Freitag, 21. August 2015

Tag 14: Eisenach - Berka/Werra


Für einen Ferientag, eine Radpause zudem, beginnt der Tag früh. Will ich doch um 9 Uhr vor dem Radladen stehen. Dank Wecker schaffe ich das (fast: 7 Minuten; ein anderer Kunde hatte sich schon vor mich gedrängelt:)). Es braucht eine Totaltransplantation der Bremse und Austausch dessen, was am Lenker sonst noch demoliert ist; ich kann das Rad mit allem Gepäck dalassen: gegen 15 Uhr wäre das sicher fertig.

Und so stehe ich plötzlich radlos auf Eisenachs Straßen, fühle mich ein bisschen nackt, wie ich da so unbeschwert durch die Fußgängerzone bummele, und tue all das, was mit Rad immer ein wenig kompliziert ist. Drogerie, Apotheke, Geldabheben - und dann öffnet auch schon das Museum.

DAS Museum. Wegen dem ich hierher abgebogen bin. Ich lasse mich hineinfallen. Mehr kann ich dazu gar nicht schreiben. Was die Musik mir ist - DIESE Musik - das findet sich in der Wortsprache nicht wieder, das versuche ich gar nicht erst.
Das kleine italienische Mädchen, das bei der Instrumentenvorführung so gebannt zuhört und dann irgendwann dem Impuls in sich nachgibt zu tanzen, zu jedem Stück auf andere Weise, das drückt einen Teil davon aus. (Und wer von diesen Tänzen genervt ist, der sollte in ein solches Museum nicht gehen. An die augenrollenden Touristen gerichtet ...)
Meine Sehnsucht nach dem Klavier wächst, und nach der ersten Chorprobe. Wobei mir mal wieder bewusst wird, dass mir dies einerseits nicht genug ist, und dass andererseits schon diese beiden kaum in meinen Alltag hineinpassen. Obwohl jetzt ein paar Deputatsstunden weniger auf dem Plan stehen (den ich übrigens vor ein paar Tagen im Internet fand: macht unser Stundenplanmacher eigentlich auch mal Urlaub?) Jedenfalls: ich weiß, worauf ich mich freue, wenn ich nach Hause komme:))
Der Besuch endet mit einem Picknick auf den Treppen vor Bachs Geburtshaus und einem kleinen Einkauf im Museumsshop (eine letzte Ritze in der Packtasche findet sich immer noch). Solange darf mein Handy freundlicherweise an der Kasse Saft tanken; fast hätte ich es dann dort vergessen.

Mein Radl ist fertig, ich bin begeistert über den Service, alle Packtaschen stecken schon wieder dran, und ich mache mich sofort auf den Weg. Witzig, dass wir das vor zwei Jahren mit dem Sohn auf der Berlin-BaWü-Tour ganz genau so gemacht hatten. Ewig im Museum versumpft, und dann gegen drei Uhr weg. Und auch damals waren wir noch bis Berka/Werra gekommen, etwa 40 km. Heute habe ich mir dort einen Zeltplatz ausgesucht, damals war es eher Zufall.

So unterschiedlich, wie sich die Strecke anfühlt. Zwar erkenne ich wie schon gestern jeden Stein, jede Steigung, jedes Haus, jeden Blick, doch damals mühten wir uns ab - mit Anhöhen, mit Müdigkeit, mit Nichtmehrwollen, mit Kann-nicht-mehr-Rufen. Das weiß ich noch zu genau.
Heute ist alles einfach. Weil ich den Weg kenne? Weil der Wind ein anderer ist? Weil es eben doch anstrengend ist, ein schwächelndes Kind immer wieder zu motivieren, dass der Berg doch gar nicht hoch sei? (Wobei ich bei letzterem eher das Gefühl habe, dass sich die Anstiege dadurch für mich leichter anfühlen, interessanterweise).
Aber die wehmütige Erinnerung an die Tour damals, die drückt ein wenig. Wir hatten eine sehr gute Zeit miteinander in diesen zwei Wochen, waren uns sehr nah, haben viel geredet - und die Pubertät war noch nicht ausgebrochen:) Ach was, ich trauere nicht der Jungseinszeit des großen Kindes nach, sondern bin nur noch nicht ganz fündig geworden auf der Suche nach neuen Kommunikationswegen und -formen, die jetzt gefragt sind. Im Moment ist er sooo wortkarg mit mir, da hätte ich gern wieder die Plappertasche von damals an meiner Seite:)

Damals jedenfalls waren wir von einem Gewitter eingeholt worden. Zogen uns unter einer Brücke die Klamotten an und hofften auf irgendein ¨Zimmer frei¨-Schild in Gerstungen, wie sie sonst zu tausenden an Radstrecken stehen. Nur hier - keines. Letztlich fanden wir im halbdunklen Regendickicht ein schmales Vordach und setzten uns mit klammen Fingern und unserm Telefon darunter - bis wir in Berka unterkamen. Heute fahre ich genau an diesem Vordach vorbei: daran hängt hinten ne olle DDR-Turnhalle. Da die Plattengebäude ja im ganzen Land identisch aussahen, kann ich sagen: in so einer hatte ich auch vier Jahre Schulsport!
(Ach so: das hier ist übrigens der Eisenach-Berka-Tag von vor zwei Jahren.)

Heute habe ich meinen Zeltplatz im Visier und bin kurz vor sechs Uhr schon da. Eigentlich ist es ein Kanuverleih, ein paar Übernachtungshütten dazu, und eine Wiese zum Zeltaufschlagen. Ich bin heute die einzige, suche mir ein kuschliges Eck, platziere mich zwischen Kräuterbeet und Liegestühle - und damit ist der Tag dann auch gelaufen. Im Liegestuhl liegend-dösend, Himmel betrachtend, der Kindergeburtstagsfeier am Lagerfeuer zuhörend, gerade noch ein paar Bissen essend, ansonsten aber einfach nur da liegend, stundenlang - so endet der Tag.

2 Kommentare:

  1. toll!, das das mit der reparatur so gut geklappt hat!
    und dann "noch schnell" 40km fahren: respekt!
    schönen samstag!
    waldwanderer

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    1. Ich bin aber eh eine ausgesprochene Nachmittagsfahrerin. Zwei Drittel meiner Strecke mache ich immer nachmittags. Vormittags bin ich noch ne lahme Ente, und abends dann schon wieder.
      Interessant, weil es am Schreibtisch komplett andersherum ist.
      Schönen Gruß, Uta

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