Freitag, 13. Juli 2012

Alljahresende

Wie jedes Jahr. Irgendwann ist der Moment da. Wenn die Noteneingabecomputer gesperrt werden und alles in der Kiste zu sein hat. Wenn die roten Stifte also an allen Tischen gleichzeitig in den Taschen verstaut werden. Befreites Aufatmen rundum im Lehrerzimmer, und dann ein kleines Vakuum, kurzfristig. Nach dem Marathon der letzten Wochen - ja, er dauerte mal wieder bis 15 Minuten vor Eingabeschluss, wie immer, ich kann nicht anders - ist es leer, dumpf, matt, zunächst. Nichts mit mir anzufangen, erstmal Dämmerpause.

Bleiben noch zwei Wochen.
Eine Schulung, selbst zu halten, eine Fortbildung, nur als Teilnehmerin zu besuchen, eine Tagung dazu. Vier Gesprächsprotokolle zu schreiben. Ein Beratungsbesuch an einer anderen Schule. Mehrere Gespräche mit Schülern noch zu führen. Zwei Tage Notenkonferenzen. Zwei-vier-sechs-acht Stunden Unterricht (upps, so wenig noch?) Drei verabredete Elterngespräche, gut vorzubereiten (Gespräche zu diesem Zeitpunkt im Schuljahr sind die ernsthaftesten ...) Zeugnisse schreiben, und die kleinen Kärtchen zu den Buchpreisen. Wandertag. Klassenleitertag. Und einen Kuchen muss ich meinen lieben Kleinen auch noch backen - sie fragten heute schon :)  Schuljahresendzeremonien, das Übliche, das Schmerzliche - meine Referendarin will und will ich nicht gehen lassen, ich stampfe hier ziemlich mit dem Fuß, das hilft aber leider nichts :((, und dann noch Schulleiter- und andere Verabschiedungsfeierlichkeiten. Physiksammlung aufräumen und putzen, wie immer, und meine häuslichen Arbeitstischberge, die wollte ich - Premiere wäre das - auch mal schon vor Ferienbeginn aufgeräumt haben. Das frisst sonst immer eine ganze Sommerferienwoche, und ich fühle mich unendlich genervt davon. Dieses Jahr also der Vorsatz: in zwei Wochen, wenn die Ferien beginnen, ist das fertig.

Fertig? Fertig!
(Kreuzen Sie auf einer Skala von 1 bis 10 an. Wie dringend brauchen Sie Ferien? --- Ich nehme die 15.)

Und doch nicht blind dafür, dass wie für mich eingestreut sich Glücksmomente quer durch den Tag zogen:
Deputats-Sechser fürs nächste Jahr - genau so wie ich es gewünscht hatte!
Aushang der neuen Klassenleiterteams. Ich konnte den Blick nicht an der Reihe der neuen 5er-Lehrer vorbeilenken. Ja, es wird ihn gut treffen, den Sohn im nächsten Jahr.
(Ähm, er hat aus verschiedenen Gründen ganz unbedingt auf meine Schule gewollt. Lange und oft habe ich mit ihm den Pferdefuß - Mutter an der gleichen Schule - erörtert. Er will es trotzdem. Nun werde ich vieles lernen müssen im Umgang mit der Situation. Mich zurückziehen, bei all der Nähe. Heute war ich jedenfalls schonmal schlecht darin und zu neugierig und weiß nun mehr als ich als Mutter wissen sollte. --- Trotzdem freue ich mich schon zu wissen, wie gut es ihn treffen wird :))
Abschied von einer lieben 7. Physikklasse, mit ganz berührenden Einzelgesprächen, mit ehrlichen Rückmeldungen der Schüler, mit einer respektvollen Atmosphäre, wie man sie sich schöner kaum wünschen kann (jedenfalls: als "Gräuelfach"-Physik- und Nichtklassenlehrerin :)).
Schulhoffest der Sohnesklasse - auch hier ein lachendes und ein weinendes Auge, diese Kinder zusammen zu sehen. Wie die im Laufe der vier Jahre zusammengefunden haben, über viele Hürden hinweg, wie gut sie alle zusammen spielten. Und nun zu wissen, dass ihnen noch ganze 8 Schultage bleiben als Klasse, dann werden sie sich zerstreuen auf die verschiedenen Schulen ...
Und nicht zuletzt: Ein Nichtschreibtischabend, mit einem Nichtschreibtischwochenende vor mir - ich habe schon ganz vergessen, wie das geht :))
Deswegen sitze ich doch noch ein bisschen an der Kiste, stottere kaleidoskopartig diese Wörtchen hier zusammen, werde aber gleich gen Schlummermatte aufbrechen ...

Freitag, 6. Juli 2012

Echowelt

Es ist ja nicht einfach nur der Körper. Bei mir jedenfalls nicht. So war es schon immer. Mit dem Fahrrad über Berg und Tal, einmal an die Grenzen der physischen Kraft und zurück - das ist Befreiung aus dem Kokon der Bewegungslosigkeit. Der physischen, und - ich ahne es im Moment - der seelischen. Wie gut, dass meine kleine Seele sich auf einen solchen Taktgeber einlässt :)

Und wie so oft waren es die Kinder, die's anstießen, diesmal der Sohn. Sein Mittagswunsch - endlich mal mit dem Fahrrad zur Musikschule fahren. Und da wir in einem arg hügeligen Land wohnen und meine Kräfte nicht weniger eingerostet als mein Fahrrad sind, finde ich auf diesen paar Kilometern ins nächste Städtchen schon mehr als genug von dem, was ich brauche. Mehr als genug Aufwachen aus langem Schlaf, mehr als genug Echo in buntesten Tonarten ...

Donnerstag, 5. Juli 2012

Sommerfrüchte

Ich pflücke mir vom Baum des Sommers ein paar seelenheilende Momente.

Mit den Kindern per Fahrrad zur Schule fahren, morgens durch den Nebel, durch zarten Sonnenschleier. Die Felder mit ihren Wegen gehören uns  ...

Mit der Tochter an einem trübwarmen Nachmittag ins Schwimmbad gehen (endlich hatte sie mich überredet) und erfreut feststellen, dass außer uns kaum jemand dieses Wetter für schwimmbadgeeignet hält. Allein mit ihr im riesigen Kinderbecken, es fühlt sich an wie ein Traum, Aug in Auge im Wasser treiben, lachen, spritzen. Und ab und zu dann doch ein Sonnenglitzern hinter Berg und Wolken hervor ...

In meinem nachtbeleuchteten Zimmer einen armen zitternden Schmetterling finden, ihn in den Händen mit nach draußen nehmen, in die Dunkelheit. Drinnen das Licht löschen, und nur noch ihm nachschauen, wie er befreit entschwindet. In der feuchten Sommerdunkelheit stehen, tief einatmen, tief ausatmen, einatmen, ausatmen ...

Solche Früchte trägt der Sommer. Ich brauchte nur vom Boden aufzustehen, mich ein klein wenig aufzurichten und mich aus der satten Fülle beschenken zu lassen.
Danke.


Sonntag, 1. Juli 2012

Stürmisch

 (geschrieben gestern Abend)

Da war dieses Feuer vor ein paar Tagen. Ein Feuer im Außen, und ein Gefühl ganz tief in mir – von Wärme, Glut, Nahrung, Licht.
Und nun sind wieder Tage, denen davor gleich. Verweht ist der Feuertag wie sein Rauch, erloschen wie seine Glut. Ein Tag wie ein Fünkchen – wegaufzeigend, richtungweisend, und doch so kurz, so kurzlebig, so kurzgelebt.
Traurig ist es in mir. Verlorenheit und Einsamkeit lassen stille Tränen fließen. Zerrissen fühlt es sich an, auf allen Ebenen:
Der Raum, den ich mir selbst gebe, der fehlt den äußeren Dringlichkeiten. Und umgekehrt.
Der Raum, den ich meinen Kindern gebe, der fehlt denen, mit denen ich arbeite. Und umgekehrt.
Der Raum, den ich dem zu schreibenden Wort gebe, der fehlt dem geschriebenen. Und umgekehrt.

Die Antwort auf dieses Dilemma scheint so klar wie die Unmöglichkeit, in sie hineinzuleben. Da bleibt kein Raum für mich. Da bleibt kein Raum für Wesentliches. Da zerreißt es mich … wieder und wieder … Warum mir dies bei den Feuerbildern kam? Weil es anders war, für ein paar Stunden. Weil ich mich finden durfte, im meditierenden Blick in die Flammen, im Duft des Rauchs, in der wärmegeschwängerten Luft, im nährenden Stockbrot.

Und nun?
Wie wund alles in mir ist, wie sehnsüchtig, wie verletzt … Ich stehe in Schweigsamkeit vor mir selbst, ich spüre Verlieren und Abwenden, ich schaue sehenden Auges zu, wie mir entgleitet, was ich zu gern festhalten würde.
Doch ich flüchte in andere Erklärungen, sogar vor mir selbst. Es bietet sich an, in diesen Tagen das Schuljahresende für verantwortlich zu erklären für jede Art von Erschöpfung. Oder den totalen Computercrash, der mich vor ein paar Tagen ereilte, ein paar lange Stunden in Sorge versetzte, bis der Profi wenigstens eine Rumpffunktionalität wieder herstellen konnte (ob alle meine Daten … und wie ich denn arbeiten solle …), und mich nun vor der mühevollen Aufgabe stehen lässt, umgehend ein neues Gerät zu kaufen, weil ich tagtäglich abhängig bin von dieser Kiste. Beruflich, meine ich. Schon wieder flüchte ich, wenn ich davon erzähle – DAS ist nicht das wirkliche Nagen in mir. Das geschieht nur vordergründig …

Wenigstens tut es gut, diese wenigen Worte niederzuschreiben. So wie es gut tat, stundenlang ins Feuer zu blicken, vor ein paar Tagen. So wie es gut tut, jetzt im Augenblick inmitten eines dröhnenden Gewittersturms zu sitzen. Nur der Balkon über mir schützt mich vor der direkten Wucht der Sturzbäche, der Himmelsfluten. Von der Seite her aber drängen sie sich herein, zusammen mit dem Toben des Gewitters. Mitten in mich hinein. Oder tobt es aus mir heraus? Ich lasse es toben. (Und vertraue, dass das Netbook auf meinem Schoß nicht auch noch einen Wasserschaden bekommt. Die Ratio flüstert mir zu, vernünftig zu sein. Nicht noch dieses Gerät verlieren. Doch die Ratio ist nicht alles. Lang nicht alles …)