Donnerstag, 14. Januar 2016

12 von 12 im Januar


Es war ja klar. Mich hat dieses 12 von 12 im Dezember begeistert, dieses Herzeigen von 12 Bildern aus meinem Tag. Aber ich dachte mir damals schon, wie das wohl gehen mag, an einem "echten" Tag, an einem, der so voll ist wie mein ganz normales Leben eben oft ist. Da ist nicht Platz für 12 Fotos, nicht Platz zum Drüberschreiben.
Und dann ... habe ich mir die Kamera gestern doch ins Tagesgepäck gesteckt. Ich brauche halt zum Aufschreiben noch den Folgetag. 12 von 12 im Januar in der unpünktlichen Variante für berufstätige Mütter.

Um halb sechs klingelt der Wecker, das ist Absicht. Nun, vermutlich werden die meisten Wecker mit Absicht gestellt. Ich meine: Die frühe Uhrzeit ist Absicht. Die Kinder müssen erst eine Stunde später raus, ich möchte diese frühe Stunde für mich allein. Seit Jahren nehme ich mir die, fülle sie wie es gerade passt. Im Moment mit Lesen.


Halb sieben wecke ich die Kinder, sie stehen auf und pubertieren dabei grummelnd durchs Haus, eine dreiviertel Stunde später sind sie weg, ich denke "puh" und habe bis zu meiner eigenen Abfahrt eine reichliche Stunde. Dienstags muss ich nicht in die Schule, sondern an meinen anderen Dienstort. Heute erstmals wieder nach halbjähriger Pause; ich erinnere mich kaum noch, wie es geht. Vermutlich aus diesem Grund war ich schon am Vorabend fertig vorbereitet. Die Zeit bis zur Abfahrt fülle ich mit Schulvorbereitungen für Mitwoch. Ja, da auf dem Boden, das ist noch sehr durcheinander. Bis zum Mittwochsunterricht sind ja auch noch 23 Stunden Zeit.


Nebenher fülle ich Gepäckstück um Gepäckstück für meinen Tag. Erschreckt sehe ich am Ende den Berg. Das Große ist das Tochtercello. Sie kann es am Nachmittag schlecht selbst in die Stadt schleppen (wegen ihrer Minikörpergröße), also nehme ich es schon mit. Rechts vorn steht die Schultasche (die auch dienstags so heißen darf), links vorn die Fototasche (die nur heute mitdarf). Dahinter der Kaffee-Tee-Kekse-Korb, wir können ohne das dort nicht leben. Im Beutel davor für alle Fälle ein Wasserkocher, weil - wer weiß - irgendwer während meiner Abwesenheit die für Heißgetränke nötige Technik entwendet haben könnte. Im orangefarbenen Beutel all das Zeugs, das vorhin noch auf dem Boden lag; könnte ja sein, dass ich unterwegs zum Weitermachen komme. So habe ich dienstags schon oft gedacht, man gibt ja nicht auf.


Im Auto am Fluss entlang ist Pause, gefühlt.
Eine ruhige halbe Stunde, Musik.


Kurzer Boxenstopp am Supermarkt, weil mir die Keksvorräte für eine ganze Gruppe dürftig erscheinen. Und weil er viel fotogener ist - trotz Regen - darf der Fluss aufs Bild, und nicht der olle Supermarkt.


In der Stadt angekommen, sorgt eine neue Baustelle für panische Parkplatzsuche, verzögerte Zeitplanung, hektisches Kopieren, flüchtiges Gedankensortieren. Gerade noch rechtzeitig bin im Seminarraum, puh. Sehen immer sehr nüchtern aus, diese Räume.
Kurz danach sind die Plätze belegt, fällt die kahle Hässlichkeit kaum mehr auf. Mir ja sowieso nicht, denn ich bin zweieinviertel Stunden am Routieren. Neue Gruppe kennenlernen, erste Beziehungsfäden knüpfen, Ängste und Hemmungen abbauen (auch auf meiner Seite übrigens), Atmosphäre schaffen - das ist am ersten Tag Schwerstarbeit.


Ganz plötzlich ist es eins, alle gehen, und ich sacke zusammen. Durchatmen, kurz besinnen, wer ich bin, und neuorientieren, was jetzt kommt.
Zwei Stunden bis zum Tochtertreffpunkt. Zeit für - ähm: Mittagessen? - Vergessen, großer Mist. Hier in der Ecke gibt es nirgends etwas zu kaufen. Ich darbe also bei Keksen, Kaffee und meinem Aufgabenstapel. Dokumente sortieren und ins Moodle einstellen, Sitzung nachbearbeiten, die nächsten Sitzungen vorbereiten, solange die Gedanken und Ideen dafür sowieso in meinem Kopf sind. Und kopieren. Man kopiert sich ja so durch sein Lehrerleben ...


Ich bin im Flow, verpasse die Zeit. Arme Tochter. Während ich das Auto zur Musikschule bringe und ihr mit der Straßenbahn entgegenfahre - sie soll heute das Umsteigen am großen Platz mit mir üben und es ab nächste Woche allein schaffen - realisiere ich, dass ich zu spät komme. Handy raus und anrufen, dabei Ticket vergessen zu kaufen, einsteigen, und - upps: ich fahre gerade schwarz. Diesen Nervenkitzel halte ich genau zwei Stationen durch, dann steige ich aus. Ich kann das nicht. Ich muss ein Ticket kaufen, die Bahn ist natürlich weg. Nuja, wo wir eh schon zu spät sind.


Das geduldige Kind wartet regennass und fröhlich, und ich habe auch plötzlich gute Laune. Darf ich doch einfach mit ihr am Straßenbahnfenster durch die graue Stadt fahren. Grau ist ja manchmal nur äußerlich.
Vermutlich waren dies die ruhigsten 10 Minuten meines Tages, da in der Bahn. Denn während ich der Tochter noch zusehe, wie sie ihr Cello in die Musikschule schleppt - da, ganz klein, rechts vom Tor - ...


... und wie ich mich einmal kurz umdrehe und den baumverzierten Himmel über dem Parkplatz fotografiere ...


 ... da klingelt der Sohn durch. Er muss - keine zwei Kilometer entfernt - von Ort A nach Ort B, hat wenig Zeit zwischen seinen Terminen, und seine Bahn kommt nicht. Hm. Ich erwäge kurz, die Sache mit dem Auto in die Hand zu nehmen, winke diese hingenuschelte Idee aber schnell ab, bevor er sie aufgreifen kann - im Berufsverkehr ist dies ohnehin Quatsch - und dirigiere ihn telefonisch auf Alternativrouten. Gut erklären kann ich ja, sagen meine Schüler.
Jedenfalls: mir reicht's. Ein Café als Rettung, ich weiß gar nicht, ob ich Brötchen oder Klo dringender brauche. Tee offenbar scheint das Unwichtigste zu sein. Sonst hätte ich den Beutel nicht gedankenverloren mit Schild und viel zu spät hineingeworfen. Die blasse Farbe spricht Bände. Egal.


Die Tochter kommt nach verkürzter Probe zu früh aus der Musikschule - uff, ich hatte doch gerade meine freien 20 Minuten:( - der Sohn muss eingesammelt werden, Berufsverkehr und Dunkelheit auf dem Heimweg, Abendessen, Kinderschuldinge, die immer abends erst aus den Taschen kriechen, und - als dann endlich beide im Bett sind - die Erinnerung, dass ich für morgen früh noch lange nicht alles fertig habe... Naja, ich bin sie gewohnt, solche Tage. Schaffe es, noch einmal zwei Stunden durchzuziehen und darf dann die Schultasche packen.
So sieht es in ihr aus.


Und ehrlich: Ganz so ist nicht jeder meiner Tage. Das wäre nicht auszuhalten. Von Zeit zu Zeit aber, ja, doch  ...

Andere 12-von-12-Einblicke gibt es hier.

3 Kommentare:

  1. Donnerwetter.
    Wie Sie das meistern, Respekt.

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  2. Hübscher Cellist! :-)
    Und ich stimme zu, glücklicherweise sind nicht alle Tage so.
    E-Mail kommt noch, zunächst bin ich einfach froh, das Wochenende erreicht zu haben.
    Herzliche Grüße von Frau Weh

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  3. "dankeschön" - mal wieder;-) - fürs teilen, mitteilen und teilhabenlassen!!!
    sooo schön, diese idee, mit den 12 fotos und 12 geschichten dazu!
    ich finds klasse, auf diese weise einen kleinen einblick ins spannende alltagsleben gewährt zu bekommen!
    "dankeschön"
    waldwanderer

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