Donnerstag, 1. Januar 2015

zusammenerinnert


An seinem letzten Tag streife ich im vergehenden Jahr umher. Lasse meine Blicke durch Fotoordner, Tagebuch und Blogeinträge wandern, nehme den Familienplaner von der Wand und blättere, ebenso wie im Taschenkalender. Kaleidoskopartig kommt dieses vergangene Jahr zu mir zurück. Im ersten Erinnerungsgefühl war es mir karg und ärmlich erschienen. Nun entfaltet es sich vor mir mit all seinen Schätzen, seiner Weite, seiner Fülle. Ich staune. Und ich möchte danken.

Danke für mein Leben mit diesen wundervollen Kindern, immer und immer wieder ...
... wie jedes auf seine Art tief aus sich heraus strahlt ...
... wie sie mich in so verschiedenartigen Lebenssituationen sanft an die Hand nehmen und mir in ihren Fragen und Antworten wichtige Herzens- und Wesensdinge aufzeigen ...
...  wie beide ihre eigenen kreativen Wege gehen (und in diesem Zusammenhang lernte ich in diesem Jahr mehr als je zuvor, mich auf ihr Chaos einzulassen, auch auf das in den Kinderzimmern:)) ...
... ja, dass wir im Gespräch geblieben sind, egal wie das Pubertieren des großen und das Pubertätsimitieren (?) des kleinen Kindes dazwischen grätschen wollten ...
... dass ich einmal erleben durfte, als Lehrerin des Sohnes zu arbeiten (im schulischen Sinne: in einer AG, er mit Gleichaltrigen zusammen - das war schon ein besonderes Gefühl) ...
... und zum Thema Schule: Sehr dankbar bin ich dafür, dass beide in diesem Jahr dort lebbare Zeiten verbrachten, dass sie von ihren Lehrern wahrgenommen wurden, dass sie sich mit ihren Mitschülern arrangierten, wenn sich auch Freundschaften im Schulraum spärlich entwickeln. (Wir hatten schon schwerere Schulzeiten. Und bessere kaum, bei beiden Kindern nicht.)

Danke für nahe Menschen, die mit mir und uns Schritte gehen ...
... für viele Begegnungen hier im Haus, für Freunde, die nah wohnen und öfter hier sind, und für fernere, denen ich seltener gegenübersitzen kann - besonders beglückt hat mich dieses Jahr, dass wir zweimal mehrere Tage mit der Patenkindsfreundesfamilie verbrachten ...
... für die "Backtraditionsfreundin", mit der jedes Jahr unser Advent (und nicht nur der) verbunden ist ...
... für innige Begegnungen, die ich hier in diesem Schreibraum haben darf ...
... für eine Freundschaft, die nach längeren Irritationen über das Jahr hinweg vor wenigen Tagen in eine warme Umarmung mündete ...
... für wiedergefundene Menschen: Kindheitsfreundinnen auf einem Jubiläumstreffen, dreißig Jahre nicht gesehen, jetzt wieder- und ganz neu begegnet - in einer Intensität, die wir vorher nicht für möglich gehalten hätten ...
... und für verlorene: für die Kollegin, die ich gern noch näher kennengelernt hätte, bevor sie uns für immer verließ - tief nachhallend ist die besondere Wärme, die in unserer Schule, in unserem Kollegium durch die erste Trauerzeit trug.

Danke für meine Arbeit, in der ich mich nach wie vor im schönsten Beruf der Welt wähne ...
... für all die geschenkte Lebensfülle, das tägliche Aufeinanderzugehen mit den jungen Menschen, das Teilen und Begegnen ...
... für neuerwachte Nähe zu meinen Fastabiturienten, für meine immer noch so offenherzigen Sechstklässler, deren Augen strahlen wie zu Beginn der fünften Klasse, als wir uns kennenlernten, und für meine neue erfrischende Pubertätsneunte (sie haben Lieblingsklassenpotential:)) ...
... für so viele Unterrichtsideen, die von innen und außen auf mich zugeflogen kommen, dass ich kaum schaffe alles zu Taten werden zu lassen - aber wenn es dann gelingt, dass Ach-so-s aus Schülermund und -augen hervorspringen, oder wenn jemand einfach kurz aufatmet, weil die Angst vor Mathe - für den Moment - verflogen ist - dann möchte ich mich am liebsten still und demütig niedersetzen ...
... für ein Lehrerzimmer, in dem miteinander gelacht, gefreut und gesorgt wird, in dem wir uns austauschen, Probleme loswerden und bei Bedarf auch eine Rückenmassage erhalten können, in dem es sich warm und geborgen anfühlt ...
... aber auch für ein berufliches Nein, das ich schaffte auszusprechen, was ich nicht zuletzt meinem Körper verdanke, der mir in den letzten Monaten gezeigt hat, dass es zu viel wird. (Jetzt, wo ich davon schreibe, spüre ich gleich wieder seine Reaktionen. Ja, ich höre. Mein Teilzeitantrag ist abgegeben, ein Arzttermin vereinbart.)
... und in diesem Zusammenhang: Danke für meine Schulleitung. Wie gut, dass sie auch oder gerade in einer solchen Situation zuhören, mich bestärken und unterstützen, ja, fast mehr auf mich achten als ich das selbst vermag.

Danke für all das geschenkte Unterwegssein ...
... für Radreisen über 1, 2, 4 oder 16 Tage (mein Mathematikerkopf merkt an: es fehlt die 8:)) ...
... für Reisen in den Schnee ...
... für - wieder mal - ein Klassentreffen mit berührenden Begegnungen ...
... für Berlinwege, die mich unter anderem in meine musikalische Kindheit zurückführten ...
... und nicht zuletzt für die Hügel rund um unser Dorf, die oft genug, meist spätabends, bereit sind, mein Gedanken- und Emotionenkreisen zu tragen.

Danke für die viele Musik hier in unserem Hause ...
... wie gut die Kinder es mit ihren Lehrern getroffen haben, wie liebevolle, warme und fruchtbare Beziehungen sich dort entfalten, teilweise schon über viele Jahre ...
... wie ich Jahr für Jahr mehr lernen darf, das Wachsen und Werden von Musik aus sich selbst? aus dem Instrument? aus dem Kind? heraus zu hören (eine sehr weittragende Erfahrung, dass man Hören lernen muss - und kann) ...
... für jede Freundschaft, die die Kinder über die Musik gefunden haben ...
... und auch für unser Wettbewerbserfahren und -durchleben (ja, ein Thema zum Dranspalten, ich weiß, daher die oft in mir grübelnde Frage, ob meine Rolle eher im Bestärken oder im Bremsen besteht) - dieses Jahr haben wir den Sohn zum Bundeswettbewerb begleitet und dort, oder eher: auf dem langen Weg dorthin staunend beobachtet, wie er geduldig und ausdauernd arbeitet, ringt, kämpft, durchhält, um am Ende den Erfolg selbst staunend, still lächelnd und mit einem fast erschrockenen "das hätte ich nie gedacht" in Empfang zu nehmen (etwas, was er nirgends sonst so wie hier lernen kann).

Danke für jeden Moment, in dem ich bei mir sein durfte ...
... vor allem durch die Musik, in der auch ich so vieles für mich finde; dass sich mein Klavierspielen immer noch wie Wow und Was-ich-schon-immer-wollte anfühlt (und weil ich seit dem Frühjahr  digital spätabends üben kann, werde ich nun wieder regelmäßigen Unterricht vereinbaren) ...
... vor Kerzen sitzend, einfach nur sitzend ...
... manchmal innig lesend ...
... hin und wieder ins Schreiben eintauchend, das heilsam den Lebensfluss und mich selbst zu mir zurückzubringen vermag.

Danke auch für all das, was in diesem Jahr fehlte ...
... es wäre vielleicht eine lange Liste, wenn ich sie denn aufschriebe ...
... aber sie steht für den Moment nicht mehr wie eine Mauer vor mir, sondern wie ein Weg voller Aufgaben - teils von mir aktives Tun erfordernd, teils mich zum Bereitsein auffordernd, so wie ich - ein Geschenk des Neujahrsmorgens - las:
"Die wesentlichen Dinge kannst du nicht machen, sondern nur empfangen. Aber du kannst dich empfänglich machen!"
(aus Martin Schleske: Der Klang)

3 Kommentare:

  1. Danke, danke ich lese gerne hier und bin immer auf´s neue berührt!

    Herzliche Grüße, alles Gute für das neue Jahr, Christiane

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  2. danke für diesen schönen jahresrückblick!

    (und die 8 fehlt nicht, die 16 ist doch die potenz der 4!)

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  3. (Aber von der 1 zur 2 kommt man durch Potenzieren nie - und Mathematikerköpfe ergötzen sich ausschließlich an konsistenten Strukturen. Daher hilft für dieses Jahr nur: entweder die 1-Tages-Reisen weglassen, oder eine 8-Tage-Reise einführen. Letzteres klingt mir besser:))

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