Mittwoch, 31. Oktober 2012

Tochterwissen

Neulich, im Auto nach dem Cellounterricht, erzählt sie mir, dass sie heute die 4. Lage kennengelernt hat. Boah, staune ich, das sei ja ganz schön schwer (und stelle mir vor, wie ihre kleinen Fingerchen nun von der vertrauten Position nach oben zu rutschen haben, wie sie dort auf der richtigen Höhe Halt finden müssen; und auch das Notenlesen bekommt ganz neue Dimensionen, da der bisherige Zusammenhang zwischen Note und Fingersatz aufgelöst wird - ich weiß das noch von meiner Gitarrenlernzeit). Das sei wirklich schwer, sagt sie von der Rückbank. (Und ich male mir schon aus, wie unser tägliches Üben nun von weiteren Facetten ihres "Böckchens" begleitet sein wird.)

Nach einer Weile: "Aber es ist gut, dass der Herr R. mir so schwere Aufgaben gibt." --- "Warum das denn?" (Mir dabei vor Augen, wie gesagt, das tägliche Übe-Böckchen.) --- "Na weil ich bei so schweren Aufgaben ja nie von allein sagen würde, dass ich die will. Darum ist es gut, dass er mir die gibt, ohne mich zu fragen." --- "Ja, aber dann musst Du die schweren Lieder doch auch üben???" --- "Ja, das ist ja gut, wenn ich die übe. Das macht sogar Spaß. Nur würde ich eben allein nicht Ja sagen dazu. Sowas sucht man sich doch nicht von allein aus. Und deswegen ist es gut, dass der Herr R. mir die aufgibt."

Ich werde vor Staunen still. Sie hat das Wesen schwerer Aufgaben irgendwie tief begriffen. Nie selbst gewählt, immer eine Herausforderung, und letztlich ... irgendwie "gut". Auch wenn das "gut" bei den wahrlich tiefen schweren Aufgaben des Lebens eine neue Bedeutung erlangt. Von solchen Aufgaben weiß sie zum Glück noch nichts. Sie macht ihre Lebenserfahrung an den Cellohausaufgaben. Und darin steckt irgendwie schon alles ...

Noch am selben Tag abends geht sie es an, und jeden Tag seither. Ganz ohne Böckchen. Manchmal schickt sie mich weg, um mit ihrer Herausforderung allein zu sein. Dann lausche ich nur von meinem Arbeitszimmer her, wie sie die G-Dur-Tonleiter hoch hinauf spielt. Und bis zum hohen g mitsingt, mit glockenreinem Stimmchen. Es berührt mich zutiefst.

(Zu den schweren Aufgaben des Lebens Ja zu sagen - und sich ihrer anzunehmen - dabei noch zu singen - so wie Du es mir vormachst. Tochter: ich höre.)

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