr zu lächeln, oder nicht zu wenig. Und überhaupt: wie man das macht - sein Gesicht zur (Foto)Schau zu stellen. Darüber redeten wir.

Und dann war der Blitz bereit.
Was soll ich sagen: Es tat gar nicht weh :)
Entweder hatte ich ihn ausreichend für meine Seelenverknitterung sensibilisiert, oder er ist einfach so gut. Gab klare Anweisungen, was Blickrichtung, Körperhaltung, Kopfneigung angeht, und ansonsten plauderte er mit mir. Drückte etwa zwanzig mal auf den Auslöser - das war's. Ob ich sehen wolle, und aussuchen?
"Nein, suchen Sie aus, ich vertraue Ihnen."

Es tat wirklich nicht weh. Und wenn die Bilder so gut geworden sind wie von allen, wirklich allen! anderen Kollegen, dann war das meine erste positive Fotografiertwerdenerfahrung im Leben :)

Ebbefließen

Die Erschöpfung des Schuljahresendes macht sich breit und breit.
(Kann man von Ebbe überflutet werden?)

Sonntag, 24. Juli 2011

Nichtbegegnungen

Es gibt Tage, da falle ich von einer in die nächste.

**
Ich sehe sie, die Tränen im Auge der Frau. Genau jetzt müssten wir weitersprechen, genau jetzt wollte auch ich meine Tränen und noch viel mehr teilen. Genau jetzt aber drängt der nächste Termin. Wir gehen auseinander, kaum dass die Begegnung begonnen hat. Sie ist nicht fortzusetzen, beim nächsten Mal.
*
Es gäbe zu sagen und zu fragen noch und noch, das Gegenüber wartet auf den Anruf, ich weiß das, und greife doch nicht zum Telefon. Schiebe es mit einem „nicht jetzt“ auf. Drücke mich.
*
Aneinandergereihte Worte in einer Mail, die ich lese. Ich baue eine ähnliche Wortkette und sende sie ab – das Eigentliche bleibt ungesagt. Das steht zwischen den Zeilen, aber mittlerweile so gut versteckt, dass es nicht mehr aufzufinden ist. Eine unausgesprochene Vereinbarung zwischen uns.
*
Der Text, den ich in eine unbekannte Menge hineinschreibe – ich zeige mich nicht. Es ist nicht ich, die da schreibt. Soll es auch nicht, das habe ich ja vorher gewusst und mich einverstanden erklärt.
*
Fühle mich in der großen Menge überfordert, bin nicht mehr bei mir. Und so verlassen Worte meinen Mund, die ich nie nie nie sagen wollte. Die den Moment zerstören und spätere Begegnung verhindern. Die vielleicht nie mehr auszulöschen sind.
*
Alltagsgeplaudere, Smalltalk, an einem ganz normalen (Arbeits)Tag - so wie man das eben macht. Ganz normal, nicht mal kaltherzig. Aber doch stündlich, minütlich an der echten Begegnung vorbeigeredet.
*
Plötzlich stehen wir uns auf dem Schulflur gegenüber. Welcher wahrlich nicht der Ort für Begegnungen ist. Die Augen sprechen eine andere Sprache, aber die Münder plaudern belanglos. Anders geht es hier nicht – das tut uns weh. Aber wir schaffen es nicht an diesem Ort.
*
Erschöpfung und Überforderung. Meine Augen gehen ihren eigenen Weg und ziehen sich aus dem Blickkontakt zurück. Ich schaue nicht mehr wirklich in die Klasse, in die Gesichter, nur noch scheinbar. Mit dieser Technik: einen Punkt kurz oberhalb der Schüler in der letzten Reihe fixieren. Ich treffe niemanden mehr mit meinen Blicken. Mir entgeht: alles. Ich bin eigentlich gar nicht mehr hier.
**

So vielfältige Gründe für Nichtbegegnung. Es gibt Tage, da reiht sich einer an den anderen. Da umschiffe ich jeden wirklichen Kontakt, da bleibe ich wie auf einer Insel gefangen. Wenn ich dann am Abend den Geschmack des Tages auf der Zunge schmecken möchte, fühlt es sich wie Luft an, oder wie zerfallener Staub, oder wie geschmackloser Brei. Mich lassen solche Tage seltsam leer zurück.

Ich frage mich, was mit solchen Tagen später in meiner großen Tagessammelkiste geschehen wird. Bekommen sie einen Aufkleber „Scheintage“? Oder nenne ich sie besser "Leere Tage", "Ungelebte Tage", "Nichtgewesene Tage", "Einsame Tage"?
Oder ist mein Regal mit den Reichbegegnungstagen ohnehin schon zu sehr gefüllt, ist dort kein Raum mehr, so dass es solche Tage braucht? Brauche ICH solche Tage, weil … hm … ja, weil Begegnung immer auch erschöpfend ist? Nichtbegegnung als Erholungsphase?
Sind wir vielleicht – mehr als ich im Moment verstehe – ein Stück weit wie diese Schiffe, bei denen das Aneinandervorbeifahren, das Nichtbegegnen seinen guten Sinn hat?






(Oder bin nur ich so ... ?)

Samstag, 23. Juli 2011

Wortwesensfragen

Seit kurzem habe ich einen minikleinen Laptop. Ein Netbook, wie das heißt. (Der fand zu mir wegen der Bewerbung, das nur am Rande. Von deren Ausgang ich übrigens immer noch nichts gehört habe. Das Schulamt schulamtet vor sich hin ...) Den kann ich mitnehmen wohin ich will, in den Garten, zum Korrigieren, in die Schule, ins Bett, auf den Tagesausflug. Ich mache das nicht immer, aber wenn, dann bemerke ich etwas:
Dann fliegen mir unzählige Worte zu. Die kann ich eintippen, kann sie festhalten - was ich oft tue in solchen Momenten. Stunden oder auch nur Minuten später könnte ich das nicht mehr. Dann wären die Worte nämlich wieder weg. Richtig weg: nicht mehr abrufbar. Auch nicht in der Ruhe des Abends. So aber, mit meiner kleinen Schreibmaschine, werden sie festgezurrt im Universum des Lesbaren, des Mitgeteilten. Strömen in Mails, ins Blog, in irgendein Dokumentenverzeichnis, was bei mir eine Art modernes Durcheinander-Tagebuch ist. Werden gelesen - von mir selbst, von Euch, von anderen. Wandern weiter, fließen in Gedankenwelten ein, in andere Texte, in Ideennetze, und viele auch einfach nur in riesige Vergessenstruhen.

Nun also: Wenn doch Worte zu mir kommen und genauso schnell wieder gehen – hielte ich sie nicht tippend fest, wären sie für immer „verloren“ - frage ich mich:
Was sind diese Worte eigentlich?
Wahrheitsfünkchen? Hinge Wahrheitsfindung dann von einem kleinen Netzbuch ab?
Ahnungen des Wesentlichen? Wäre das Leben ohne Stromversorgung denn unwesentlicher?
Kommunikationströpfchen? Der Dialog von einem kleinen Technikteil abhängig?
Selbstausdrucksventil? Ein Selbstgespräch, schweigend oder redend, tut es doch auch.
Verhüllungen des Unsagbaren? Wozu dann überhaupt solche Sagebemühungen?
Was also?

Ein kleines Gerät, solche Fragen aufwerfend ...
Nein, es ist ja gar nicht das Gerät. Gleiche Fragen stelle ich mir, wenn Füller und Tagebuch bei mir sind. Bzw. eben nicht bei mir sind.
Oder auch nur ein gut trainiertes Gedächtnis, in dem Worte eingebrannt bleiben, oder spurlos wieder verschwinden.
Was hängt von den Worten und ihrem Bleiben ab?
Was wäre ohne Worte, ohne ihre Fixierung?

Auf einer ganz subjektiven Ebene: Ohne Schreiben geht es mir - meist - nicht gut, ohne Lesen auch nicht. Worte müssen mehr sein als nur Hülsen für Unsagbares.
Doch ich weiß es nicht. Keine Antwort für heute. Nur Fragezeichen.
Der Eindruck, dass große Wirrnis in mir ist. Und in diesem Text.
Erst recht, wenn ich mich an ein vergangenes Wortsuche-Post und seinen kleinen Kommentardialog erinnere, dort nachlese:
... verdecken oder auch aufdecken, es mir selbst unsichtbar machen oder auch es ans Licht holen, mein Werden verlangsamen oder auch beschleunigen, das können Worte.
Aber können sie daseinsschaffend oder -vernichtend sein???


Wer weiß schon, wie das mit den Worten ist? Ein Leben ohne Worte haben wir nicht, hatten wir nie, kennen wir nicht, können wir uns nicht vorstellen ...

***

Und als dieser Text eigentlich schon geschrieben, nur noch nicht veröffentlichungsreif war, stieß ich im Worte-Universum auf den Herrn von Kleist, der vielleicht ein Antwortquäntchen schenkt:
Wir werden uns in diesem unruhigen Leben so selten unserer bewusst – die Gedanken und die Empfindungen verhallen wie ein Flötenton im Orkane – so manche Erfahrung geht ungenutzt verloren – das alles kann ein Tagebuch verhüten.
(Gefunden bei Frau Wildgans.)

Ich lasse das mal weiter durch mich wehen ...

Mittwoch, 20. Juli 2011

Fundgrube

Ein Seminar, Lehrerfortbildung, es geht um soziales Lernen während der Pubertät. Es geht darum, wie wir den Prozess des Reifens begleiten können. Sehr fordernd, sehr ins Innere gehend, sehr stark uns selbst betreffend erlebe ich die Tage.
Am zweiten Abend steht auf dem Programm: Fundgrube. Man bringe einen Gegenstand oder eine Geschichte mit aus der eigenen Jugendzeit, etwas Bedeutungsvolles.
Ich weiß nicht, wie ich mir das vorstellen soll. Fremde Menschen, noch wenig Vertrautheit in der Gruppe, und sowieso finde ich in meinem Haus kaum einen Gegenstand von damals. Stecke zögerlich drei Briefe ein, aus einem sehr bedeutsamen Stapel. Jedoch schon entschlossen, die zugehörige Geschichte sowieso nicht zu erzählen.

Und dann sitzen wir da in der Runde, jeder hält ein Etwas in der Hand. Unbeholfenes Schweigen. Der Seminarleiter beginnt, erzählt vom Pfadfinderlager, von sternklaren Nächten und dem Naturerleben eines Zwölfjährigen. Jemand anderes erzählt von der Seelenfreundin, der bis heute einzigen. Jemand vom Basketball, dem Verein, der Mannschaft, dem starken Gruppengefühl. Vom Klarinettenspiel, dem Saxophon, dem unbändigen Willen, unbedingt in die Big Band aufgenommen zu werden. Von versessener Computerbastelei, so dass über Jahre das ganze Taschengeld dabei draufging. Vom Mofa, der ungeheuren Wichtigkeit des Führerscheins, da dies die Unabhängigkeit bedeutete. Vom ersten Freund. Von der ersten LP, dem ersten Rockkonzert. Von einer ersten Begegnung mit dem Tod. ... Es wird immer stiller. Immer gebannter. Immer häufiger verstohlenes Tränenwegwischen, leises Taschentuchrascheln. Immer leiser die Erzählstimmen, immer gefesselter der Blick auf den anderen. Und immer stärker die Ahnung, dass sie alle eigentlich von mir erzählen. Verbindendes Verstehen. Zurückversetzt in die Intensität dieser Jahre: Gefühlskraft, Willensexplosivität, Intensivstleidenschaften. Und viel Schmerz. In allen Erzählungen sitzen die Tränen nicht weit.

Irgendwann erzähle auch ich. (Etwas, das ich hier nicht teilen möchte.)

Irgendwann haben alle etwas erzählt. Niemand, der sich nicht traute. Denn plötzlich sind wir so nah, als kennen wir uns schon lange. Und ich glaube, ich werde keine einzige dieser Geschichten vergessen. Weil jede einzelne mir den Blick in ein gesamtes Leben geschenkt hat.

Als die letzte Erzählstimme verhallt, schweigen wir. Es gibt nichts mehr zu sagen.
Es ist Abend, wir gehen auseinander.
Und nehmen eine Ahnung mit. Eine Ahnung davon, dass es diese Zeit war, die uns seither durchs Leben getragen hat, die weiter tragen wird. Die uns geprägt hat, in der wir uns geformt haben wie niemals vorher und niemals nachher. Es ist, als hätten wir alle - in je anderer Ausprägung - das Gleiche erlebt. Dieses Erleben ist uns unglaublich nah, ganz gleich, ob wir 30 oder 60 Jahre alt sind. Weil aus dieser Zeit unzerreißbare Fäden ins "Erwachsenen"alter hineingewoben sind.

Noch nie zuvor habe ich so viel verstanden von der Pubertät.
Schon wegen dieser Fundgrubenstunde hat sich die Fortbildung gelohnt.
(Sonst war sie übrigens auch sehr gut.)


Als ich am nächsten Morgen auf meinen schlafenden Sohn blicke, auf das Noch-Kind, spüre ich zum ersten Mal vorfreudige Erwartung, ihn durch die sich nähernde Reifezeit begleiten zu dürfen. Vielleicht ist das, aus der Überwältigung des Augenblicks heraus, etwas naiv gesehen. Sicherlich wird es schwierig werden, sehr. Aber ich möchte diese Fundgrubenstunde immer in der Tiefe mit mir tragen, wenn demnächst bei uns die Türen knallen und die Fetzen fliegen. Ich hoffe, ich vergesse mein Erleben dann nicht ...
(Und vielleicht habe ich das alles genau deswegen aufgeschrieben.)

Dienstag, 19. Juli 2011

Upps - nun auch ich

"Och nöö, wie öde", dachte ich, als vor Wochen die Lehrerblogs aller anderen Bundesländer und der sonstigen nördlichen Hemisphäre vom Wett- und Kampf- und Marathonkorrigieren und nichts als dem Wett- und Kampf- und Marathonkorrigieren zu berichten wussten. "Das will doch  niemand lesen, das wissen wir doch, das ist doch immer das gleiche, damit braucht Ihr nicht anzugeben, da müssen wir alle durch ..."
So und noch ein bisschen genervter dachte es in mir vor ein paar Wochen.

Doch eben ertappe ich mich, wie sich im Kopf ein Textchen formt, was heute doch für ein schrecklicher Tag gewesen sei, bis acht Uhr in der Schule, 120 Noten, oder eigentlich mal drei genommen (wegen Verhalten und Mitarbeit), und lauter so rekord-erschreckliche Zahlen. Ein kleines zartes Korrigierschuljahresendkonferenzjammerpost also. Na, das lasse ich mal schön bleiben. Zumal es sowieso das drölfzigste seiner Art wäre, für dieses Quartal. Neee neee, das will nun wirklich niemand lesen.

Aber es lag mir auf der Zunge - ähm auf den Tasten. Und deswegen überkommt mich umgehend ein schlechtes Gewissen gegenüber all den Kollegen, denen ich vor Wochen so genervt zugelesen habe (entschuldig mich gen Norden, entschuldig mich gen Süden, hiermit).

Überlege, warum wir wohl das Bedürfnis haben, uns in diesen unerquicklichen Zeiten so ausdauernd aus dem Korrektursumpf mitzuteilen. Vermutlich, weil es nichts Öderes, Hirnzukleisternderes, Geistauspustenderes, Nervleersaugenderes gibt als die Dauerkorrigiererei. So dass ein elementares Bedürfnis erwacht, einfach ein bisschen Kontakt mit der Welt aufzunehmen. So wie die Gänse vom Herrn Lorenz: "Piep, hier bin ich mal wieder. - Und wo bist Du?"

Ja, so muss das sein. So erkläre ich das jetzt jedenfalls vor mir selbst. Und vor Euch. Die Ihr nun beruhigt sein könnt, dass das mein letzter Eintrag im Dunstkreis des Korrigierthemas für dieses Schuljahr war. Versprochen. Lorenzgänsigkeit ist hier erst im nächsten Schuljahr wieder zu lesen.

Dafür noch eine kleine Anekdote aus der heutigen Konferenz. Kollegin hat Tochter dabei, fünfjährig. Tochter sitzt brav dabei, hört sich unsere Gerede ne Weile an. Zwanzig Minuten etwa reicht ihre Geduld. Dann flüstert sie ihrer Mutter ins Ohr: "Es stimmt nicht, was Du gesagt hast. Ihr arbeitet ja gar nicht. Ihr sitzt hier einfach nur!!!"
Und wieder ist das Bild des faulen Lehrers in der Gesellschaft ein wenig besser verankert ;-)

Die Cellotochter

Die Tochter kommt vom Unterricht:
"Der Herr R. hat mir ein Befohlium mitgegeben."
"Ein was?"
"Ein Be-foh-lium. Aber das ist schon fast alle. Nächstes Mal gibt er mir dann ein neues Stück."
"Ach so, ich verstehe. Aber Tochter, das heißt nicht 'Befohlium", das heißt 'Empfohlium'."
"Hä?"
"'Emp-foh-lium."
"???"
"Na, er hat Dir sicher nur empfohlen, nicht befohlen, das draufzumachen ..."
Mit diesem Sprachspiel überfordere ich die Tochter wohl leicht. Aber ein paar Tage später kann sie das Wort Kolophonium perfekt aussprechen.

***

Eine Tonleiter soll geübt werden, auswendig. Sie versteht, dass da eine Struktur innewohnt, und greift - deswegen? - ganz systematisch einen Finger nach dem anderen: 0-1-2-3-4.
"1-3-4", rufe ich vom Bügelbrett aus, "nicht 1-2-3-4".
"Waaaas?"
"Ja, 1-3-4. Ohne die 2."
(empört) "1-3-4??? So zählt doch kein Mensch!" :)
(Tochter, ich kann doch auch nichts dafür. So ist das nunmal in der abendländischen Dur-Moll-Tonalität.)

***

"Mama, der Herr R. wackelt immer so beim Spielen." Und fuchtelt wild mit der linken Hand vor meinem Gesicht herum.
"Waaaas? Der wackelt? Beim Spielen?"
"Ja, beim Spielen. Die ganze Zeit."
"Echt? Macht der das mit Absicht oder aus Versehen?"
"Aus Versehen, glaub ich."
"Und wie sieht das aus?"
Sie versucht sich dran, aber statt der linken Hand zittert sie immerfort mit dem Bogen auf den Saiten herum, stellt fest, dass das gar nicht geht - nur mit links wackeln.
Gerade ist sie zum Cellounterricht los. Mit dem Auftrag von mir, der Sache doch mal nachzugehen. Also zu fragen, ob er nun mit Absicht oder aus Versehen wackelt, der Cellolehrer. Und was das denn soll.
Bin gespannt, mit welcher Antwort sie zurückkommt. Ganz sicher kann der Herr R. das mit dem Vibrato besser erklären als ich. Ich hab's gar nicht erst versucht. Soll sie sich die Cellowelt ruhig selbst erobern. Und mir das Vergnügen lassen, sie beim Entdecken zu beobachten ...

Dienstag, 12. Juli 2011

Das kleine Glück

Beim Korrigieren eine Sonnenbrille brauchen. Ab und an mit der Hand den Blütenstaub von den Arbeiten wischen. Sich im Schilf- und Bambusrauschen verlieren. Mit tanzenden Blattschattenmustern auf dem weißen Papier mitschwingen. Amselbesuch beobachten. Immer wieder den Blick in sonnenglitzernden Spinnweben ablegen.
Atmen. Einfach nur atmen.
Das ist es schon.

Äh ... ja?

Aus einer Klassenarbeit:
"Mit einem Elektroskop kann nachgewiesen werden, ob ein Körper positiv oder negativ geladen ist.
Man kann aber nicht nachweisen, ob er positiv oder negativ geladen ist."

Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen :)

ein letzter

Fast schon beschwingt setze ich mich nun an den letzten Stapel dieses Schuljahres. Nein, Korrigieren euphorisiert nicht, wirklich nicht. Dennoch: ich kann mich kaum bremsen :)

Montag, 11. Juli 2011

Zuhörkeime

Ich kann nicht gut von meinem Sein erzählen, es gar argumentativ verteidigen.
Neulich, im Lehrerzimmergespräch.

"Wie möchtest Du alt werden?", hatte mich eine gefragt.
Einwände, von allen Seiten, mit allen Stimmen gesprochen, als ich noch gar nicht begonnen hatte - man muss sich doch um das und das sorgen - und: wo bekommt man denn dann noch Beglückungsmomente her - und: in bestimmten Dingen ist man einfach Zwängen unterworfen - bringt mich zu einem zögerlichen: Also, für mich ist das so und so ...
Wieder Einwände.
Und ich verstumme.

Dabei fühle ich mich innerlich so sorgenarm, so beglückungsmomentenreich, so frei wie selten. Und weiß, dass das trägt. Auch für länger, auch für später. Doch mein Zarterzählen lasse ich mir von den anderen immer sogleich wieder zerplatzen.
Und so bin ich in solchen Gesprächen zumeist schweigsam. Innerlich ruhig und ahnend, dass es keine Seifenblasen sind, von denen ich zu erzählen hätte. Aber die Worte bleiben in mir versteckt.

Jedoch:
Oft bedanken sich die anderen hinterher für mein Zuhören.
Vielleicht ist das ja der einzige Weg, wie ich von meinem Sein erzählen kann?
Sageworte zur Überzeugung finden - geht nicht.
Mein So-Sein austeilen - geht nicht.
Es von außen in jemanden hineintragen - geht nicht.

Allein das Zuhören ist vielleicht der Keim, aus dem heraus es wächst. Wachsen kann.
Was?
ES eben.

Sonntag, 10. Juli 2011

Samstag

Ein bisschen länger als sonst schlafen, Morgenstille im Haus, barfuß in den Garten, mit dem ersten Kaffee in den Sessel, später auf die Terrasse setzen, ein Buch, endlich wieder ein Buch. (Also: ein Nichtschulbuch.)
Darüber fast vergessen, dass wir ja einen Termin haben - und was für einen! Schnell, nun doch in unsamstäglicher Eile, frühstücken, anziehen, alles zusammenpacken, Abflug mit Cello und aufgeregter Tochter. "Ich freu mich so", flüstert sie mir ins Ohr, als wir im Zimmer des Cellolehrers auf die letzte Probe warten. Und kurz darauf setzt sie sich mit ihren Ein-Meter-sechs Länge und ihrem Minicello mitten in den Saal, wartet die Vorspieltakte des Bruders ab und spielt los. Grinst dabei an den Noten vorbei in meine Richtung und scheint sich des Lebens zu freuen, beim ersten Konzertchen ihres Lebens. (Dass diese erste vorgespielte Melodie ausgerechnet "Russisches Lied" - O-Ton Tochter: "Russiges Lied" - heißt und in Moll ist, freut mich dabei ganz besonders.) Nimmt ihren Beifall strahlend in Empfang und erinnert sich nach dessen Ende, dass sie sich  ja verbeugen wollte. Tut das dann, und alle lachen und klatschen noch ein bisschen :)
Später durch die Musikschule schlendern, am Tag der offenen Tür. Die Kinder zupfen und blasen und drücken an Oboe, Gitarre, Horn, Keyboard, Akkordeon herum, freuen sich, sind glücklich und bekommen genug Ideen, was man im Laufe des Lebens (oder am besten gleich morgen ;-)) noch alles so lernen könnte.
Zu Hause kurze Gedanken in Richtung Schulschreibtisch, und dann doch lieber wieder das Buch nehmen, den Garten, die Sonne, die Pflanzen besuchen, die Augen schließen, barfuß im Gras laufen.
Abends Besuch, unsere Klavierlehrerin. Musik tönt durchs Haus, und ein Sektkorken, und das Klappern von Messern und Gabeln.
Früh ins Bett. Müde und glücklich.

Ein Samstag, wie ein Samstag schon lange nicht mehr war. Ein Tag ohne Korrekturen, Umräumen, Seminarvorbereitungen, Schul-Emails. Einfach Samstag eben. Ich wusste gar nicht mehr, wie das ist. Ging aber trotzdem gut :) Und könnte so bleiben. Wenn da nicht immer noch 57 Klassenarbeiten lägen. Also heute wieder: kein richtiger Sonntag. Oder eben: Schuljahresendlehrersonntag. 57. Nicht sehen, wie groß diese Zahl ist, sondern nur: Vor einer Woche waren's noch 120. Dafür klingt doch 57 schon ganz gut. Weiter also ... das Elektroskop und seine Wirkungsweise ... das Energieproblem ... wie viele Ladungsträger ... wie kann man mit einer Stricknadel und einem Magneten ... und wie kommt die Energie von Deinem Joghurt in Dein Fahrradlicht? Die Themen meines Sonntags ...

Donnerstag, 7. Juli 2011

Tochterweisheit

"Hej", sage ich zu ihr, als sie mich im Spiel "freche Mama" nennt.
"Besser 'freche Mama' als 'doofe Mama'", entgegnet sie.
Besser frech als doof. Wo sie recht hat, hat sie recht ;-)

Mittwoch, 6. Juli 2011

Mittwochsgespräch

"Der Mittwoch ist so doof, ich mag den Mittwoch nicht", beginnt der Sohn seinen Tag.
"Oh, das ist ja wie bei mir, da ist der Mittwoch auch nicht so leicht."
"Man - ich will, dass heute gleich Donnerstag ist", schimpft er schlechtgelaunt.
"Hm", spinne ich vor mich hin, "dann lass uns doch immer direkt vom Dienstag in den Donnerstag springen. Wir lassen einfach den Mittwoch aus."
"Au ja, Donnerstag ist mein Lieblingstag. Heute soll gleich Donnerstag sein."
Und kurz später, beim gedankenverlorenen Kauen: "Dann müssen wir aber immer zwei Donnerstage hintereinander machen, damit wir den anderen Menschen nicht voraus sind."
"Ok, so machen wir's: nach dem Dienstag kommen zwei Donnerstage. Heute ist also Donnerstag."
Wir grinsen beide vor uns hin, und der Mittwoch sieht schon nicht mehr ganz so mittwochig aus.

Und gerade komme ich heim, von meinem Mittwochsdonnerstag. Finde einen blendendgelaunten Sohn vor.
Na bitte, geht doch - einfach mal den Mittwoch ein bisschen donnerstäglicher sehen :)

Millimeterfortschritt

So.
(Null Uhr fuffzich.)
Der Stapel wandert in die Tasche.
Jetzt sind's noch 90 mal Physik.

Dieses Jahr gewinne ich die rote Laterne beim schulinternen Schuljahresendwettkorrigieren.
Und wenn ich mich hier unmotiviert und krumm über meinem Korrekturschreibtisch hängen sehe, gibt's auch noch die schlechteste B-Note dazu.

Dienstag, 5. Juli 2011

Gefühl des Tages

Wenn ein Kind beim Laufenlernen erstmals die haltende Hand loslässt, muss sich das ganz schön unheimlich anfühlen. Auch Stolz, auch Neugierde, aber vor allem: Unheimlichkeit.
Mir ist es noch nicht ganz geheuer ...

Montag, 4. Juli 2011

Von leichten Zweifeln ...

Derzeit setze ich mich mit jedem meiner 12t-Klässler zusammen. Rückschau aufs erste, Vorausblick ins zweite Jahr der Kursstufe. Um zu ertasten, an welchen Stellen der schulische Weg besonders zu begleiten, zu ebnen, zuweilen zu korrigieren wäre. Zehn der Gespräche sind um.
Uiuiui - eine solche Mannigfaltigkeit an Bedürfnissen, an Vorstellungen, Sehnsüchten, Sichtweisen, Zugängen ...
Nicht, dass ich das nicht vorher gewusst hätte. Aber es so komprimiert an wenigen Tagen in intensiven Gesprächen vor Augen geführt zu bekommen - da stellen sich leichte Zweifel ein: wie Schule überhaupt funktionieren soll? Also "funktionieren" im wünschenswerten Sinne: zugewendet, individuell, eingehend, wahrnehmend, respektvoll all dieser Mannigfaltigkeit gegenüber, die mir täglich in 30er-Haufen gebündelt gegenüber sitzt.
Lieber nicht drüber nachdenken.
Oder gerade doch drüber nachdenken!

***

Am Nachmittag ein Lehrerzimmergespräch. Über Burnout, und welche Symptome unzweideutig sind, und ob wir davon in uns wahrnehmen, jetzt kurz vor den Ferien, und wie nahe wir uns der Erschöpfung fühlen, und wie es sein könne, dass man als junger kinderloser Mensch nicht mal eine volle Stelle schafft, und dass man als Mann doch nicht einfach mal so zur Kur fahren darf, und wer denn bestimmt, ob man ("Mann") schon krank ist oder noch gesund, und ob man wohl ohne Schlaganfall und Herzinfarkt bis zur Pension kommt, und wie die Berge unseres Alltagsgeschäfts eigentlich anzugehen seien, heute, und diese Woche, und die bis zur Konferenz, und die vor den Ferien, und das ein (Berufs)Leben lang.
Noch so leichte Zweifel ...


Ein Happy End des Textes fällt mir nicht ein. Diese Kollegengespräche gehen mir an die Nieren. Auch wenn es derzeit überhaupt gar nicht um meine Müdigkeit geht. Wie ein Stehaufmännchen stehe ich neben all diesen Erschöpften. Aber das macht meinen Blick darauf umso bewusster, umso schmerzhafter.

Ich bin dann mal wieder korrigieren.

Samstag, 2. Juli 2011

Gestern

Der eine wird 85. Lädt ein, und lässt sich feiern. Mit Musik, geladenen Gästen, an offiziellem Ort. Reden werden gehalten, Urkunden überreicht, Präsente gewidmet, Gutmenschtum gepriesen, man möchte fast sagen: beweihräuchert. Selbstschauanteil: "Ich bereue nichts. Alles würde ich wieder ganz genauso machen."
Zweifellos: er hat gewirkt, sein Wirken hat geprägt, und vor allem finanziert. (Auch unseren Kindern kommt es zugute.)
Zweifellos aber auch: es ist so nähelos, so unherzlich, so nichtempathisch hier auf dieser Feier. Der Mensch hinter Krawatte und Präsenten versteckt. Von seinen fünf Kindern ist keines gekommen. Unsichtbare Geschichten im Hintergrund. Im Vordergrund spielt laute Musik. Und es klingen die Gläser.

Der andere, viel jünger, vollendet an diesem Tag seinen Lebenskreis. Viel leiser. Ein solches Selbstdarstellungspodium, solche Reden wären seine Sache nicht gewesen, Urkunden schon gar nicht.
Er hat im schlichten Sein gewirkt, mit Worten und Gedanken und Lebenslust und Ernsthaftigkeit und Menschenliebe und Verschmitztheit und Schreibfreude und tiefstem Respekt vor dem Leben. All das teilte er aus, an die, die zuhören wollten. So wirkte er, dieser feine Mensch. Aus der weiten Ferne bis in mich hinein.

Gestern - da zerreißt es mich fast.
Ich sitze in dem lauten Saal, und bin doch dem leisen Abschied in mir viel näher. So fragwürdig das Marionettenhafte auf der Bühne. So intensiv das Echo des Stillen in mir.
Vielleicht braucht es beide Pole auf dieser Welt.
Das Grelle und das Pastellfarbene.
Die Selbstdarstellung und die Demut.
Das Herausgehen und das Hineinschauen.
Das Gläserklingen und die Innigkeit.
Den Schein und den Kern.
Das Laute und das Leise.
Ganz sicher braucht es beides.
Nur gestern, da war mir das eine so viel näher als das andere.

Danke, E., für alles.
Leb wohl.
(Oder kann man das so nicht mehr sagen ...?)

Freitag, 1. Juli 2011

Wieder da ...

... ein paar Tage schon.
Klar, die Ferien sind ja auch vorbei. Während andernorts die Sommerferien beginnen, fangen wir erstmal wieder mit der Schule an.

Es war ein seltsamer Urlaub, mit dem Laptop im Gepäck und der Bewerbungsprüfung im Nacken. Es war nicht ganz so urlaubig wie sonst. Man kann den Gedanken an eine solche Prüfung, an eine zu haltende Seminarsitzung, nicht einfach wegschieben. Selbst an Tagen, an denen ich die Bücher nicht aufgeschlagen habe, war sie immer mit dabei.

Und dennoch war ich lang nicht fertig, bei meiner Rückkehr. Waren die Stunden bis zum Dienstag noch randvoll gefüllt. Zu randvoll. Fast wäre es übergeschwappt. Einen Teil habe ich weggelassen, nicht geschafft noch auszuarbeiten. Der andere Teil war zu lang, nicht geschafft noch zu kürzen.
Statt dessen versucht mich auf das Bewerbungsgespräch vorzubereiten. Es sollte um "Fragen der Didaktik, der Lehrerausbildung, der Bildungspolitik" gehen. Na wenn's weiter nichts ist, dachte ich mir. Und lernte am letzten Abend wenigstens noch den Namen unserer neuen Kultusministerin auswendig :)

Seit Dienstag ist es also vorbei. Es war wie es war. Irgendwann werde ich mehr wissen. ("Wenn Sie nach den Sommerferien noch nichts gehört haben sollten von uns, dann melden Sie sich bitte ..." - ja, man denkt und arbeitet hier in großzügigen Zeiträumen :))
Einschätzen kann ich es überhaupt nicht. Ob es das war, was die wollten?
Das Gespräch war übrigens - nach meinem Gefühl - noch das Beste von allem. Jedenfalls ging es ping-pong hin und her, es war locker, wir haben gelacht. Und kalten Kaffee haben sie mir angeboten (nee, kein Witz - ok, nicht kalt, aber lauwarm war er).

Seit Dienstag also fühle ich mich befreit.
Atme die Minuten wieder nach meinem eigenen Rhythmus - ein und aus, ein und aus - setze die Schritte wieder in meinem eigenen Muster - hin und her, hin und her - und die Fäden verbinden sich in mein Eigenes hinein - innen und außen, innen und außen.
Nein, ich hatte mich nicht verloren in den Zeiten der Fremdbestimmtheit durch Vorgaben und Zeitplan der Prüfung, aber es war eben ein "Fremd" in meinen Tagen. Nun atme ich meine Tage wieder selbst, werde nicht mehr geatmet - so fühlt es sich an.

So erstaunlich, dieses Gefühl der Befreiung ...
Liegen hier doch 120 Klassenarbeiten, in Kürze fertig zu sein - und sie stören mich nicht auf in meinem Atmen.
Umgibt mich hier doch ein Haus voller Schmutzecken, Wäscheberge, Regalteile - und ich lebe meine Ruhe unberührt davon.
Stapeln sich hier doch die Berge liegengebliebener Aufgaben dachhoch - und ich atme.

Auf der Kamera sind Urlaubsfotos, noch nicht angesehen, noch nicht überspielt. Früher musste man die Filme ja auch erst zum Entwickeln geben. :)
Auf dem Laptop sind Texte, während der Reise geschrieben, noch nicht wieder gelesen. Ob ich mich noch wiederfinde darinnen? Wenn ja, werdet auch Ihr sie lesen, irgendwann, später.

Das Klavier habe ich schon wieder innig begrüßt, gestern und heute. Es war ein warmes Wiedersehen. Und soeben komme ich vom Chor. Unter anderem sangen wir dieses hier (das ab 3:10):


Es weint noch ein bisschen aus meinem Augenwinkel ...


Ob ich das ausdrücken konnte, was ich sagen wollte? Die Worte kommen mir - uhrzeitentsprechend - schwer und plump vor. Das Gefühl dahinter aber ist ein tiefes, wunderbares. Und vielleicht schimmert es ein wenig durch die uhrzeitgedämpften Worte ...