Montag, 20. Oktober 2014

Wochenrückblick 42/14


Wetter
herbstlich warm und sonnig - das entgeht selbst mir durch die Fensterscheibe nicht, und nun die Hoffnung, dass ich mich in der baldigen Ferienwoche zuweilen jenseits der Fensterscheibe aufhalten werde, ganz gleich, welches Wetter dort sein wird
gemacht
durch meine 60-h-Arbeitswoche gehastet, tageweise die Kinder kaum gesehen und vom Handy aus deren Nachmittagsdinge gecoacht, nachts über den Unterrichtsvorbereitungen eingeschlafen; aber doch ab und zu eine Oase: etwa ein Kaffee im Café während des Musikunterrichts --- mitten hinein diese Nachricht dann, die seither allen Raum in mir einnimmt, alles andere benetzt und durchwebt --- seit Freitag ist Wochenende, völlig terminfrei für mich, zum Glück: ich liege, lese, sinne nach, schreibe ...
gehört
zum Wochenanfang schöne Musik eingelegt, als ich Vergleichsarbeits-Kreuzchen stumpfsinnig in riesige Exceltabellen einzutippen hatte - zum Wochenende dann - hm: schöne? - Musik gewählt, die das Anzünden der Kerze am Fenster begleitete
gelesen
"Meines Vaters Land" beendet, es wurde immer berührender; und jetzt ein Buch, das Michèle Lesbre speziell für mich geschrieben haben muss: "Das rote Canapé" - puh, wie nahe das ist!
gedacht
soeben als ich den Posttitel eintippte: lässt sich kürzen (Mathelehrerin im Bruchrechenmodus :));
und durch die letzten Tage hindurch: seltsam, wie sich diese verschiedenen Lebenspole vermischen und durchdringen, das kommt mir fast befremdlich vor --- hier im Schreiben habe ich heute das Bedürfnis, eine räumliche Trennung zu setzen
gefühlt
sehr müde, sehr erschöpft, und jetzt zum Wochenende ein wenig grippig
gestaunt
dass Sohn + Freunde am Wochenende Tag 1 zu einem ganztägigen Mathekurs und an Tag 2 zu einem ganztägigen Schachturnier fahren und am Sonntag abend immer noch nicht genug haben - daher noch schnell Orchester, und dann Englisch lernen (ich habe das Bedürfnis, meine Kinder zuweilen hier zu Hause anzubinden, damit sie mal zur Ruhe kommen - klappt aber nicht, sie entfliehen der Ruhe permanent - war ich als Kind auch so???)
geübt
mehr Verantwortung an die Kinder abzugeben, wo es ihnen möglich ist, nicht immer alles selbst in die Hand zu nehmen (und darüber erschöpft zu verzweifeln) - ein noch weiter Weg für mich
gefreut
über den feinfühligen, tiefschauenden Blick der Quartett-Lehrerin auf die Tochter; von der Schule bekam ich noch nie eine so hilfreiche Rückmeldung, obwohl ich bei jedem Elterngespräch in diese Richtung "stochere", um der Tochter bei ihrem Rucksacktragen zu helfen (naja, sie sieht die Tochter als eine von nur vieren, und vermutlich ist hinter dem Cello nicht so gut verstecken wie hinter Matheaufgaben)
geärgert
über einen sich deutlich von der Sachebene wegbewegenden, fast tribunalsartigen Angriff durch die Elternschaft unserer Klasse - der Kollege ging damit allerdings sehr souverän um, so dass wir als Klassenlehrerinnen zunächst nicht intervenierten, erst anschließend ein paar reflektierende Worte aus der Beobachterrolle sagten; die anwesenden Praktikantinnen waren erschüttert (fast vergälle es ihr den Beruf, sagte eine); und ärgerlich auch, dass einem die besten reagierenden Worte an die Elternschaft natürlich immer erst im Nachhinein einfallen
gelacht
als Kind 1 beim Abendessen voller Inbrunst von Mine.craft und Kind 2 ebenso engagiert von seinem ZAL-Mathleten (hä? genau. so geht's mir auch) erzählt, beide ohne Luft zu holen, quatschen sie von zwei Seiten simultan auf mich ein, mit lauter Sätzen, die zwar syntaktisch wie Deutsch klingen, aber doch verstehe ich keine dieser fremdwortschatzigen Silben, ich kann die Wörter nicht mal wiedergeben, die sie in einer Flüssigkeit und Eloquenz benutzen ... jede meiner Interventionen, mir doch mal zu erklären, wovon sie eigentlich gerade reden, verhallt ungehört - und mir bleibt nichts als plötzlich laut loszulachen (warum eigentlich? hm. die Situation hatte was sehr Witziges)


geweint
...
dass ihr Platz im Lehrerzimmer für immer leer bleiben wird
...
begegnet
wenn man sich mit Tränen in den Augen auf dem Schulflur gegenübersteht und umarmt, dann ist es viel näher als jemals sonst; und wenn man sieht, wie Schüler in ein Kondolenzbuch schreiben, dann weiß man, dass wir sie - die Schüler - eigentlich gar nicht kennen und dass wir ihre reife Sicht auf das Leben wohl oft sehr unterschätzen; und diese Nähe im Angesicht des Unfassbaren, die wärmt dann fast schon wieder
berührt
welche Atmosphäre entstand, als wir in den Klassen von ihrem Tod erzählten, wie die Jugendlichen und Kinder plötzlich still wurden, welche Fragen sie stellten, von wie vielen gestorbenen Opas, Freunden, Lehrern und Meerschweinchen sie erzählten, und dass es zwei wilde Jungs waren, die als erste aufstanden und sagten: Wir gehen jetzt in diesen "Raum der Stille".
Ausblick
wie meine Halsschmerzen und meine Erschöpfung sich entwickeln werden?
und wie wird sich unser Schulleben nach dem Wochenende anfühlen?
und wie wird es sein, gemeinsam mit der ganzen Schule eine Trauerfeier zu gestalten?
gut, dass diese Woche an ihrem Ende in die Ferien münden wird
Dankbarkeit
dass wir in unserem Kollegium so gut, wie wir im "normalen" Alltag zusammen lachen, jetzt in Geborgenheit gemeinsam weinen können

7 Kommentare:

  1. Oh, wie viel es ist, was du aufnehmen musst und kannst und darfst.
    Ich wünsche euch einen lebensbejahenden Weg durch diese Trauerwoche
    Kam der Abschied plötzlich und unvorbereitet?
    Herzlich
    Gabriela

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  2. Ja und nein. Von der Krankheit wussten wir. Wie ernst es ist, das nicht. Sie war immer wieder arbeiten gekommen, bis zum Sommer. Ohne viel Worte drum. Für die Schüler war es völlig überraschend. Wir hatten wenigstens vorher schon Angst haben dürfen ...

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  3. "Angst haben dürfen..."
    Wie gut in solchen Zeiten!
    Angst lauert in allen, schon allein ob ihrer Lebensspanne, doch die Welt um uns ist voller Verdrängungsquatsch. In diesem Blog nicht zu finden. Danke immer wieder!

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  4. Bei uns ist Ende der Sommerferien eine Kollegin gestorben, mit Mitte 40. Sie war schon länger nicht mehr arbeiten, und wie schwer ihre Krankheit war, war auch allen bewusst, aber natürlich machte es das nicht minder schockierend, ungerecht, gemein usw. Ich fand es auch tröstlich, mit den Kollegen zusammen zu trauern – dass das geht, ist ein Zeichen für eine funktionierende Gemeinschaft, glaube ich. Wofür ich hingegen einigermaßen dankbar bin, ist, dass ich ihre beiden Kinder, 7. und 9. Klasse, im Moment nicht unterrichten muss.

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  5. Ja, das mit der funktionierenden Gemeinschaft, das habe ich auch - mal wieder - bei uns dankbar gedacht.
    Und wie schwer das für die "Kinder" in diesem Alter ist, das kann man wohl kaum ermessen. Öfter schon haben bei uns Kinder und Jugendliche ein Elternteil verloren. Man steht sehr hilflos daneben. Kennst du das Buch "Trauernde Jugendliche in der Schule" von Stephanie Witt-Loers? Das empfand ich schon einige Male als sehr hilfreich, da wir dafür so gar nicht ausgebildet sind und uns dem doch stellen müssen und wollen.

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  6. heute ist ein –unter anderem – denk-an-dich-Tag. Daher ein kleiner Gruss
    Gabriela

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  7. Das Buch kenne ich nicht, klingt aber interessant - vielen Dank für den Tipp.

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