Samstag, 23. Juli 2011

Wortwesensfragen

Seit kurzem habe ich einen minikleinen Laptop. Ein Netbook, wie das heißt. (Der fand zu mir wegen der Bewerbung, das nur am Rande. Von deren Ausgang ich übrigens immer noch nichts gehört habe. Das Schulamt schulamtet vor sich hin ...) Den kann ich mitnehmen wohin ich will, in den Garten, zum Korrigieren, in die Schule, ins Bett, auf den Tagesausflug. Ich mache das nicht immer, aber wenn, dann bemerke ich etwas:
Dann fliegen mir unzählige Worte zu. Die kann ich eintippen, kann sie festhalten - was ich oft tue in solchen Momenten. Stunden oder auch nur Minuten später könnte ich das nicht mehr. Dann wären die Worte nämlich wieder weg. Richtig weg: nicht mehr abrufbar. Auch nicht in der Ruhe des Abends. So aber, mit meiner kleinen Schreibmaschine, werden sie festgezurrt im Universum des Lesbaren, des Mitgeteilten. Strömen in Mails, ins Blog, in irgendein Dokumentenverzeichnis, was bei mir eine Art modernes Durcheinander-Tagebuch ist. Werden gelesen - von mir selbst, von Euch, von anderen. Wandern weiter, fließen in Gedankenwelten ein, in andere Texte, in Ideennetze, und viele auch einfach nur in riesige Vergessenstruhen.

Nun also: Wenn doch Worte zu mir kommen und genauso schnell wieder gehen – hielte ich sie nicht tippend fest, wären sie für immer „verloren“ - frage ich mich:
Was sind diese Worte eigentlich?
Wahrheitsfünkchen? Hinge Wahrheitsfindung dann von einem kleinen Netzbuch ab?
Ahnungen des Wesentlichen? Wäre das Leben ohne Stromversorgung denn unwesentlicher?
Kommunikationströpfchen? Der Dialog von einem kleinen Technikteil abhängig?
Selbstausdrucksventil? Ein Selbstgespräch, schweigend oder redend, tut es doch auch.
Verhüllungen des Unsagbaren? Wozu dann überhaupt solche Sagebemühungen?
Was also?

Ein kleines Gerät, solche Fragen aufwerfend ...
Nein, es ist ja gar nicht das Gerät. Gleiche Fragen stelle ich mir, wenn Füller und Tagebuch bei mir sind. Bzw. eben nicht bei mir sind.
Oder auch nur ein gut trainiertes Gedächtnis, in dem Worte eingebrannt bleiben, oder spurlos wieder verschwinden.
Was hängt von den Worten und ihrem Bleiben ab?
Was wäre ohne Worte, ohne ihre Fixierung?

Auf einer ganz subjektiven Ebene: Ohne Schreiben geht es mir - meist - nicht gut, ohne Lesen auch nicht. Worte müssen mehr sein als nur Hülsen für Unsagbares.
Doch ich weiß es nicht. Keine Antwort für heute. Nur Fragezeichen.
Der Eindruck, dass große Wirrnis in mir ist. Und in diesem Text.
Erst recht, wenn ich mich an ein vergangenes Wortsuche-Post und seinen kleinen Kommentardialog erinnere, dort nachlese:
... verdecken oder auch aufdecken, es mir selbst unsichtbar machen oder auch es ans Licht holen, mein Werden verlangsamen oder auch beschleunigen, das können Worte.
Aber können sie daseinsschaffend oder -vernichtend sein???


Wer weiß schon, wie das mit den Worten ist? Ein Leben ohne Worte haben wir nicht, hatten wir nie, kennen wir nicht, können wir uns nicht vorstellen ...

***

Und als dieser Text eigentlich schon geschrieben, nur noch nicht veröffentlichungsreif war, stieß ich im Worte-Universum auf den Herrn von Kleist, der vielleicht ein Antwortquäntchen schenkt:
Wir werden uns in diesem unruhigen Leben so selten unserer bewusst – die Gedanken und die Empfindungen verhallen wie ein Flötenton im Orkane – so manche Erfahrung geht ungenutzt verloren – das alles kann ein Tagebuch verhüten.
(Gefunden bei Frau Wildgans.)

Ich lasse das mal weiter durch mich wehen ...

1 Kommentar:

  1. Mein Empfinden ist: Indem ich schreibe, Erfahrungen, Erlebnisse, Impulse, Gedanken und Gefühle in Worte fasse, gewinnt mein Dasein an Tiefe. Es ordnet sich, blüht auf, erweitert sich in den Raum hinein. Aber der Quell, aus dem wir dabei schöpfen, sprudelt in unversiegbarer Fülle. Selbst wenn wir gewisse Worte nicht festhalten, nicht zu Papier bringen oder in den Laptop tippen - auf die eine oder andere Weise werden sie wieder auftauchen. Oder sie machen neuen, ebenso kostbaren Funken Platz.

    Ich habe deinen Text mit einem Lächeln, einem warmen Herzen und einem fortwährenden Nicken gelesen. Danke fürs Teilen!

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