Sonntag, 21. November 2010

Nur eine Rose als Stütze

Ich richte mir ein Zimmer ein in der Luft
unter den Akrobaten und Vögeln:
mein Bett auf dem Trapez des Gefühls
wie ein Nest im Wind
auf der äußersten Spitze des Zweigs.

Ich kaufe mir eine Decke aus der zartesten Wolle
der sanftgescheitelten Schafe die
im Mondlicht
wie schimmernde Wolken
über die feste Erde ziehen.

Ich schließe die Augen und hülle mich ein
in das Vlies der verläßlichen Tiere.
Ich will den Sand unter den kleinen Hufen spüren
und das Klicken des Riegels hören,
der die Stalltür am Abend schließt.

Aber ich liege in Vogelfedern, hoch ins Leere gewiegt.
Mir schwindelt. Ich schlafe nicht ein.
Meine Hand
greift nach einem Halt und findet
nur eine Rose als Stütze.



(Hilde Domin)

3 Kommentare:

  1. immerhin ist eine rose als stütze nichts schwaches und nichts kleines...

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  2. Nein, nicht schwach, nicht klein, ganz und gar nicht ... nur anders, nur ungewohnt, nur nochniedagewesen vielleicht?

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  3. "Aber ... " beginnt die letzte Strophe und kann eine Rose mit ihren Dornen Halt geben, eine Rose, nach der man mit der Hand greift?
    Wünsche in den ersten Strophen und Sehnsucht nach Geborgenheit. Doch die Realität, beschrieben in der letzte Strophe, ist sehr fragil.
    Ein für Hilde Domin sehr typischer Gedichtaufbau.

    Liebe Grüße
    Herr M

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