Dienstag, 28. September 2010

Zu lernen

BEOBACHTE!!
Es gibt wenige Dinge, die so wichtig, so spirituell sind wie Beobachten.

(Frederik Buechner)


Ich kann damit umgehen, wenn du mir sagst,
was ich tue oder nicht tue.
Und ich kann damit umgehen, wenn du interpretierst.
Aber bitte vermische beides nicht miteinander.

Wenn du ein Problem durcheinanderbringen willst,
kann ich dir sagen, wie das geht:
vermische das, was ich tue,
mit deiner Reaktion darauf.

Sag‘ mir, daß du frustriert bist,
wenn du die ungemachte Hausarbeit siehst.
Aber mich „unverantwortlich“ schimpfen
motiviert mich überhaupt nicht.

Und sag‘ mir, daß du dich verletzt fühlst,
wenn ich „nein“ sage zu deinen Annäherungsversuchen.
Aber mich einen frigiden Mann zu schimpfen
erhöht deine Chancen bei mir nicht gerade.

Ja, ich kann damit umgehen, wenn du mir sagst,
was ich tue oder nicht tue.
Und ich kann damit umgehen, wenn du interpretierst.
Aber bitte vermische beides nicht miteinander.


(Marshall B. Rosenberg)


(Wir bereiten gerade eine schulinterne Fortbildung zur Gewaltfreien Kommunikation vor. Es klingt so einfach, und ist so schwer. Und dabei essentiell - nicht nur für die Schule.)

Abendgespräch

"Wie oft noch schlafen, Mama, bis ich in die Schule komme?", fragt mich das Tochterkind, nachdem sie beunruhigt festgestellt hat, dass sie überhaupt nicht wisse, wie die Zimmer in der Schule so aussehen und dass wir unbedingt mal den Bruder zusammen abholen müssten deswegen.
Ich lache: "Etwa siebenhundert Mal."
Daraufhin lacht sie: "Das ist doch keine richtige Zahl: sie-ben-hun-dert - was soll das denn sein???"
"Doch, das ist eine richtige Zahl", sage ich.
"Ist das lang oder kurz?"
"Genau richtig", antworte ich, "nicht zu lang, nicht zu kurz, genau richtig ist das."
"Hm". So richtig überzeugt klingt sie nicht.
"Hm", nochmals. Was auch immer sie damit sagen will.

Montag, 27. September 2010

Tschechien: Ausflug nach Telc

Habe endlich weitere Tschechien-Bilder herausgesucht.
Blogger war heute wieder gnädig beim Hochladen (gestern war er's nicht) - also sind hier meine Impressionen vom wunderschönen Telc.
Bin heute nicht mehr in Schreiblaune, und mehr als die Bilder könnte ich auch nicht erzählen - also lasse ich Euch mit den Bildern allein und gehe jetzt schlafen ;-)










































































Soll ich ... soll ich nicht ...?

Ich sitze hier vor zweien meiner letzten Blogeinträge.

Hier im letzten lese ich, dass Schule eigentlich nur noch funktioniert, wenn die Eltern eifrig mittun. Und ich bin ja auch Mutter - Grundschulkindsmutter.

Und in diesem hier lese ich, dass ich lernen muss, nein zu sagen - dringend. Im ureigensten Interesse.

So.
Heute also die Infozettel, Stücker drei. Es geht um die erste Oktoberwoche.
Dienstag und Donnerstag Abend sind eh belegt - Elternabende von der Lehrertischseite aus.
Dazu:
Montag - Elternabend im Kindergarten.
Mittwoch - Elternabend in der Klasse meines Sohnes.
Freitag - Mathenacht in der Grundschule. So etwas wie letztes Jahr. Was Kinderaugen strahlen lässt. Wofür die Lehrerinnen unglaublich viel Zeit und Kraft investieren. Doch dazu - so steht es also auf Infozettel Nummer drei - bräuchte man wieder zahlreiche Eltern, die Stationen betreuen und an allen Ecken und Enden helfen.
Klar. Und überhaupt: Ist ja mein Metier - wer wenn nicht ich könnte sich bei so etwas sinnvoll einbringen?

Tja, und nun sitze ich hier: Soll ich ... soll ich nicht ...?
Hat mal jemand ein Gänseblümchen für mich?

Mitteilungen der Woche

In einem Brief unserer Schulleitung, an alle Eltern: Die ausgebildete Theaterpädagogin, die seit Jahren das Schultheater leitet, erfolgreiche Aufführungen inszeniert, für ein Taschengeld, solle endlich angemessen(er) bezahlt werden, leider sind keine Gelder dafür da. Die Eltern der teilnehmenden Kinder (und andere auch) werden um einen kleinen finanziellen Jahresbeitrag gebeten, um unseren Schülern diese wertvolle Arbeitsgemeinschaft erhalten zu können.

In einem Schulflurgespräch in der Grundschule: Die pensionierte ehemalige Lehrerin meines Sohnes wird den Chor auch dieses Jahr noch leiten. Überraschenderweise. Oder auch nicht. Sonst seien nämlich keine Gelder dafür da, keine Lehrerstunden. Sonst würde er aufgelöst werden, der Chor.

In einem Elterngespräch im Kindergarten: Die Musikerin-Siebenfachmutter, die bisher für ein geringes Entgelt für alle Kinder wöchentlich eine Stunde "Musikgarten" angeboten hat, kann in diesem Jahr nicht mehr finanziert werden.

Drei Mitteilungen innerhalb einer Woche.

Lesewerkstatt und Knobelclub im Kindergarten, die "Rechenpiraten" in der Grundschule, Förderangebote im Gymnasium bleiben bislang erhalten - diese Arbeit wird von Eltern schon immer unentgeltlich geleistet.

Wände streichen tun sie auch, die Eltern, und Spielplätze bauen, und Schulveranstaltungen als Aufsichtspersonen begleiten. Unentgeltlich.
Kuchen backen sowieso - das weiß jede Schulkindmutter. Sonst würden die letzten simplen Projekte von Schulseite nicht mehr finanziert werden können, ohne die Einnahmen aus Kuchenbasaren.

Mir ist klar, dass wir auf hohem Niveau jammern, hier im Süden. Wir sind nicht auf dachdeckende, heizungsinstallierende und toilettenreparierende Eltern angewiesen. Noch nicht.
In Berlin haben wir es so erlebt. ... Bald auch hier?

Arm, arm, arm, unser Land.


PS.
Keine fünf Minuten habe ich das Post veröffentlicht, da kommt mir auf dem Schulflur zufällig zu Ohren, dass zum Jahreswechsel zwei unserer drei Hausmeister in Rente gehen. Vielleicht würde ein neuer eingestellt, vielleicht auch keiner.
Na - da wird das doch noch was mit Toiletten- und Heizungsreparaturwochenendeinsätzen für engagierte Eltern :(

Regenspaziergang

Gestern - ein ruhiger Tag.


Nur äußerlich trübe.


Im Regen zu laufen tut gut.


Reinigt, erfrischt, besänftigt, lässt wacher werden.


Und macht mir das Dach, unter dem ich lebe, wieder bewusster.

Sonntag, 26. September 2010

Kindergeburtstag, der neunte

Sommerferiengeburtstagskinder haben Pech: immer sind zu ihrem Feste alle Freunde verreist.
Sommerferiengeburtstagskinder haben wiederum Glück: sie dürfen nämlich aus diesem Grund stets zweimal feiern.
Gestern also nochmals Geburtstag, der neunte.


Teil 1: Die Fuchsjagd
Ja, geschickterweise legt man die ans Ende, das weiß ich. Aber wir wollten den Nur-Nieselregen nutzen - in der Angst, dass der später stärker würde.
Erste Überraschung: der Sohn soll sich eine Füchsin auswählen - doch die jungen, geladenen Damen zieren sich allesamt. Und zwar mit einer Gestik und Mimik, die deutlich verrät, dass man das jetzt nicht mehr mache: Mädchen und Junge allein - dann denken doch alle gleich ... aha :)
Der Sohn wählt sich also einen Freundfuchs und begibt sich mit diesem in die Felder.
Die Möchtenichtfüchsinnen und die übrigen Jungs werden zu spurensuchenden Fuchsjägern.
Ein nächstes Aha-Erlebnis. Während im letzten Jahr noch stürmisch und kindlich-aufgeregt den Spuren, auch den in die Irre führenden, nachgerannt, keuchend in alle möglichen Richtungen gestoben, alles ausprobiert wurde, bis der richtige Weg gefunden war (und letztlich die Füchse uneinholbaren Vorsprung gewonnen hatten), geht die Kinderschar diesmal besonnen, ruhig, fast schon abgeklärt vor. "Nein, wenn sie hier einen Pfeil gezeichnet haben, dann sind sie gerade nicht da lang gegangen - das soll uns täuschen, denn wo sie wirklich abgebogen sind, war nie ein Pfeil." --- und --- "Nein, das haben sie nur so auf diesen Weg gelegt - wären sie dortlang gegangen, könnten wir doch auf dem Untergrund ihre Spuren nicht mehr finden." --- so argumentieren die kleinen Jäger. Ich bin verblüfft. Und wir sind dadurch viel schneller als letztes Jahr.
Erspähen bald am Horizont die Füchse, und in dem Moment erwacht zu meiner Erleichterung doch noch ein kindlicher Renn- und Jagdtrieb. Die Tochter und ich werden abgehängt, die Jäger rennen querfeldein, ausdauernd, listig-lustig und erobern die Schwanztrophäen.


Teil 2: Nach der Fuchsjagd
Nein, die Mütter waren nicht schuld, dass die Gästekinder allesamt in Jeans und Halbschuhen über die regenmatschigen Felder tobten. Erfuhr ich doch im Nachhinein, dass der Sohn, welcher morgens alle Gäste deswegen anzurufen hatte, auf die Nachfrage, ob Regenhosen und Gummistiefel auch, oder nur Regenjacke, stets großzügig geantwortet hatte: "Nein, Jacke reicht."
Also hole ich beim Heimkommen einen Stapel Jungshosen in 140 aus dem Schrank und einen Stapel Mädchenhosen in 128 vom Speicher (es geht doch nichts über gute Kleidervorratswirtschaft :) ), stelle die Sockenkiste des Sohnes daneben und fordere die Kinder auf, die nasse durch trockene Kleidung zu ersetzen.
Wieder ein Aha-Erlebnis. Die Jungs bedienen sich gleichmütig vom Hosenstapel, sind aber nicht zu bewegen, ihre Socken mit Fußball- oder sonstigem Motiv gegen eines unserer langweiligen Paare einzutauschen. Was nicht geht, geht eben nicht :)
Die Mädchen dagegen akzeptieren zu meiner Überraschung die jungsfarbenen Socken, stehen aber vor den Hosen mit langanhaltendem: "Nee, iiih, die nicht." Und dabei geht es nicht darum, dass sie zu kurz sind. Es braucht ne Weile, bis sie sich überreden lassen, die eigenen Hosenbeine sind wohl doch zu nass.
Nächstes Aha-Erlebnis: Jedes Kind braucht zum Umziehen ein eigenes Zimmer. Lediglich zwei der Mädchen gehen zusammen ins Bad. Aha - sehr laut denke ich das. Und frage die Kinder, wie sie das denn beim Sportunterricht machen würden. Das wäre ja was anderes, stöhnen sie einmütig, und schauen mich so an, dass mir klar wird, dass ich einfach keine Ahnung habe.


Teil 3: Die Spiele
Nein, ich bin nicht naiv. Zwei oder drei hatte ich vorbereitet. Nicht mehr. Und auch nicht aus der Kategorie Topfschlagen oder so.
Letztlich finden sie die dann doch witzig, wollen sie nächstes Jahr wieder spielen. Bis es aber dazu kommt, tönt ein einziges: "Müssen wir jetzt spielen?" - und - "Ist das langweilig!" - und - "Wie lange dauert's denn?" - und - "Keine Lust."
Ich bin kurz vorm Aufgeben und mal wieder heilfroh, nicht Grundschullehrerin zu sein (allein die Kreischfrequenz!), bleibe stets darauf bedacht, dass das aufs Hochbett gekletterte Kind heil wieder runter kommt, das sich im Regal versteckt habende sich keinen Splitter einreißt, das sich ins Bettlaken eingehüllt habende beim Toben von den anderen nicht aus Versehen getreten wird, und muss so eine Art Lehrerinnentonfall anschlagen, damit am Ende alle ruhig am Boden im Kreis sitzen.
Nun gut, wie gesagt, die Spiele selbst werden dann doch akzeptiert.


Teil 4: Das Essen
Kind 1: "Was soll'n das sein?" (zu meinem Kuchen in Flugzeugform)
Kind 2: "Ich mag keine Kirschen."
Kind 3: "Ich will ein Stück nur mit Smarties, keine Gummibärchen."
Kind 4: siehe Kind 3, bloß umgekehrt
Kind 5: "Ich will überhaupt keinen Kuchen."
Kind 6: "Den Apfelsaft trink ich nicht."
Kind 7: "Gibt's auch was anderes?"
Kind 8: "Ooh-ooh." (das muss man sich zweimal auf und ab geheult vorstellen - als Reaktion auf meine Antwort, dass ich das vorher gekochte Solei jetzt nicht extra wieder warmmache)
Kind 9: in empörtem Tonfall "Ich bin doch Vegetarier." - ok, ok, aber woher soll ich das wissen?
Kind 10: "Wie sieht denn das aus?"
Kind 11: "Iiih, das esse ich nicht."
Kind 12: "Das sieht eklig aus."
Kind 13: "Ich mag überhaupt kein Gemüse."
Kind 14: "Salat ess ich nicht."
...
So viele Kinder waren's eigentlich gar nicht. Aber die Kommentare hätten glatt für die doppelte Menge gereicht :(
Während ich die Aha-Erlebnisse im ersten Teil ja noch ganz lustig fand, muss ich gestehen, dass mir dieses Essensgebahren doch sehr zu denken gibt. An den Familien, an den Eltern liegt es nicht, wage ich zu behaupten, die kennen wir fast alle. Sicher haben sie sich in der Gruppe gegenseitig angestachelt dabei. Und dennoch ...
Haben sie einfach zu viel, unsere Kinder?
Sollten wir hin und wieder eine künstliche Wasser-und-Brot-Situation erzeugen, oder wie lehrt man den respektvollen und dankbaren Umgang mit etwas, was glücklicherweise heutzutage für uns selbstverständlich ist? (*fragend guck*)

Fazit:
Ich bin erschöpft.
Im nächsten Jahr müssen wir es irgendwie anders machen. Aber bis dahin ist ja noch Zeit. Dazwischen zur Erholung :) der Tochtergeburtstag. Da geht alles noch ein wenig friedlicher zu.
Übrigens: nachmittags gestand er mir, der Sohn, dass es "total superschön" war; und die anderen Kinder hatten ähnliches zu ihren Müttern beim Abholen gesagt. Ein letztes Aha-Erlebnis :)

Donnerstag, 23. September 2010

Ergänzung: herausgekramt

Urlaubsfotos von 1982 - aus meinem Fotoalbum gescannt.
So fremd und anders die Welt uns heute scheinen mag - damals war sie nochmal ganz anders. Nicht nur weil es schwarz-weiß-Bilder sind.

Das ist übrigens der Markt von Jindrichuv Hradec - das fünfte Foto des gestrigen Posts. Das jidelna-Haus ist zum Beispiel das gelbe. Nur falls sich das nicht von allein erschließen sollte :)





Hätte ich mir die Fotos vor der Reise angesehen, hätte ich versuchen können, sie jetzt aus genau dem gleichen Blickwinkel aufzunehmen.
Naja, Idee fürs nächste Mal. Meine Damals-Alben sind voller Fotos, und Tschechien ist voller schöner, kleiner, ruhiger Orte, die aufzusuchen sicher nicht das schlechteste Urlaubsziel ist ...

Vom Nein-Sagen

"Nein", habe ich laut und deutlich gesagt, als es in der Konferenz um verschiedene zu verteilende Aufgaben ging. "Nein", so dass alle es hören konnten.
Nicht immer ich, nicht bei allem, nicht immer als erste - das wäre der wirkliche Grund. Laut gesagt habe ich einen anderen: ich hätte in diesem Schuljahr doch schon dies und das ... (was auch stimmt). Gut, das schmälert meine Nein-sag-Leistung vielleicht, aber ein bisschen stolz bin ich doch ;-). Es ist ein Anfang ...

Was ich zu wenig vermag, übt der Sohn ausgiebigst: "Nein!"
Nein mit Ausrufezeichen - die Steigerung des einfachen Neins.
Die Vorpubertät, sagte man mir, könne durchaus jetzt schon beginnen. Seufz.
Und wenn ich meine 12t-Klässler so beobachte, realisiere ich, dass dies noch gut 10 Jahre anhalten kann. Doppelt seufz.
An manchen Tagen - wie gestern - mischt sich in mein Seufzen ein hilflos-verzweifelter Beiklang. Und es fängt erst an, dieser Gedanke treibt mir zuweilen den Schweiß auf die Stirn.
Heute ist er - der Sohn - wieder "normal". Vor-vorpubertär, sozusagen.

Morgens

Über dem dunklen Nachbarsdach schaut der Orion hervor,
und der Mond, der halo-umstrahlt hinter der kleinen Kiefer am Untergehen ist.
Blätterrauschen mit Grille, ein Hahn kräht im Dorf,
und in der Ferne die Bundesstraße.
Kühler Wind macht mich frösteln,
und die Füße im taunassen Gras taub vor Kälte.

Und das ist nur die Oberfläche. Viel Tieferes nehme ich mit in den Tag, aus meinem Morgengartenbesuch - morgens vor sechs Uhr, wenn alle im Haus noch schlafen.

Der ist mir neues Ritual geworden, seit dem Urlaub. Oder sollte ich nach nur 10 Tagen lieber vorsichtig sagen: er will es werden?
Ob ich durchhalte? Immer ein wenig früher aufstehen, hinausgehen, verweilen, bevor mein Tag beginnt? Es tut unendlich gut.
(Dass dazu der Wecker noch früher klingeln muss, verdränge ich schnell wieder :))

Und wie lange werde ich barfuß hinausgehen? Der Sommer endet ... und ich bewahre ihn mir in meinen nackten Morgenfüßen ...

***

Die Fotos sind ein paar Stunden später aufgenommen.
Und zeigen einmal mehr, wie schwer es ist, die Faszination des erwachenden Morgenlichts einzufangen.)












(Der Regenbogen im letzten Bild entstand im Objektiv. Ein "Fehler", den ich gern auf dem Bild belasse ...)

Mittwoch, 22. September 2010

Tschechienreise, erste Bilder

Fast zwei Wochen sind wir wieder da. Wie schnell die vergingen.
Jetzt oder nie. Wenn ich nicht jetzt - in der zweiten Schulwoche (das innere und äußere Startchaos ist bewältigt, die ersten Korrekturen liegen noch nicht auf dem Schreibtisch) - meine Fotos sortiere, dann wird das auf lange Zeit nichts.
(Dann geht es mir so wie mit meinen Italienpfingstbildern - die sortiere ich vermutlich dann in den grauen Novemberwochen, oder im Januar, oder aber vor den nächsten Pfingstferien :) )

Jetzt also. Wir fuhren ein paar Tage nach Jindrichuv Hradec in Südtschechien.

Erstmals seit zwanzig Jahren bin ich in Tschechien. Nehme die verblassten Erinnerungen vieler Kindheitsurlaube mit, und die Neugier, welch andere Welt in diesem Land nun Einzug gehalten habe.

Die Reise beginnt mit meinem Staunen - über diese Grenzöffnung nämlich, über den Abbau der Grenzanlagen.
Klar, ein alter Hut, EU und Schengen, nicht erst seit gestern, das wusste ich ja aus der Zeitung. Doch dies ist wieder so ein Moment, wo ich es ungläubig und mit einem Schauder auf dem Rücken wahrnehme: das Damals und das Heute, und was dazwischen geschehen ist. Versunken stehe ich vor diesem Kran ...



Von der stundenlangen Landstraßenfahrt gibt es keine Fotos, nur innere Bilder: ich sauge mit den Augen auf, was ich  zu fassen bekomme. Neu-Vertrautes - ja, es ist eine Mischung von beidem.

Ankunft im Städtchen: ich staune wieder. Diese Mauerblumen, fast nicht zu glauben wo sie wurzeln ...





Hier ziehen wir für die fünf Tage ein ...



... und so zeigt sich uns das kleine Städtchen. Das heißt: mir. Meine Männer waren hier letztes Jahr auf einer Musikreise, schauen anders, erkennen an jeder Ecke etwas wieder, überschlagen sich im Erzählen vom letzten Jahr. Ich höre zu und schaue ...









Das viele Wasser hier! Schon auf der Fahrt sahen wir Weiher an Weiher. Hätten wir 10 oder 20 Grad mehr - ich wüsste, wie unsere Tage hier ablaufen würden :) Leider herrscht spätherbstliche Kälte, 10 Grad oder so - ich will es gar nicht genau wissen :(





In solchen wassernahen Lokalitäten zu sitzen, muss wunderschön und innig sein. Wie gesagt, wenn es ein Quäntchen wärmer wäre ...



Es ist mir eine Reise in die Vergangenheit. Ein Hauch von Altvertrautem überall - nicht nur in Autoform :)


In den Schuhgeschäften noch die gleichen (typischen?) Ballerinas wie vor zwanzig Jahren - damals haben wir die auf Vorrat gekauft, für die Monate zwischen den Tschechienurlauben.
Straßenmusik am Freitagabend, Pink Floyd und Mark Knopfler selfmade, so wie bei uns damals, die Stimmung, das Bier auf der Straße ausgeschenkt, das Zusammensein. Man winkt uns hinzu, uns Fremde.
Der Geruch auf den Straßen ist mir vertraut, ohne dass es mir bewusst wird. Erst als mein Mann stöhnt, hier sei wieder dieser typische Kohlegeruch und mein Sohn ausruft, wie's denn hier stinke - da weiß ich, wovon alle immer redeten, früher, kurz nach der Wende. Auf den Straßen im Osten würde es so anders riechen - ja, wie hier! Man möge es Gestank nennen - mir verursacht es wohlige Kindheitserinnerungen :)

Diese Dächer - nein, an die mag ich mich nicht entsinnen. Aber sie erinnern mich an Russland. Und meinen Mann an Österreich. Wir hängen beide in der Vergangenheit, bei diesem Anblick. So ist das mit den Erinnerungen ...



Und noch etwas: Beim Essengehen möchte man gern das Doppelte bezahlen. Möchte jedenfalls ganz still und unauffällig sein. Am liebsten gar nicht deutsch sprechen. Fast ducke ich mich. Weiß noch zu gut, wie damals "andere" Deutsche laut tönten, wie billig alles sei - damals, als es für "uns" noch alles andere als das war. Jetzt bin ich reich - und schäme mich.


Wir fahren ein wenig im Land umher. Nach Tabor ...






... und nach Cervena Lhota ...


... und noch in zwei wunderbare Städtchen - von denen ich zu viele Fotos habe, als dass ich sie jetzt noch eben sortieren könnte. Die kommen später. Das hier war immerhin schon mal ein Anfang, von unserer wunderbar ruhig-stimmigen Woche zu erzählen.




Fortsetzung folgt ...