Montag, 29. September 2014

Wochenrückblick 39/14


Wetter
Fahrradfahrwetter, und zwar so warm, dass wir nicht nur die Jacken ausziehen mussten, sondern auch noch das dringende Bedürfnis hatten, dies im Schatten zu tun
gemacht
was ging die Woche schnell vorbei - und wie viele kleine bis klitzekleine Dinge passten hinein: das Schuljahr rüttelte sich weiter zurecht, am Schreibtisch kam ich langsam in Fluss, auf den Schulfluren auch, aber all die Kinderdinge - Holundbringfahrgemeinschaftsabsprachen, Terminvereinbarungen, Anmeldungen, Arzt und Optiker etc. - verbannten mich gefühlt eine Woche lang ans Telefon (was nicht mein Lieblingsgegenstand ist, übrigens); zum Wochenende dann eine infektkranke Tochter gesundgekuschelt - und gestern abend gleich auch den Sohn, der vorher noch in einem Wolfswildpark campiert (und gefroren) hatte; Kinderkleiderflohmarktbesuch, erfolgreich, jedenfalls zeigen dies die Wäscheberge vor der Waschmaschine an; im Eifer des Gefechts dann aus dem Tochterkleiderschrank Tonnen von Hochwasserhosen und -shirts herausgefischt und umgehend zur Dreitochterfreundesfamilie transportiert
gehört
die Vögel in den Bäumen, Blätterrauschen über mir und Blätterrascheln unter mir; und all die wunderbare Kindermusik (mein tägliches Hauskonzertgeschenk!) hat Ergänzung gefunden in einem Ohrwurm-Brahms-Stück des Tochterkindes, das sie und ich seit Freitag ständig vor uns hin summen
gelesen
Susanna Tamaro: Erhöre mein Flehen
begegnet
die erste Stunde Flohmarkt verplaudert - dort trifft man aber auch unser ganzes Nest:) - bis ich mich besann, dass ich nun besser doch etwas wühlen gehe, bevor alles weg ist; vor der Halle dann ein ehemaliger Schüler, dem es so richtig gut geht, obwohl damals bei uns alles schwierig schien - hach: Herzensfreude! Wochenabschluss bei Freunden zum Grillen (sehr sommerlich hier im Süden)
gedacht
dass man wirklich jeden Tag leben soll (nicht neu gedacht, natürlich, aber manchmal rüttelt einen auf, was ringsum geschieht ...)
gefühlt
ruhig und dankbar, ja, das beschreibt es am besten
gestaunt
wie subjektiv, wie eng mein Blick auf das Ganze ist - ausgelöst nämlich durch die Wendejahr-Dokumentationen auf Phoenix zappte ich mich bei you.tube durch diverse Dokus (die Bügelwäsche darüber vergessend), sah dann etwas über Moskau-Gorbachev-Einheit und so - und staunte, wie wenig wir geahnt, wie naiv wir dort gelebt hatten in diesem Jahr - obwohl ich immer gedacht hatte dabeigewesen zu sein, etwa bei jener Demonstration auf dem Roten Platz, 1. Mai 1990, und meine Erinnerung und meine Fotos die Wasserwerfer hinter der Basiliuskathedrale durchaus festgehalten haben, und die KGB-Reihen, die Sowjetfahnen mit Loch statt Hammer-Sichel, die Stalin-Porträts, die Sprechchöre, die bemäntelten alten Männer auf der Tribüne, darunter auch ihn, den von uns fast vergötterten - und doch wussten wir so wenig von dem, was damals geschah; klar, eine Doku kann auch "Falsches" erzählen, aber in jedem Falle ist der eigene Blick einfach nur Mosaiksteinchen - wie klar mir das mal wieder vor Augen stand (und es ist ja nicht nur mit der Erinnerung und der großen Geschichte so ...)
gefreut
wie meine 6t-Klässler vor mir sitzen, sich erst wundern, dass sie nun in Mathe Geschichten schreiben sollen - gerade wie in Deutsch -, dann aber losschreiben und schreiben und schreiben und gar nicht wieder aufhören wollen, als die Stunde um ist - zweite Freude-Welle in mir, als ich zu Hause anfange zu lesen
geärgert
über den heutigen Mädchenhosenschnitt - die Tochter beklagt sich, dass sie damit so schlecht klettern könne - ja klar, Röhre ist völlig unkindgemäß - als ich ihr dann aber auf dem Flohmarkt einen Stapel älterer Jeans (aus der Zeit, als Kinderhosen noch Kinderhosen waren) zum Anprobieren gab, beschaute sie sich von oben und meinte bei einer jeden: die sei zu weit, wie das aussehe ... (ich hab sie trotzdem gekauft: basta - und heute hat sie die erste in der Schule an, mal schauen, ob sie das überlebt)
gelacht
die Tochter erklärt wissend, dass sie niemals ein Kleinkind auf diesem Geländer balancieren lassen würde - warum nicht? - naja: Kleinkinder erkunden doch immer so die Umgebung ... - und Du nicht mehr? (kann ich mir nicht verkneifen zu fragen) - vorpubertärer Blick, Augenrollen, genervt-belehrender Tonfall: Mama! Des iss ja schon so, dass ich mich in der Welt auskenne ...
berührt
von meiner neunten Klasse, von der Mischung der in ihnen streitenden Lebensphasen, von dem Vertrauen in ihrem Blick - sei er auch noch so sehr unter langen Haaren hervorgeworfen - und von der Suche, die in jedem Wort, in jeder Geste hervorblitzt
Ausblick
erstmals eine komplett volle Woche: alle Kurse, alle AGs, alle Termine fangen wieder an - bis das laaaaange Wochenende Atem schöpfen lassen wird
Dankbarkeit
für die Momente, in denen kurz alles stillstehen darf, weil mein Weg zum Außenklassenzimmer unter gefärbten Bäumen und blauem Himmel entlang führt, weil ich meinen ersten Kaffee auf der Terrasse im Morgennebel trinken darf, bevor ich die Kinder wecke, weil wir in der Sonne Haselnüsse sammeln, bis sie aus den Jackentaschen herausquellen, weil mein Fahrrad mit mir über die Felder fährt und der Fluss vor meinen Augen so fließt, wie er schon immer geflossen ist  ...

Dienstag, 23. September 2014

Wochenrückblick 38/14

(Es wird sich wohl einschleichen, dass ich erst montags schreibe. Selbst bei arbeitsfreiem Sonntag. Oder gerade dann: So wertvoll, den Computer mal ganz auszulassen. Und so entspannt, den Alleinvormittag nicht sofort um sieben am Schreibtisch zu beginnen. Obwohl dieser ruft, immer lauter, immer drängender.)

Wetter
Draußensitzwetter, zuweilen richtig Sommer - für mich mal wieder viel zu warm (vor allem in den Klassenzimmern), während alle anderen aufjuchzen; erst am Sonntag Regen mit Gewitter, Hagel, Winden - die ganze Palette
gemacht
sooo früh aufgestanden, sooo ungewohnt wieder einen Rhythmus zu leben, sooo viele Termine plötzlich - wir haben aber alle Sporthallen und Musikzimmer noch wiedergefunden; am Montag zunächst das neue Schuljahr mit einem dicken Eisbecher begrüßt; an so manchem Abend spielend und redend beieinander gesessen - in der ersten Woche erzählt ja sogar der Sohn noch aus der Schule; viel in der Schule gewesen, einschließlich GLK (Gesamtlehrerkonferenz) - die schönste je erlebte, weil so viel Wichtiges zu feiern war; an die Schreibtischabende noch nicht wieder gewöhnt; das sogenannte arbeitsfreie Wochenende dann für Steuer, Beihilfe und Krankenversicherungsanträge genutzt - und versucht mich nicht in negative Gefühle gegenüber diesen nervigen Lebensverwaltungstätigkeiten hineinziehen zu lassen; eine Einschulungsfeier besucht und den Straßenausschank am Fluss, an dem es neuen Wein gibt (willkommen, Herbst!)
gehört
ich liebe dieses bunte Ton-Klang-Stimm-Gemisch aus allen Fenstern der Musikschule - und mittendrin höre ich immer die meinen heraus:) ; meine eigenen Klaviertöne: upps - geht doch noch; die Aufzeichnung eines Jubiläumskonzerts, auf dem wir Alten unsere alten Lieder singen durften - hach, ich musste das gleich nachts anschauen und habe dafür eine halbe Nacht Schlaf versäumt
gelesen
Meike Winnemuth: Das große Los - bin fast fertig (und fühle mich, obwohl ich so ganz anders lebe, denke und fühle als diese Frau, doch irgendwie aufgerüttelt von ihrem Erleben, einfach so in die Welt aufzubrechen und das Gewohnte zu Hause zu lassen)
begegnet
unserer Klavierlehrerin bei neuem Wein und einem Gespräch über das Leben; anderen Eltern im Dorf - nach den Ferien muss man sich erstmal durch die Straßen plaudern:); einer Freundesfamilie und deren Freunden
gedacht
grübel: wie viel Einmischung braucht ein Pubertierenden-Chaos-Zimmer - und wie viel Aushalten werde ich in den nächsten Jahren erlernen können? und wie schaffe ich es, die vielen Für-mich-Inseln dieser Woche beizubehalten?
gefühlt
ja wie eigentlich? - im Dazwischen-Zustand: nicht mehr dort, noch nicht hier
gestaunt
wie viele To-do-Dinge in eine Alltagswoche passen; wie selbstständig die Kinder plötzlich ihre Schulsachen in die Hand nehmen - war das vor den Ferien nicht noch ganz anders? und auch sonst sind sie plötzlich ganz groß, scheint mir
gekauft
eine Fahrkarte zu einem Treffen mit meiner Vergangenheit (die durch das gemeinsame Singen im März wieder zu einem Stück Gegenwart wurde - sonst hätte ich wohl diese Fahrkarte nicht gekauft); ein paar Nachzüglerschulsachen (die Kinderschulen teilen freundlicherweise ihre Listen sonst schon vor den Ferien aus); Klezmer-Noten, einfach so, in der Hoffnung, dass die Kinder irgendwann Musik draus machen (der Sohn hat schon angebissen); ein neues Portemonnaie für den Sohn - grmpf - siehe unten
gefreut
mit den Kindern über ihre Lehrerfreude: beide haben es gut getroffen und sind am ersten Schultag fast abgehoben vor Glück; so viel gutes Erleben in der Schule; und auch darüber mich während der Musik- und Sportwartezeiten in ein Café gesetzt zu haben, mit Blick auf den Fluss, nur für mich, ganz selig mit Milchkaffee
geärgert
dass Herr Sohn seine Verkehrsverbund-Jahreskarte schon vor Schulbeginn verbummelt hat und ich deswegen stundenlang im Servicecenter anstehen musste, zumal mit der Aussicht, dass wir eine zweite verbummelte nicht mehr so einfach ersetzt bekommen - grmpf: jetzt frage ich jeden Abend und jeden Morgen nach, wo das kostbare Stück steckt - bisher ist sie noch da
gelacht
weiß nicht mehr genau: wir haben gerade so viel Wortwitz am Tisch, denn die Tochter beginnt zu entdecken, wie herrlich man mit Sprache spielen kann - ab und zu platzt sie mit etwas heraus, das uns fast unter den Tisch wirft vor Lachen (leider vergesse ich das so schnell wieder wie Witze)
geweint
ein Jahr bist Du nicht mehr hier, (((Oma)))
berührt
von den 5t-Klässlern im Schulhaus - mensch, wie klein die sind - mittlerweile sind schon engste Kindergartenfreunde der Tochter dabei *schluck*
Ausblick
eine noch abgespeckte Schulwoche, da Studienfahrten und Prüfungen meine Präsenzzeiten um ein Drittel vermindern, so dass ich wiederum im Home Office ... ja stimmt, mein Schreibtisch ruft, ich komme ja gleich ...
Dankbarkeit
all diese kurzen Für-mich-Zeiten der Woche, eingestreut zwischen dem wilden Wirbeln

Sonntag, 21. September 2014

Ein Schuljahr im Werden #4

Seltsam, versuche ich mich zu erinnern, was ich an den restlichen Tagen meiner Vorbereitungswoche in den Ferien getan habe, weiß ich nichts mehr. Von morgens bis nachts am Schreibtisch verbracht und gewerkelt, doch woran? Wie zu Windelzeiten, als man den ganzen Tag unablässig beschäftigt war, ohne abends sagen zu können womit eigentlich.
Was ich noch weiß: mein Kopf funktionierte langsam, mehr als alten Wein in alten Schläuchen produzierte er nicht, keine zündenden Ideen, keine Neuerungen. Jedenfalls: die erste Woche für Klasse 9 war fertig vorbereitet, soweit das eben ging, da ich ja die Schüler nicht kannte. Die Einstiegsstunden für Klasse 8 waren angedacht. Die gesamte erste Schulwoche war festgezurrt, im Geiste und in Dateiordnern. (Und nun ist alles schon wieder aufgebraucht.)
Dann verreiste ich, der Kopf durfte nochmals leer werden. Himmelschauen, eine Woche lang. Himmelschauen kann man ja auch beim Blick in Bücher oder in die Flammen eines Lagerfeuers.
***
Die Schulstartwoche beginnt abrupt. Gerade noch im Zug sitzen, schon vor der Klasse stehen. Und doch ist es diesmal irgendwie anders. „Die erste Schulwoche ist immer der Rausschmeißer aus dem Feriengefühl“, schreibe ich an einen Freund in einer Mail. Dabei stimmt das gar nicht, stelle ich hinterher fest. Dieses Jahr stimmt es nicht. Nicht so wie sonst jedenfalls, nicht so total, nicht so unruhig vibrierend. Alles fühlt sich noch ruhig an. Warum? Vielleicht lerne ich dazu, schaffe es von Jahr zu Jahr besser, mich nicht gleich aufreiben zu lassen, nicht gleich ins unbarmherzige Tempo werfen zu lassen, nicht gleich meine Ferienruhe aufzugeben.
Startvorteil: Am Montag sitze ich zunächst völlig freiwillig im Lehrerzimmer, habe keinen Unterricht. Will nur eben meine klein-großen 6er begrüßen, gehe mit in die Klasse, wir sind zu zweit (Luxus! alles organisiert sich wie von selbst), Wiedersehens- gepaart mit Vorfreude. Der Rest des Vormittags vergeht mit Kollegenschwätzchen, durchaus auch arbeitsamen Inhalts, Kopieren, Kruschteln, Arbeitsplatz einrichten, Listen erstellen - und Freuen über meinen neuen Lehrerzimmersitzplatz, über meine neue Nachbarin vor allem.
War doch umgeräumt worden in den Ferien; jede und jeder musste neu sehen wo bleiben. (Unser Lehrerzimmer ist eng, sehr eng. Legebatterieähnlich. Ein Fall für Tierschützer; ich übertreibe nur wenig. Nun ist es immer noch eng, aber in die andere Richtung. Fühlt sich im Moment wie ein besseres Eng an.) Wir also, die wir nicht in der letzten Ferienwoche schon einen neuen Platz errannt hatten, mussten am Montag zusehen. Es war noch die Ecke mit dem stärksten Durchgangsverkehr frei, und dort sitzen wir nun alle miteinander: alle Nichtvorsorglichen, Nichtbesorgten. - So gut hatte ich es mit meinen Nachbarn selten getroffen, übrigens. Die Kollegin neben mir kommt aus einem Sabbat-Jahr zurück. Kein Zufall, jetzt, da ich diesen Plan erstmals in meinem Herzen wäge. Beide freuen wir uns an unserer neuen Nachbarschaft und über das uns einende Vorhaben, im Hamsterrad ein lebbares Tempo zu bewahren. Die erste Woche haben wir mit Bravour geschafft, stellen wir am Freitagmittag fest, an unserem Tischlein sitzend, das wir jetzt schon als Festung der Ruhe inmitten des Lehrerzimmersturms empfinden.
Die Woche kommt ins Fließen, ich begegne nach und nach meinen Klassen wieder. Die Freude ist unterschiedlich groß, auch bei den Schülern. Ist ja wohl normal, dass nicht alle wie die Kleinen strahlen, wenn sie nach monatelanger Pause wieder Mathe und Physik haben dürfen:)
Eine wirkliche Freude aber – für mich jedenfalls – wird der Start mit der neunten Klasse, die ich als einzige nicht kenne und vor der ich großen Respekt habe, weil dem Alter ohnehin und insbesondere diesem „Haufen“ ein Ruf vorauseilt. Und dann werden unsere ersten vier Stunden einfach nur gut. Gut gut gut. Mein Gefühl sagt mir, dass wir zueinander finden werden. Weil die Schüler sich mit großer Offenheit, mit großem Vertrauen, ein wenig hilferufend und dabei mir in die Augen blickend sofort auf unsere Beziehung einlassen. Chaotisch, unruhig, lärmend, nichtzuhörend – in der Tat: ein „Haufen“. Aber das ist unwichtig am Anfang. So sind sie eben. In der ersten Stunde zunächst. (In der zweiten schon weniger, übrigens, weil ich das nicht will. Und weil sie sich meinem Wollen nicht verschließen.) Abgründe tun sich auf, als ich ein wenig durchteste, was aus Klasse 7 und 8 hängen geblieben ist. Nix, möchte ich fast diagnostizieren. Mathematische Kopffüßler sozusagen, in einem Alter, in dem der Bildungsplan differenziertes Perspektiv- und Detailzeichnen erwartet. Schauen wir mal, als wie gelenkig wir uns im Können-Sollen-Spagat erweisen – mit Spannung und Vorfreude schaue ich auf diese Aufgabe.
Ihre Erwartungs- und Wunschliste an mich übrigens, auszugsweise, ungeordnet:
faire Noten, abwechslungsreicher Unterricht, auf alle Schüler eingehen, leichte Arbeiten, jede Frage würdigen, keine Unter- und Überforderung, wenige Hausaufgaben, Klasse zur Ruhe bringen, dass wir Mathe nicht mehr hassen, verständliche Arbeitsaufträge, weniger Tests, lockerer Unterricht, mündliche Noten unabhängig von schriftlichen. 
Manches ist leicht: Ruhe kann ich. Hassfach-wegmachen meist auch. Manches ist unerfüllbar: Niemanden unter- oder überfordern. Haha, 28. Hochbegabung und Dyskalkulie inklusive. I’ll do my very best.
Die erste Woche ist um, das Schuljahr hat begonnen, ich bin mittendrin. Am Freitagabend dann droht – bei aller Ruhe – doch noch die erste Nackenverspannung. Wie ich ihr begegne? Wärmkissen umlegen, schlafen gehen, obwohl es erst Neun ist, das Wochenende komplett arbeitsfrei lassen …

Dienstag, 16. September 2014

Restferienrückblick

(Was sich angefühlt hat wie der Rest der Ferien, war eigentlich deren Hälfte. So unterschiedlich ist Zeitwahrnehmung.)

Wetter
warum all die Wetterklagen - habe ich oft in diesen Ferien gedacht - entweder war das schlechte Wetter immer nur dort, wo ich nicht war, oder mir als Nichtsommeranbeterin wird schon gar nicht mehr bewusst, was ein "schlechter" Sommer ist (und ich leide nur unter der Hitze der "guten"), jedenfalls: viel spätsommerliche Terrassensitzzeit, mal mit, mal ohne Decke, ein paar Tröpfchen zwischendurch, erste herbstliche Morgennebel, die ich so liebe
gemacht
ein bisschen Ostseeluft und wasserumspülte Füße zum Radreiseausklang, Heimkehr mit Wäschebergen, Wo-waren-doch-gleich-die-Lichtschalter? und Mein-Gott-der-Garten-hat-das-Haus-überwuchert, Versuch inneren Ankommens;
Schulsachenvorbereitung mit den Kindern zusammen, eigene Schulgedanken und handfeste Vorbereitungen (Ihr musstetdurftet davon lesen);
neue Sohnesbrille organisiert (eine größere Aktion, wenn die alte geliebte kurz vor Ferienende zerbricht und die engzementierte Vorstellung - Harry-Potter-Style, sonst nix - mit gegenwärtigen Brillenmoden extrem nichtkonform ist und zudem der Augenarzt Terminwartezeiten von eigentlich einem Vierteljahr hat);
einen Teenager gefeiert (mit "Kinder"übernachtungsgeburtstag, den der Sohn auf seiner Einladung selbst so genannt hat, ohne Gänsefüßchen - ich habe innerlich gegrinst und nichts dazu gesagt), Ausflüge zu Sommerrodelbahn und Kletterpark;
Kinder in Urlaub mit Papa verabschiedet und heil wieder in Empfang genommen, eine Alleinwoche zu genießen gewusst, viele ruhige Morgenstunden gehabt, gelesen und geschrieben;
eine Trauerfeier besucht und den heimgekehrten Kindern davon erzählt, mich mit ihnen zusammen erinnert, was sie alles mit dieser Lehrerin erlebt haben;
mit den Kindern nach Berlin (zu Oma und Opa) und nach Boitzenburg zum Klassentreffen gefahren - Freunde wiedergetroffen, Kanu gefahren (mit Loch im Boot:)), Lagerfeuer, Volleyball, Grillen mit Regenguss, wenig Schlaf, Abschiedswinken und am nächsten Tag per Mail gleich den Termin fürs nächste Jahr vereinbart;
und dann: Sonntag Abend wieder hier eingetrudelt, so knapp sind wir selten aus den Ferien gekommen
gehört
den Wind und das Meer, das Knistern des Feuers, erste Wiederankommensversuche auf all unseren Instrumenten, Bach-Kantaten noch und noch, und leider immer noch nicht die Übe-CD fürs nächste Chorprojekt (obwohl mein ständiges Probenfehlen dies dringend erforderlich macht)
gelesen
Tellkamp: Der Turm; Reiner Kunze: Die wunderbaren Jahre; Susanna Tamaro: Geh, wohin dein Herz dich trägt; Sabine Bode: Die vergessene Generation; und natürlich viel Schulzeugs
begegnet
den Lehrerinnen von der Schule der Kinder, auch der pensionierten, tränenüberströmten Sohneserstklasslehrerin (es war ihre Nachfolgerin, von der wir Abschied nahmen);
meiner alten Schulklasse - hach!
gedacht
beim Lesen des "Turms": wie glücklich ich mich wähnen darf, dieses Land nicht auch noch als Erwachsene, als Familienmutter und Berufstätige erlebt zu haben, so dass mir all das Bedrückende, Schauerauslösende, was mich Kapitel um Kapitel schüttelte, irgendwie dann doch nur am Rande meiner Jugend begegnet war (übrigens: für mich persönlich bisher das "wahrste" Buch über die DDR, was ich gelesen habe);
dass ich ins Schuljahr mitnehmen sollte, was ich in meinen Vorbereitungstagen erfolgreich begonnen habe: mir selbst Zeitfenster zu setzen, die Tätigkeiten nicht ausufern zu lassen, sondern endlich mal die Pareto-Regel nicht nur theoretisch zu durchdringen
gefühlt
glücklich über unsere Fahrradreise - das ist noch gar nicht wieder abgeebbt; glücklich auch über die Ferienzeit zu Hause, wenn endlich mal Kinder und Haushalt nicht um knappste Zeitvorräte mit Schuldingen rangeln müssen, rundum innerlich ruhig, noch unbeeindruckt von dem, was bald wieder anströmen wird - diese Ruhe strahlt sogar noch in die ersten Schultage hinein
gestaunt
wie die Kinder in den Ferien immer wachsen - das ist auch dem Mann im Eisladen aufgefallen, der die Tochter nach unserem Urlaub fassungslos ansah: Boah, bist DU groß geworden!!!
gekauft
Fahrkarte nach Berlin; dem Sohne zum Geburtstag, was er sich wünschte (verrat ich nicht:)); Schulbücher für mich (doch doch, ich hab schon welche, aber im Regal fand sich noch ne Lücke); Hefte und Schuldinge für die Kinder einschließlich Turnschuhen (41 und 34 steht auf den Sohlen, ich glaub das ja gar nicht); wie gesagt: leider eine neue Brille; und als Luxus: ein Holztablett, um meinen Arbeitsplatz besser mit Kaffee und Tee versorgen zu können
gefreut
einfach nur Zeit zu haben, mich den Kindern zu widmen, ob spielend, ob redend, ob beobachtend, oder gemeinsam kochend, gartenwerkelnd, sogar aufräumend - es waren so viele Nähemomente
geärgert
wie ich mich in immer die gleichen Muster hineinziehen lasse
gelacht
über den allerersten Comic der Tochter; viele witzige und slapstickartige Gesprächssituationen, von der entspannten Ferienzeit geschenkt; und unsere Klassentreffen sind sowieso immer lachsalvenüberflutet
geweint
beim Lesen der völlig unerwarteten Todesanzeige, und dann auf der Trauerfeier, und ein weiteres Mal, als die Kinder aus dem Urlaub kamen und ich es ihnen erzählte und wir gemeinsam sprachlos da saßen
berührt
in wie viele Gespräche ich mit den Kindern komme, wie viel aus ihnen zu mir strömt (und vermutlich umgekehrt auch), wenn ich mit Ruhe und Zeit und Gelassenheit einfach nur nichtberufstätig bin
Ausblick
Schule fängt an - und ich froooiii mich! (wenn ich auch noch großen Respekt vor der nun wieder anbrechenden dichten Zeit habe)
Dankbarkeit
morgens aufzustehen und zu leben!
und dann noch: dass hier eine Waschmaschine steht - wie gingen Urlaubswäscheberge in Zeiten der Handwäsche??? vermutlich gab es kaum Urlaube ... also auch noch: dass wir solch wunderbare gutdichte Ferienzeiten erleben dürfen

Montag, 8. September 2014

Zwischendurch


Zwischen all dem Schulemachen, täglich abends, wenn das Tageslicht nicht mehr auf den Monitor blendet, blättere ich mich durch meine Urlaubsfotos. Erstmals seit der Rückkehr ist Zeit und Raum dafür, in dieser Woche, da die Kinder mit dem Papa im Urlaub sind und ich allein bin.
Ich blättere. Bild um Bild. Vor und zurück. Jeden Tag durchspielend in meinem Erinnern. Unglaublich, wie mir jeder einzelne Moment, jeder Anblick, jede Etappe - auch die, von denen ich keine Fotos habe - intensiv vor dem inneren Auge erscheint. Ich muss den gesamten Weg, den gesamten Wegesrand aufgesogen haben, mit allem, was er in sich trug.

Noch selten hat mich nach einer Reise das Rückschauen so wehmütig gemacht. Da ist ... hm ... fast schon: Trauer ... dass ich diese vergangenen Tage und Wege loslassen musste und muss. Lasse ich doch zugleich auch ihr Lebensgefühl los, je stärker hier wieder Alltag einzieht. Das schmerzt, und das Wissen um ein "nächstes Mal" vermag nicht zu trösten. Kein Gefühl von Feriensattheit, wie ich es oft hatte. Mein Ich will sich nicht ins Ferienende hineinbegeben. Was ist das?

Besonders treffen mich die Bilder meiner verschiedenen Vergangenheiten, die mir auf der Reise begegnet sind. Es war so leicht, verklärend sehnsüchtig durch diese Straßen zu streifen. --- Es ist so schwer, all das Unaufgelöste zu realisieren, das diese Zeiten in sich tragen. Immer noch. Dieses verknüpft sich gerade mit den vielen Knoten, die meine Gegenwart bestimmen. Unaufgelöstes im Innen, im Außen, und kein Wegleugnen, kein Verklären möglich. Urlaubsmitbringsel: meine dringenden Aufgaben im Spiegel vor mir zu sehen.

Und noch etwas sehe ich im Spiegel (dem ich im Moment am liebsten entfliehen würde): das Fahren, das Unterwegssein an sich, das gesamte Seinsgefühl, von dem ich ahne, dass genau so zu leben wäre, wollte man nicht am Ende seines Lebens voller Bedauern zurückblicken - das konfrontiert mich damit, dass ich hier zu Hause gerade schon wieder in ein alltägliches Funktionieren abgleite, in ein allgegenwärtiges Verlieren des Augenblicks.
Verpackt in Schule-ist-mein-Traumberuf, in Haushalt-und-Ordnungmachen-befriedigen-mich, in Die-Kinder-wollen-und-brauchen-das-so kommt dieses Verlieren besonders subtil, kaum zu durchschauend, kaum greifbar daher.
Natürlich sind diese Sätze alle in gewisser Weise wahr. Zweifellos. Aber über weite Strecken meiner (All)Tage verselbstständigen sie sich, lösen sich von mir, zwängen mich in ein Korsett, lassen mich nicht mehr allein atmen. Manchmal "machen" sie mein Leben, ohne dass ich noch beteiligt zu sein scheine. Irgendwie so.
Könnte es anders sein? Ist das nicht mein selbstgewählter Weg als Working-mum? Mit all den Notwendigkeiten, zwischen denen ein Reiselebensgefühl im Hier und Jetzt (klingt abgedroschen, trifft es aber) kaum möglich ist?

Das Radwandern lehrt vieles: dass zwischen den notwendigen Dingen - den richtigen Weg und Nahrung und einen Schlafort finden, Zeit und Kraft einteilen, Wetter im Auge behalten, sich den Gegebenheiten des Weges fügen - ein inneres Sein und Verweilen möglich ist, ja, dass das gesamte Sein nur aus Verweilen besteht, aus tretenden, schauenden, staunenden, atmenden Augenblicken. Dass eine Rast vor einer grauen, trostlosen Mauer in einem grauen, trostlosen Dorf nur durch meine Wortwahl grau und trostlos scheint - gelebt haben wir sie als rundum guten Moment. Dass ein Tag voller Kilometer und Eile nur durch die Uhr am Handgelenk eilig scheint - gelebt haben wir ihn als rundum guten Tag. Dass viele Stunden ohne warmes Essen nur durch die (deutsche?) Idee einer warmen Mittagsmahlzeit unbehaglich scheinen - gelebt haben wir rundum gute Stunden. Anstiege, Gegenwinde, Umwege, sich ziehende Strecken - alles rundum gute Momente. So war das auf der Radreise.

Und hier??? Wo finde ich hier inneres Sein und Verweilen zwischen all den Notwendigkeiten? Geht das? Geht das nicht? Bin ich zu schwach, zu unfähig, meine Alltagsschritte umzuwandeln in solche, die dem Rundum-Gut der Radreise auch nur entfernt nahe kommen? Oder ist das Illusion, weil das "echte" Leben eben doch keine Radreise ist? Was würde es bedeuten, durch die Alltage zu gleiten wie durch die Landschaften mit dem Fahrrad?
So viel zu arbeiten, wie ich es in den letzten Jahren getan habe, so beschäftigt zu sein auf allen Ebenen, entbindet ja bequemerweise auch davon, dieser Frage ehrlich ins Gesicht zu schauen: 
Unfähigkeit oder Unmöglichkeit?

So Fragen, aus Urlaubsbildern heraufsteigend. Und nicht nur. Auch aus der seit Dienstag auf meinem Schreibtisch liegenden Todesanzeige. Sie war ein paar Jahre älter als ich, eine Lehrerin meiner Kinder, hätte in zwei Wochen eine neue erste Klasse in ihre warmen Arme schließen sollen. Eine "Lehrerin mit Leib und Seele", schreibt ihre Schulleitung, "mitten aus dem Leben", schreibt ihre Familie. --- Wie leben wir dieses Leben? Wie lebe ich dieses Leben? --- Ob sie im Frieden ging? Ob da Bedauern blieb? Ob sie auf ein Rundum-Gut zurückschauen konnte? Oder ob da bis zum Schluss Suche nach einem "Reiselebensgefühl" blieb, wie auch immer sie das in ihrer Sprache genannt hat?
Zwischen Schuldingen und Fotoschauen gehe ich auf die Trauerfeier. Auch stellvertretend für meine Kinder, die noch im Urlaub sind. Tränen. Erschütterung. Umarmungen.

In dem Moment, wo hier plötzlich der Tod in meine gärenden Fragen hineinschwingt, das Wiedermalgewahrwerden, dass nicht ewig Zeit bleibt, wo nicht Kinder und Schulalltag mich ablenken, wo kein Ausredenmäntelchen zum Flüchten mehr bleibt --- fühle ich mich nackt. Konfrontiert mit mir selbst, ohne alle Tarnhüllen und Schutzhäute.

Ich ahne, wie verführerisch und einlullend der Gedanke ist, das ginge eben allen berufstätigen Müttern so. So sei das eben, alles "normal" also.
Ich ahne, dass es nur allzu bequem ist, das Schild "Unfähigkeit" mit dem Etikett "Unmöglichkeit" zu überkleben.
Ich ahne, dass, wenn ich mir das Schild schon sichtbar vor Augen führe, ich die "Unfähigkeit" dringend umbenennen müsste. In einen liebevolleren Begriff, der noch zu suchen wäre. Damit sich mein inneres Kind nicht gepeitscht fühlt.
Und aus diesen Ahnungen blitzt mich unverhüllt und ungeschützt mein Ich als Du im Spiegel an.

"Zwischendurch", schrieb ich oben hin, bevor der Text aus mir wuchs.
In manchem Zwischendurch wohnt wohl das Eigentliche.

Sonntag, 7. September 2014

Ein Schuljahr im Werden #3

Heute morgen bin ich ungewohnt schnell am Produzieren, weiß jetzt schon nicht mehr, was da alles herauskam, und hoffe, mich in der ersten Schulwoche noch aller Dateien zu entsinnen. Wenn ich so weitermache, ist bald die erste Woche komplett vorbereitet. Und dann könnte ich ja nächste Woche die zweite Woche, und in der ersten Schulwoche dann die dritte, und in der zweiten die vierte vorbereiten ... wie verlockend das klingt ... ob das so geht?
Nee, unrealistisch. Nur wenn ich umlerne: von "Eine Aufgabe dauert immer so lange, wie ich noch für sie habe" zu "Eine Aufgabe dauert genau so lange, wie ich ihr gebe". - Ich habe viel zu lernen.
Aber zunächst mal formen sich die gestrigen "flauen Ideen" für Klasse 6 zu einer konkreten Planung der ersten Woche, schon mit Arbeitsblättern und allen zugehörigen Überlegungen.
Klasse 12 bekommt ein Gruppenpuzzle zur Wiederholung von Funktionseigenschaften. Über dieses bis zum Überdruss moderne Gruppenpuzzle töne ich immer herum, dass ich noch nie eines gemacht habe, weil die Methode so überhaupt nicht meine ist. Still und klammheimlich werde ich es nun in meinem Luxuskurs (die Schüler wissen alles schon ohne mich, wirklich, und das in Mathe, in Ma.the!) doch mal wagen.
Dazu liegt ein Stapel Trainingsblätter bereit, viel zu gutgemeinthoch wie üblich, und ich kann schon jetzt in der noch zu entstehenden Abizeitung über die von mir permanent flutenden Übungsaufgabenberge lesen. Aber solange ich beim Lehrerranking "Beste Abivorbereitung" weiterhin unter den ersten drei lande, nehme ich den "Kopierfreak"-Titel gern als Additum in Kauf :)
Für Klasse 9 lege ich noch Ordner und Unterlagen auf den Schreibtisch, damit es morgen früh (oder heute abend noch) einen schnellen Start gibt. Spannend: ich habe diese Klassenstufe, diesen Altersjahrgang in G8-Zeiten noch nie (in Worten: NIE) unterrichtet, weiß gar nicht wie das geht mit dieser aufgeblühten Pubertät. Kurz vor den Ferien durfte ich einmal inkognito in genau diese Klasse, die jetzt die meine wird, zu einer Vertretungsstunde. Nun, sagen wir mal: es wird eine Aufgabe.
Ich realisiere erschreckt, dass im Oktober eine Vergleichsarbeit ansteht und dass ich keine Ahnung habe, wie eine solche aussieht - wie unwissend kann man sein als erfahrene Lehrerin im Schuldienst :(  Ich lege also noch mehr Ordner und Unterlagen für morgen auf dem Schreibtisch bereit und maile hilfesuchend meinen Lieblingskollegen an. Wird schon, wird der mir hoffentlich schreiben. So lange muss ich mir das selber sagen.
Was auf jeden Fall wird bzw. schon geworden ist: mein Stundenplan. Der flattert in diesem Moment in die Mailbox. Es ist mir fast schon ein wenig unangenehm gegenüber den Kollegen: Seit Jahren habe ich das Gefühl, ich bekomme immer die beneidenswertesten Pläne. So dass ich meinen Zettel ganz schnell umdrehe, wenn im Lehrerzimmer das große Jammern und Klagen ausbricht.
Diesmal etwa: keinerlei Nachmittag, und montags kein Unterricht. Hej: montags kein Unterricht!!! Hatte ich erst einmal im Leben. Wie das war? Sonntage waren endlich Sonntage, so wie die meisten Menschen Sonntage eben verbringen: sonntäglich und unschreibtischlich.
So hoffe ich jetzt mal auch. Da gibt es zwar noch meine weitere Teilzeitstelle neben der Schule, die nun u.a. meine Montage füllen wird. Da diese aber eher präsenz-, weniger vorbereitungsintensiv ist, darf ich vielleicht wirklich hoffen, dass Sonntage in den nächsten Monaten zu wirklichen Sonntagen werden ...

Freitag, 5. September 2014

Ein Schuljahr im Werden #2

Auch an Tag 2 lässt der Kreativitätsschub auf sich warten. Dennoch wende ich mich vom Wegwerfen ab und dem Produzieren zu. Kalendereinträge, Schülerlisten, Exceltabellen jeglicher Machart, Formulare und Infozettel für Eltern und Schüler, Stoffverteilungspläne, erste Einträge in Planungsvorlagen. Gedanklich noch nicht sehr fordernd, einfach nur abzuarbeiten.
Grundsätzliche Überlegungen zu strukturierterer, papiervermeidender, langfristig brauchbarer Planungstätigkeit: Wenn meine digitalen Dokumente sich beginnen zu bewähren und vorzeigbar werden, mehr dazu.
Bisher war ich nämlich eine große Freundin von Fresszetteln, Kladden, Papieraufzeichnungen, winzigen Schreibblöcken, Randnotizen, Post-its, die dann irgendwann abfallen, Kalenderdoppelführung ... nur das Genie überblickt das Chaos. Mit den Jahren werde ich wohl weniger genial:), oder ich bin es einfach leid, das Rad jedes Schuljahr neu zu erfinden, weil ich meine alten Aufzeichnungen nicht mehr finde oder nicht mehr durchschaue oder die Reihenfolge umstelle und daher alles neu aufschreibe oder oder oder. Zu viel Gedankenverwaltungstätigkeit, zu wenig Zeit für inhaltliches Denken, sagt mir mein Unbehagen. Und sagen mir eben die 30 Leitz-Ordner.
Daher heute also ein paar grundsätzliche Überlegungen, wie ich meinen Berufsalltag mit Computer, Tablet, Handy, Word, Excel, GeoGebra, OneNote, einem noch zu findenden Termin- und Aufgabenplaner und viel Synchronisation weiter digitalisieren kann. Meine kleine persönliche Revolution:)
Am Nachmittag dann doch noch Eintauchen in Inhaltliches: Planung von Klasse 6. Wiedererinnerungsmaterialien - ui, ich hab vor den Ferien ja schon was kopiert: wie vorausschauend! Dazu ein paar flaue Ideen für einen "Ferienaustausch" mit sinnvoller mathematischer Wiederholung (Rechnen mit großen Zahlen, Umrechnen von Einheiten, Darstellen von Daten in Diagrammen - da muss doch was gehen?!) Aber diesen Jahreseinstieg nicht ausufern lassen bitte, sage ich zu mir selbst; das tut schon mein Stoffverteilungsplan, weil ich für die Bruchrechnung so viele Ideen habe, dass ein Schuljahr kaum reichen wird.
Ich blättere also in meinen Notizen zu den dialogischen Ideen (siehe auch hier und hier), in die ich diesmal mehr als bisher nur mit der großen Zehe eintauchen will. Ein Spagat zwischen absolutem Stofffülle-Zeitmangel in unserem G8-Gymnasiumsplan und dem Ahnen darum, dass diese - zeitintensiven - Wege des Lernens die einzig nachhaltigen sind. Ich suche geeignete Aufträge aus dem Ich-Du-Wir-Lehrbuch und Texte aus  "Zu Gast bei Brüchen und ganzen Zahlen" und freue mich schon jetzt auf kreative Schülertexte, -ideen und -zeichnungen in den Heften, auf unsere (schriftlichen) Dialoge und auf die dabei entstehenden persönlichen "Bruchalben". Schon vor zwei Jahren hatte ich dies punktuell gewagt, erlebte mit den Schülern zusammen sehr intensive Unterrichtsphasen, erblickte plötzlich ganz andere Schüler (vor allem Schülerinnen!), konnte ganz neu in die Gedanken der Kinder hineinschauen. Damals kapitulierte ich dann aber vor der drückenden Enge des Stoffes. Diesmal der Versuch, länger durchzuhalten, das Jahr anders einzuteilen. Mein passioniertes Matheplanungshirn beginnt zu arbeiten ...
Im Nachklapp flutscht gleich noch die Stoffverteilung für den Kurs in den Computer - am 19. März ist Abitur, auf gehts. (Wenn ich mich nicht verzähle: mein sechstes. Mit dem 1987er zusammen mein siebtes. Man, bin ich alt:))
Eigenbeobachtung: Je später der Tag, desto selbstgesprächiger werde ich. Ganz schön einsam hier an der Vorbereitungsfront. Habe schon begonnen Mails an Kollegen zu schreiben. Aber noch keiner wagt sich aus der Deckung des Ferienschlupflochs heraus. Na wartet. Wenn Ihr nächste Woche vor davonlaufender Zeit japst, sitze ich in Berlin und verbringe in Ruhe meine letzte Ferienwoche. Weil ich nämlich alles fertighaben werde.
Mit diesem Ziel vor Augen heute gleich meine erste Undiszipliniertheit, das mir selbst verordnete Zeitfenster von sechs Stunden täglich zu sprengen. Um eine Stunde. Psst. Für morgen gelobe ich Besserung ...

(PS: Alle die bis hierher durchgehalten haben, sind wahrscheinlich selbst Mathelehrer oder verdienen ein Kompliment. Das Oder schließt ja das Und ein ...)

Mittwoch, 3. September 2014

Ein Schuljahr im Werden #1

Wie gut, denke ich, als ich plötzlich diesen Zettel wiederfinde. Habe ich doch vor den Ferien noch schnell notiert, mit welchen Plänen, Ansätzen, Umsetzungen dieses neue Jahr starten soll. --- Blöd nur, dass ich dies in so knapper Form getan habe, dass mir meine Ideen nun selbst verborgen sind :(
Also erstmal Computer hochfahren, Datei für Datei, Zeile für Zeile abtasten, zäh fließen Wiedererkennensmomente. Ich rühre in meinen Gedanken wie in einer Suppe, Struktur lässt auf sich warten und sich nicht herbeibetteln, Kopf und Auge springen hin und her zwischen Blättern, Listen und Kalendern, die Hände zupfen derweil wahllos Bücher, Broschüren und Leitz-Ordner aus dem Regal. Binnen Minuten ist der Schreibtisch zugedeckelt.
Nun also: Leitz-Ordner. Wenn ich sie schon herausgewuchtet habe. Da ist zum Beispiel der mit der Aufschrift "Klasse 11". Die gibt es bei uns schon seit 2010 nicht mehr. Irgendwann wollte ich die Materialien wegsortieren - dorthin, wohin sie im G8 jetzt gerutscht sind: nach 10, oder in die Kursstufe, oder eben ins Nirvana. - Irgendwann ist jetzt.
Zum Motto des Tages wird: Wegwerfen, Aussortieren, mich trennen. Von Materialien, Arbeitsblättern, Tests nämlich, die ich einmal und nie wieder benutzt habe, in denen sich meine ambitionierte stürmische Anfangslehrerseele widerspiegelt, mit denen ich schon damals Schüler überfordert haben muss - und jetzt erst! - und die ich seither Jahr für Jahr durchblätterte und im Ordner schmachten ließ. Genug geschmachtet: 30 Leitzordner Schulzeugs habe ich in zehn Teilzeitjahren produziert, alle voll mit Könnte-ich-vielleicht-nochmal-gebrauchen-Zeugs. So geht das nicht weiter. Das heute großzügige Weg-damit soll der Anfang meines Versuchs sein, papierärmer zu wirtschaften.
Als ein Papierkorb gefüllt ist, lassen sich die Deckel der vier Kursstufenordner erstmals seit Jahren wieder ohne Brachialbiegung schließen. Besser als nichts. Der Papierkorb als immerhin sichtbares Zeichen einer produktiven Tätigkeit.
Eigentlich wollte ich heute ja mit den Themenblöcken für den Mathekurs Rochade spielen. Vor den Ferien hatten wir es schon mit den Parallelkollegen abgesprochen, hatten Gründe gehabt. Erst Analysis? erst Geometrie? Stochastik gleich wiederholen? oder erst vorm Abi? Nun ist die gesamte Absprache aus unseren damals nur noch notstromaggregatversorgten Köpfen verschwunden. Zeugniszeiten eignen sich nicht für Absprachen.
Und der heutige Abend ist nicht gemacht für erneutes Gründefinden. Morgen ist auch noch ein Tag, denke ich, als ich das Stoffverteilungsformular unausgefüllt wieder zuklicke.
Der Rest ist planloses, sprunghaftes, erratisches Herumstochern in anderen akut anstehenden Dingen. Listen, Formulare, Arbeitsblätter, Nachprüfungen wollen erstellt, erste Nachferienstunden, Schuljahreseinstiege, Kennenlernphasen, Wiederholungswochen konzipiert werden. Meine Gedanken und Mausklicks hopsen im Zickzack querbeet.
Wie gesagt: Morgen ist auch noch ein Tag.
(Für diese ersten Tage habe ich mir eine Zeitdeckelung gegeben. Ein weiteres Experiment im neuen Schuljahr: Schaffe ich es, bewusster mit meiner Zeit zu haushalten?)