Dienstag, 20. Oktober 2015

Morgennebelwege


Ein Impuls drängt mich zur Tür, lässt sich nicht aufhalten vom Regen, der einen draußen empfängt,
lediglich einen Tausch bewirkt die Nassheit, Kapuzenjacke gegen Fototasche, mich einhüllen statt Bilder auszuwerfen,
und einen Wechsel des sonst immer eingeschlagenen Weges, heute lieber Asphalt. (Später werde ich mich doch noch ins Gras wagen.)

Das Dorf bald nur noch als Neubaudächerkulisse vor Hügelkette erahnbar, und durch seinen Baustellenlärm, der die Stille durchdröhnt,
das ungleiche Baumpaar, dessen schwacher Teil schon lange nur noch in mir weiterlebt (ob sich sonst noch jemand erinnert?),
die mich anstarrenden behäbig kauenden Rinder, darüber ruhelos wirbelnde Vögel, wie kann es sein, dass man solch konträre Wesen gleichermaßen Tiere nennt?

Der Streuobstapfel mit der faulen und der frischen Seite, der ins Gras weiterziehen darf, während sein roter heiler Bruder vom Ast in meine Tasche wandert, ein Frühstücksanfang,
der Mountainbiker, der wohl das sucht, was man körperliche Ertüchtigung nennt, und ich, was suche ich? seelische Erbauung? (wenn wir schon bei antiquierten Wörtern sind),
der Winterraps, dessen frisches Grün irritiert wie ein aus der Zeit Gefallenes und mich dennoch innerlich belebt, mich Herbstkind, was mich fast schon wieder ärgert.

Das dunkle Schild vor hellem Himmel, welches, starrt man nur lange darauf und ändert dann leicht die Richtung des Blicks, zu leuchtender Weisung vor tiefem Grau wird, wie kurz greift hier die Erklärung mit den Stäbchen und Zäpfchen im Auge, wie kurz,
der verdorrte Wald von Sonnenblumen, mit ihren hängenden Köpfen stehen sie tapfer im Wind, geborgen von einer Bäumeschar, deren Äste nie erlernt haben, aufrecht zu wachsen, wie gut und wie richtig sieht ein Baum dabei aus - oh, jetzt komme ich mir immer näher,
die Erinnerung an mich selbst, wie ich jüngst das Angebot liebevollen Berührtwerdens nicht anders beantworten konnte als durch Rückzug in meinen Käfig aus Sprödigkeit, welch Erfahren und Erleben liegt all dem zugrunde, und wie wäre es wohl, meine einengenden Stäbe einzuweichen, allmählich, so dass sie sich auflösten, ohne zu splittern, ohne zu bersten, ohne sich in irgendjemandes Wunden zu bohren.

Morgenwege durch den Nebel.
Nebel schenkt zuweilen die klarste Sicht.


1 Kommentar:

  1. Mir fällt zum Herbst das Gedicht von Peter Hacks ein:

    Der Herbst steht auf der Leiter

    Der Herbst steht auf der Leiter
    Und malt die Blätter an
    Ein lust'ger Waldarbeiter
    Ein froher Malersmann

    Er kleckst und pinselt fleißig
    Auf jedes Blattgewächs
    Und kommt ein frecher Zeisig
    Und schwupp, kriegt er auch 'nen Klecks

    Der Herbst steht auf der Leiter
    Und malt die Blätter an
    Ein lust'ger Waldarbeiter
    Ein froher Malersmann

    Die Tanne spricht zum Herbste
    Das ist ja fürchterlich
    Die andern Bäume färbste
    Was färbste nich' mal mich?

    Der Herbst steht auf der Leiter
    Und malt die Blätter an
    Ein lust'ger Waldarbeiter
    Ein froher Malersmann

    Die Blätter fallen munter
    Und finden sich so schön
    Sie werden immer bunter
    Am Ende fall'n sie runter

    Der Herbst steht auf der Leiter
    Und malt die Blätter an
    Ein lust'ger Waldarbeiter
    Ein froher Malersmann

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