Montag, 14. Februar 2011

Das Unspektakuläre

Es war unspektakulär, was ich dort erlebte. Für mich, aus der sonst oft Wortströme fließen, für meine Schreibhand gab es nichts zu tun. Einzelne Worteruptionen nur. (Diese habe ich dann doch festgehalten, trotz des Schweigegebots - schreibend ist man ja nicht mehr schweigend - und obwohl ich nicht weiß, in welcher Weise das Festhalten von Worten die Dinge verändert, über die ich zu schreiben meine ... eine Frage für ein andermal ...)
Unscheinbar, ungewohnt, irritierend, unerwartet, ent-täuschend fühlte sich dieses Wortvakuum an. Als fehlte etwas.

Doch jetzt, nach der Rückkehr, jetzt beginne ich zu spüren, dass mir im Gegenteil hier etwas fehlt, was ich dort hatte. Hier fehlt mir - hm - genau dieses Vakuum? die Abwesenheit von allem? eine Art Leere?
So gehe ich heute Morgen überrumpelt durch das Familienfrühstück, durch das Lehrerzimmer, durch die Stunden vor der Klasse. Das Bestreben, nicht zu zerfasern. Wendet man sich einer Sache, einer Person sehr intensiv zu, sagt man: mit allen Fasern. Ein seltener Zustand. Häufiger (normal?) ist es doch, dass die Fasern meines Körpers sich verschiedenen Richtungen widmen. Das will ich heute nicht. Muss der Überrumpelung das Meine entgegensetzen, was ich noch sehr präsent in mir spüre. Schritt für Schritt, Treppenstufe für Treppenstufe gehe ich, und wenn ich einen Handschuh ausziehe, ziehe ich einen Handschuh aus.
Wie lange werde ich das so weiterleben können? Um mich herum tost das lärmende Leben ...

Mir fehlt die Leere. Kann Leere fehlen? Heißt das doch, dass dort etwas ist, was hier, im vollen Leben, nicht zu finden ist. Ist die Leere voller als das volle Leben?
"Die Leere ist der Keim der Fülle", ein Satz, den ich noch nie verstanden habe. Auch jetzt verstehe ich ihn nicht, nicht mit dem Verstand. Aber ich habe vielleicht begonnen zu erspüren, zu erahnen, einen Keim zu ertasten von dem, was er sagt. Formuliere ich ganz zart-vorsichtig. Und werde wieder still ...


Nachtrag:
Das schrieb ich heute Morgen. Nun ist der Schultag gleich vorbei. Ich bin in einer gewissen Stille durch die Stunden gekommen. Habe versucht, nie mehrere Dinge gleichzeitig zu tun.
Zum Beispiel:
mich nicht von der Seite ansprechen lassen,
nicht Blickkontakte in alle Richtungen gesucht (diese vielen Augenbegegnungen hier, die zerfasern mich ganz besonders, weil in jedem Augenpaar eine Geschichte zu lesen ist, all diese Geschichten ...),
nicht im Stehen, sondern im Sitzen an meinem Platz eine kurze Notiz gemacht,
während des Klingelns in Ruhe einen Schluck getrunken und dafür eine Minute zu spät gekommen,
nur wenige Kollegengespräche geführt, die restlichen auf die Email-Liste gesetzt.
Eine Ahnung, wie das Getöse des Schulalltags zu leben sei.
Und auch diese Ahnung ist weder Beglückung noch Befreiung noch ein ähnlicher Zustand, sie ist einfach nur still und unscheinbar.
Unspektakulär eben.

1 Kommentar:

  1. Huhuu,
    Du kennst doch bestimmt Gerhard Schöne. Der sang doch sowas wie "Wenn ich schlaf, dann schlaf ich...". Ein weiser Mann anscheinend, denn das empfahlen alle Weisen dieser Erde, aller Völker und Religionen. Ausschließlich das zu tun, was man eben gerade tut, ohne weiteren Gedankenwulst. Völlig richtig: Handschuh ausziehen. Nur das. Treppenstufe gehen. Nur das. Ganz bewußt. Wenn man es bloß schaffte, so zu leben, jede Sekunde. Das hieße fürwahr im Jetzt leben - Aufhebung aller Probleme durch die totale Gegenwärtigkeit.
    "Sorge dich nicht um die Früchte deiner Handlung, gib einfach der Handlung selber Beachtung. Die Früchte werden von allein kommen." Echt spirituelle Übung sowas...

    Tja. Und Yin und Yang? Entstehen jeweils durch ihr Gegenteil, bedingen einander dadurch, hängen voneinander ab. Man kennt ja das berühmte runde, zweifarbige Zeichen (es gibt noch andere Diagramme, die dasselbe Phänomen versuchen darzustellen, zu erklären usw.). In jeder Hälfte ist als Punkt jeweils der Keim des Anderen (gegensätzlichen Pols) enthalten. Jedes Extrem verkehrt sich zwangsläufig ins Gegenteil. Und darum enthält die Leere schon den Keim der Fülle.
    Aber auch die Fülle den Keim der Leere (das kann doch Zuversicht geben...). Damit es zur Verkehrung kommen kann, muß "nur" das Extrem erreicht sein - alle wir, die wir stolpern, stolpern eventuell auf dem Weg Richtung Ausleerung. Burnout? Bietet eine echte Chance so gesehen. Aber gesunder wäre doch, die eigene Leere immer wieder und kontrolliert zu erreichen, ohne diese Nebenschäden. Dafür sind diese ganzen spirituellen Übungen gedacht.
    Uns hindert meistens "nur" der Verstand (der überlaute, dabei in heutiger Zeit so sehr geschätzte, ja überschätzte... mit dem wir uns identifizieren. "Cogito ergo sum" - eine echte Falle, die zwanghaftes Denken gebiert) daran, wirklich leer zu werden...
    Schlaf schön! Ganz unspektakulär...

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