Sonntag, 11. Dezember 2011

empfangend

Natürlich hatte der Terminkalender etwas Bedrohliches:
Donnerstag Abend, Freitag Abend, Samstag Vormittag Proben.
Samstag Abend Konzert.
Fast schon panische Gedanken, dass nie und nimmer das Andere im Wochenende Platz finden wird, was dort noch Platz zu finden hat.
Fieberhafter Wochenendstart am Freitagnachmittag: Schulsachen abarbeiten, so viele wie möglich - wann sonst -, Einkauf, wie immer gehetzter Aufbruch zur Probe, im Auto noch Brot und Apfel und Tee hinunterschlingen - puh, pünktlich, gerade so.
...
Eigentlich, denke ich, als ich die Kirche betrete, habe ich keine Zeit für dieses Programm in diesen Tagen. Ganz und gar keine Zeit.
...
Doch dann sitze ich auf dem Podest ... der Atem wird ruhig ... der große leere Kirchenraum ... darin die sich verlierenden Klanggirlanden, kleine Tupfen aus dem Teppich, mit dem die Musiker unser Singen gleich unterlegen werden ... das ist so vertraut, diese Minuten vor der Probe, so wohlig, so wärmend ... wie sich das Podest füllt, und der Orchesterraum ... wie mein inneres Summen mit dem Einspielen des Orchesters anschwillt ...

Und dann ... die Trompeten ... und ... Jauchzet, frohlocket  ... und ... Wie soll ich dich empfangen ... und ... Friede auf Erden, sehnlich-schmerzliche Harmonien, noch nie so wahrgenommen  ... und ... Schließe, mein Herze, dies selige Wunder, ich schließe die Augen, es weint ein wenig aus mir ...

Ich sitze und stehe in diesen Stunden, und manchmal weiß ich nicht, ob ich oder ob es singt, und ob meine weit geöffneten Hände die Noten halten oder sie empfangen, und ob ich mittue an der Musik oder die Musik an mir getan wird ... immer mehr spüre ich, wie wir tun und sind in Einem, uns mitten hinein stellen, durchlässig werden ... wie die Musik durch uns fließt, durch uns, die wir singen und spielen, und durch die, die "nur" zuhören ... hier verschwimmt alles.
Alles zu Einem.

Und als es spätabends vorbei ist, hinterlässt mich der Schlussakkord in einer alles durchdringenden Leere. Da ist noch Beifall, Wortewechseln, Stühleklappern, Aufräumen der Kirche, die Begegnung mit den Mitmusizierenden, wie immer beim Griechen nebenan, die Heimfahrt, eine traumlose Nacht, heute Lebkuchenhausbau mit den Kindern, und - schon wieder - die Montagsschulgedanken im Kopf.
Und bei all dem trägt mich diese Leere. So als wäre mein Ballast der letzten Wochen mit der verhallenden Musik davongeflogen - all diese Zeitnot, Hetze, sorgenvolle Gedanken, Beschäftigtsein - ich spüre mich in wohltuender, heller Leere.

Mit offenen Händen stehe ich - nun ohne Notenmappe - und bin bereit zu empfangen.
Was wird sich in diese Hände hineinlegen? Und wann?
Ich weiß es nicht, und muss es auch nicht wissen.
Es ist genug, bereit zu sein ... ist das vielleicht Advent?

Wie soll ich dich empfangen ...

2 Kommentare:

  1. wunderbar.
    (bach eben. auch frau vierachtel schrieb neulich über dieses tor zum himmel, daß bach öffnen kann.)

    ich wünsche dir eine frohe weitere adventszeit!

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  2. Wunderschön beschrieben.
    Gruß Annette

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