Freitag, 14. September 2012

Schulkindmutter

(Ich bin's ja schon lange, schon vier Jahre. Aber selten habe ich es so intensiv wahrgenommen wie in diesen Tagen.)

Wochenlange Vorfreude beim Sohn. Ein gepackter Schulrucksack, seit Wochen in seinem Zimmer deponiert. Schlaflosigkeit in der letzten Woche - vor lauter Aufregung. (Hoffentlich führt das Schlafdefizit bald dazu, dass er abends wieder zu "normalen" Zeiten in die Ruhe hineinfindet.)
Zappeliges Umherhüpfen, als es am Montag Abend in die große Halle ging, zur feierlichen Aufnahme der neuen Fünftklässler, zur Verkündung der Klassen, der Klassenlehrer, zur ersten (abendlichen) Schulstunde. Hätte mich nicht meine Erwachsenenvernunft gebremst, wäre ich wohl ebenso zappelig umhergehüpft. Ja, auch ich: aufgeregt. Und ein paar Tränchen, eine von diesen Gerade-war-er-doch-noch-in-meinem-Bauch-Situationen.

Fast ebenso aufregend: Wie er morgens mit seinen Freunden in großem Fahrradpulk aufbricht, ins Nachbardorf. Viel zu früh seien sie gewesen, als erste an den Fahrradständern. Gut so, sage ich, habt Ihr noch freie Plätze bekommen. - Sie sehen das offenbar genauso, denn sie fahren den Rest der Woche zur gleichen Uhrzeit ab. Freiwilliges Zufrühkommen :)
Rückkehr mit schwerbepacktem Rucksack: 6 Bücher, 3 dicke Arbeitshefte, bei Hitze damit den Berg hochgeradelt. Mit dem Stöhnen gleich sein erstes Erzählen: Da wäre ein Junge in der Klasse, der hätte all die Bücher nur ins Schließfach getan, weil seine Mutter die dann mit dem Auto abholen würde. - Das macht man doch am Gymnasium nicht mehr! Sagt der Sohn. Ich schmunzele :)

Abend für Abend packt er Ranzen wie noch nie. Sorgfältig, geordnet, sortiert, wohlorganisiert. (Ist das mein Sohn???) Ebenfalls wie noch nie: Er erzählt von der Schule. (In der Grundschule gab es wohl nie etwas Erzählenswertes :)) Ich erfahre so manches, über Mitschüler, über Lehrer, über ihn selbst vor allem.
Ohnehin erfahre ich ja so manches: Für meine Kollegen ist es noch ganz ungewohnt, ein Kollegenkind zu unterrichten - er ist seit langen Jahren der erste. Noch  bekomme ich begeisterte Ich-hatte-heute-Deinen-Sohn-Ausrufe. Und ein paar Beobachtungen: Er ist ja ganz ... Dabei auch schon Attribute, die mich fragen ließen: Bist Du sicher, dass Du von meinem Kind redest?
(Tja, im Moment liegt sein schulisches Erleben damit recht gläsern vor mir. Wohl normal in der Anfangssituatiuon. Aber hoffentlich nicht für immer. Das muss ich mit meinen Kollegen zusammen unbedingt lernen, dass er dort in der Schule auch eine Privatsphäre hat, dass nicht immer ich mit im Raum schwebe. Wie gut daher, dass ich momentan nur zwei Tage die Woche in der Schule bin, dass wir uns auf den Fluren wohl eher nicht treffen werden.)


Und dann die Tochter. Morgen ist ihr großer Tag. Gestern Abend habe ich sie gepackt:





(Nein, nicht ganz passte es - obwohl das Krepp-Papier "in freier Wildbahn" plustert und sich die Menge daher gut "stopfen" ließ. Drei große Päckchen mussten dennnoch draußen bleiben. --- Jedenfalls: Nach dem Auspacken wird sich die größte Beunruhigung der Tochter, dass wir von der Materialliste doch noch gar nicht alles haben, in Luft auflösen :)  Und mir fällt gerade ein: Es ist kein einziges Stück Süßes drin. Irgendwie vergessen. Ob die Tochter das erwarten wird? - Soviel also zur Frage, die neulich aufkam, ob es eher Schultüte oder eher Zuckertüte heißt. Hier also: Schultüte. Fast pur ...)

Auch sie also ungeduldigst-vorfreudig seit Wochen, seit Monaten.
Ich dagegen - hm - weniger: Der Erstklasselternabend am Mittwoch - ja, ganz gut, um die neue Lehrerin kennenzulernen. Glück gehabt, denke ich, und höre ich von anderen Eltern. Aber was sie erzählt hat, über all die Abläufe in den ersten Wochen, das war mir wie ein alter Hut, das hat mich nicht erregt, da gibt es bei mir keine Fragen, da ist nur ein Hatten-wir-ja-alles-schon. (Ungerecht, dass man sich dem Kind und seinem neuen Lebensabschnitt daher weniger widmet? Oder ist es umgekehrt eher besser, wenn der Schritt unspektakulärer gesehen wird? - Es ist ja immer so bei zweiten - und dritten und vierten ... - Kindern, im Vergleich zum ersten ...)

Jedenfalls: Hier viel Neuland in der Familie. Gut fühlt es sich an. Gut fließt es. Wir sind - bei allen Veränderungen in den äußeren Abläufen - im Innern sehr ruhig, sehr ruhend. Tragen noch die Gleichmäßigkeit des Radwanderns in uns (mensch, jetzt vor einer Woche saßen wir noch in den Satteln - unglaublich, wie viel inzwischen geschehen ist!), leben die "Neujahrsvorsätze" bisher erfolgreich. Ich zum Beispiel: mehr schlafen, vor Mitternacht ins Bett, in der Schule regelmäßig was essen und in jeder (jeder!) Pause trinken, nachmittags und spätabends dienstliche Mails abstellen - das ist mein Neuland. Ein Neuland der kleinen Schritte. Oder eigentlich: der ganz dringenden Schritte zum Gesundbleiben.

Nun: Klavier üben, und mit der Tochter Cello. Heute beginnt der Unterricht. Wir sind uns mit Sohn und Tochter einig: wir haben alles verlernt. So muss das sein nach den Ferien :)

Sonntag, 2. September 2012

PS

Wenn man elf ist, dann ist man groß, stark, ausdauernd und durchhaltefähig genug, um eine kleine Fahrradreise zu unternehmen. Morgen früh werden wir uns vom Baden-Württemberg-Ticket ganz an den südlichen Rand unseres Landes bringen lassen und von dort - Konstanz - eine Woche lang immer rheinabwärts radeln, durch drei Länder. Nur wir beide, nur mein Sohn und ich. (Und 274891 andere Fahrradtouristen.)

Dann wird sich zeigen, ob ich groß, stark, ausdauernd und durchhaltefähig genug sein werde, um mit meinem Sohn mitzuhalten. In der Familie mutmaßt man, ich hätte um Anschluss zu halten mir besser ein Fahrrad mit Elektromotor genommen:)

Ich werde sehen und berichten ...

Samstag, 1. September 2012

elf

Wenn man elf wird, dann ...

... bäckt man sich seinen Geburtstagskuchen allein (gerade mal die Kerzen, habe ich durchgesetzt, wurden von mir gesteckt).

... wird der Friseur angewiesen: Ja nicht zu kurz. - Damit man die Haare noch ordentlich zur Seite werfen kann. So wie man die Haare heutzutage eben wirft.

... ist man glücklich, allein mit dem Fahrrad ins nächste Dorf oder in die Stadt fahren zu dürfen, um etwas zu besorgen. Ja, man wartet förmlich darauf, dass die Eltern beim Einkauf etwas vergessen haben:)

... schmettert man die Mama beim Tischtennis fast schon zu Boden. (Ich geb mir noch ein halbes Jahr ...)

... verabredet man sich spontan mit Freunden, immerzu. Tage allein zu Hause sind nahezu unerträglich. Und falls wider Erwarten die Mutter in dem Moment ein Anliegen hat, heißt`s nur: Ich muss jetzt zu M. Und weg ist man.

... nennt man Ferien die schönsten Ferien der Welt, weil man vom Vater Arbeitsaufträge mit Gartenhäcksler und Heißklebepistole bekommt.

... heißt es nur: Ist doch ganz einfach! - wenn die Mama an Handy oder Computer mal wieder etwas nicht hinbekommt. Und tatsächlich: für Elfjährige scheint es einfach zu sein :)

... kann man so vertieft - sooooo vertieft - in ein Buch, ins Basteln, ins Erfinden sein, dass man die restliche Welt (inklusive uns) am liebsten zum Mond schießen würde, weil sie einen ständig abhält vom Wichtigen.

... trägt man Kopf und Herz voller tiefer Fragen an die Welt, versteckt diese aber allzuoft hinter Albernheiten oder Tränen oder Wutausbrüchen.

... sagt man, was man denkt, immer! Vor allem, wenn man etwas ungerecht findet - gegen sich oder gegen andere. Und manchmal sagt man sogar, was man fühlt. Aber nur wenn niemand danach fragt. Auf solche Fragen heißt die Antwort nämlich Nichts. oder Schön. oder Gut.

... hat man ein Lächeln, so mit Grübchen und schräggelegtem Kopf, in das sich die Mama jeden Tag neu verliebt. (Und wer weiß wer noch - irgendwann, oder bald ...)

... braucht man das Kuscheln noch so sehr, so sehr. Es darf nur niemand mehr sehen :)

... nimmt man hin und wieder die Mama in den Arm: Wir schaffen das!


Wir schaffen das! - Genau das hatte mir die Hebamme vor 11 Jahren auch gesagt. Als es so verdammt weh tat. --- Heraus kamen zwei große Augen. Ein Mensch, ein richtiger fertiger kleiner Mensch - durchfuhr es mich. (Ich hatte dies wohl bis zum Schluss nicht geglaubt :))
Wer bist denn Du? - fragte ich das Menschlein leise, als es warm und gewärmt auf meinem Bauch lag. In diesem Moment wusste ich noch nicht, ob Du ein Mädchen oder ein Junge bist. Dies zu fragen, fiel mir erst später ein.

Mein kleines Du - welch großer, wunderbarer Junge Du geworden bist!
Ich liebe Dich. Seit elf Jahren. Und für immer.