Montag, 9. September 2013

Alltagsanfänge

Erstaunlich, dieses unterschiedliche Zeiterleben. Vor einer Woche waren wir schon fast zu Hause. Eine Woche sind wir wieder hier - so lang wie die Hälfte unserer Reise. Eine Woche schon? Eine Woche erst? So kurzverflogen, einerseits. So vollgestopft, andererseits. Viel zu viele Lebensdinge in viel zu kurz erlebten Tagen. Gerade im Kontrast zum Unterwegssein fällt es auf, stößt es auf, verwirrt es mich. Schon am ersten Tag, am Morgen nach dem Ankommen. Wir waren kaum 12 Stunden da, und unendlich vieles war geschehen. Gespräche, Aus- und Weggepacke, Organisiererei und Telefoniererei, dazwischen schnell schlafen, schnell essen, schnell sein, schnell tun. - Und vorher, da waren 12 Stunden, oder 15 gar, einfach die Zeit zwischen Ankommen und Abfahren. Nichts hatte zu geschehen außer waschen, ruhen, essen, schlafen, nachdenken über die Wege des nächsten Tages und schreiben über die des vergangenen. Elementares Sein. - Und nun ist es wieder verflixt komplex. Was sich alles so in ein Taglein hineinzupressen versucht. Mein Ruhe-Faden, der sich von Berlin bis hierher gezogen hat, schwebt im Moment vielleicht wie eine Spinnwebe rings ums Haus, oder er hat sich in den Fahrradspeichen verfangen - ich suche ihn noch vergebens in diesen neuen Tagen.

So vieles in einer Woche. Soll ich jetzt darüber schreiben, was das für Dinge waren, die mich gleich wieder ganz ernüchtert (und gefühlt bauchgelandet) hier im Alltagssein haben aufprallen lassen?
Selbst schuld, dass ich die Steuererklärung nicht auf die Zeit vor den Urlaub gelegt hatte. Tagelang und formularstapelweise herumgeplagt mit Sätzen wie "Soweit die unter a) ausgewiesenen Beiträge für die Basisabsicherung unter dem für Ihre persönlichen Verhältnisse zu Grunde liegenden Höchstbetrag für die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen liegen, können die unter b) ausgewiesenen Gesamtbeiträge bis zu diesem Höchstbetrag geltend gemacht werden." - Nein, das muss man nicht verstehen. Tue ich aber leider doch, nach dem zwanzigsten Durchlesen. Deswegen habe ich einen Zwang in mir, das alles durchschauen zu wollen. Kostet so viel Zeit. Und lässt meinen Geiz siegen, der mir einflüstert, nicht etwa einem Steuerberater das viele Geld in den Rachen zu werfen. Aber jedes Jahr vertue ich Lebenstage und -wochen damit ...
Nicht selbst schuld, dass mein Computer spann und spinnt. Und das, wo ich von jetzt ab wieder so richtig auf ihn angewiesen bin. Also auch hieran Tage verbracht. Beschäftigung, die ich nicht wirklich liebe. Bei der es mir vorkommt, als lebte ich nicht, sondern verwaltete nur mein Leben. Und noch immer klappt so manches nicht ...

So vieles in einer Woche. Die Kinder hatten, glaube ich, eine gute letzte Ferienwoche. Museums-Ausflug, Wald-Wanderung, Schwimmbad, Bibliothek, Freundesbesuche hin und her, Straßenfest, Grillabend. In letzter Minute gepackte Ranzen (nicht dass wir sechs Wochen Zeit dafür gehabt hätten:), und die Zeugnishefte sind doch immer wieder neu verschollen nach so langer Zeit), aufgeregte Telefonate - wann müssen wir morgen wo sein? (die Elternbriefe des Julis zählen zu den ebenso verschollenen Dingen), Dusche, wie war das nochmal - wir legen abends schon die Sachen bereit?, huch, es ist schon gleich neun, Mama ich kann nicht schlafen und bin so aufgeregt (woraufhin der Sohn meint, erst nochmal sein Lateinbuch durchblättern zu müssen), und nun schlafen sie endlich doch, meine Drittklässlerin und mein Sechstklässler. Wie groß das klingt ...

So vieles in einer Woche. Es war ja auch die Woche des Ankommens in Schulwelten. Darauf hatte ich mich - und wie! - gefreut. Gehüpft wie ein kleines Kind, als ich am Freitag wieder in der Schule war. Einfach so, um ein paar Dinge zu erledigen, um Kollegen zu treffen, um Unterlagen und Papiere aus meinem Fach zu holen. Klassenlisten vor allem. Neue Listen, neue Namen, neue Gesichter, die mich da schon zwischen den Zeilen anschauen. Ich freue mich sooooo. Das Vorbereiten ging in diesen Tagen noch sehr schleppend, alles dauert unroutiniert lange, die eingefahrenen Arbeitswege im Kopf sind verschüttet und zugewuchert. Aber die Gedanken an das Neue, was da auf mich zukommt, machen so froh, so warm, so vorfreudig aufgeregt.
Ja, aufgeregt bin ich. Morgen gleich meine neuen 11er. Zum siebten Mal werde ich vor einen Kurs treten, zum siebten Mal werde ich die ersten Worte sprechen, die man zu Beginn der Kursstufe und als Einleitung der 18 Monate bis zum Abitur so sagt. Und zum ersten Mal frage ich mich: Was sagt man denn so? Zum ersten Mal weiß ich nicht, ob das gut und richtig und sinnvoll ist, was mir auf der (gedanklichen) Zunge liegt, ob ich damit überhaupt treffe und streife, was in den 21 Köpfen der 15- und 16-Jährigen (die heute vielleicht auch nicht einschlafen konnten) jetzt vorgeht. Zum ersten Mal bin ich mir ganz unsicher, welches die geeigneten ersten Worte sind. So lange habe ich selten an einer ersten Stunde vorbereitet. Seit Tagen eigentlich denke ich darüber nach.
Und morgen abend begrüßen wir unsere neuen 5er. Zwei Jahre soll das schon wieder her sein, dass ich in der großen Halle saß und darauf wartete, Gesichter und Augen zu der Namensliste zu sehen. Morgen Abend werden wir wieder dort sitzen, mit der gleichen Co-Klassenlehrerin, mit der gleichen Einführungs- und Kennenlernstunde, mit der gleichen Aufregung - jedenfalls von mir kann ich das sagen -, mit der gleichen Freude hoffentlich. Nur mit anderen Kindern.

Gut fühlt es sich an, wieder zur Schule zu gehen. Fast glaube ich, dass sich mein Ruhe-Faden dort versteckt hält. Dort, wohin ich es kaum erwarten kann wieder zu kommen. Nun muss ich nur noch müde werden und ein wenig einschlafen, bevor in wenigen Stunden der Wecker klingelt.


2 Kommentare:

  1. Liebe Uta, wenn ich das richtig kombiniere mit heute und morgen und der Einstellzeit deines Posts, so hat der Wecker längst geklingelt. Ich wünsche euch allen einen wirklich wirklich guten Start in eure mehr oder weniger neuen und alten Alltage und Umgebungen und dass deine Ferienerfahrungen einen berechtigten Platz in dir bekommen dürfen, an dem sie nicht in Konkurrenz stehen zum Schulalltag, sondern ihn einfach hie und da bereichern dürfen.
    Schon beeindruckend irgendwie, wie die verschiedenen Schulsysteme dieselben Anforderungen an so unterschiedliche Altersstufen stellen. So hat unser Ältester sein letztes Abi-jahr jetzt mit fast 19 begonnen. Wenn ich mir vorstelle, dass bei euch der Dritte schon in dieser Situation wäre, ich bin gar nicht fähig dazu. Das sind Welten!? Oder einfach Länder! :)
    Alles Liebe dir, Gabriela

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  2. Ja, das hast Du richtig kombiniert. Zwischen "heute" und "morgen" liegt nach meinem Empfinden und Sprechen das Schlafen, nicht die Datumsgrenze. Heute war unser erster Schultag. (Um diese Uhrzeit stimmt es ja noch, und alle verstehen mich :))
    Es war gut.
    Ich habe gerade mein letztes Stück Wachheit zusammengenommen und ausgerechnet, dass E. durchaus vom Alter her in meinem Kurs sitzen könnte, wahrscheinlicher aber erst ein Schuljahr später dort wäre. Ich habe nur wenige 15jährige, die bald 16 werden, die meisten sind 16, einige wenige Ausnahmen schon 17. Der Kurs geht aber noch zwei Schuljahre, also sie machen Abitur in 2015. Insofern: nicht so riesig gravierend, der zeitliche Unterschied. Und bei uns merken vor allem die Deutsch- und Englisch-Lehrer den Unterschied zu damals, als auch hier die Abiturienten noch älter waren - die Aufgabenstellungen mögen die gleichen sein - zwischen den Aufsätzen von damals und jetzt liegen Welten. Sie sind eben wirklich noch sooo jung. Habe ich heute auch wieder stark empfunden.
    Ihr seid ja schon mitten im Schuljahr - ich wünsche Euch trotzdem mitten hinein gute Schritte für diesen und den nächsten und den übernächsten Tag ... Liebe Grüße, Uta

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