Samstag, 3. September 2011

Listengedanken

Zufall, dass mir diese Gedanken zum Ferienende kommen?
Wie schon oft, wie eigentlich immer, ist eine Latte von das-will-ich-in-den-Ferien-erledigen-Dingen unabgehakt geblieben. Die Liste hatte unschaffbare Länge, wie immer. Mehr als sonst bewege ich mich in diesen Tagen nicht im Gegenwärtigen, sondern zwischen Vergangenem - das hab ich schon erledigt - und Kommendem - das muss noch unbedingt getan werden. In mir Unzufriedenheit und Bauchgrummeln, denke ich an den Vollstart nächste Woche in der Schule.
So weit so wie immer.

Das ist ja nichts Neues: Meine ewige To-do-Liste ist nicht abgearbeitet. Noch nie war sie das. Seit Oberstufenzeiten erinnere ich mich an diesen Zustand. An das Bedürfnis, alles fertig zu  haben, an den Zeitmangel, der dies verhindert, an Unruhegefühle und Gehetztsein. Zu allen Lebenszeiten war es so - mal mehr, mal weniger. Im Hintergrund tickte meine Liste als Taktgeber immer mit.
Von außen betrachtet, bin ich eine, die viel "schafft". Sagen vor allem meine Mitmenschen. --- In mir aber kribbelt und nagt es, zuweilen quält und peitscht es.
Ein dumpfes Gefühl, dass es nicht stimmt, wenn ich so weiterlebe.

Was treibt mich unter das Listenjoch, in die Knechtschaft meiner ehrgeizigen (nicht einhaltbaren!) Zeitpläne? Welches Bedürfnis möchte da gestillt werden?
Ein unbeholfener Antwortversuch:
Ich möchte die Dinge um mich her aufgeräumt, sortiert, strukturiert. Und das meint nicht nur die Wohnung. Ich möchte sie fertig wissen, erledigt. Ich möchte, dass alles "in Ordnung" ist. Weil ich mir erst dann das Durchatmen zugestehe, weil ich erst dann in die ersehnte Stille finden kann, mich versenken kann in ... Ich ringe um Worte. Finde sie nicht. Weil alles nicht trifft.
Ich weiß es nicht. Aber ich werde wach bleiben. Mein Bedürfnis aufblättern, Schicht um Schicht, um dann ... über mich zu erfahren? Ja, was?

Ich werde nach Antworten suchen, mich beobachten, mich in Gedanken neben mich stellen, meine Tage bewusster anschauen. Denn: Ich will das so nicht mehr. Ich will diesen inneren Ungut-Motor zur Ruhe bringen. Will mich ein Stück weit von bedrängenden Zeitrastern befreien.

Die Ratio sagt ganz klar: Wie sollte das auch funktionieren - zwei Kinder, Beruf, Haus, dazu mehrere Intensivlebensquellen (ja, ich singe, schreibe, lese, fotografiere nicht zu wenig, doch manchmal führe ich sogar das in meinem Listensystem auf ...) - Wie sollte ich da je "fertig" sein? Was hieße das überhaupt: "fertig". Alles getan. Alles. Alles? Und dann?
(Während ich dies tippe, schmunzeln meine Augenwinkelfältchen. Dahinter aber drücken kleine Tränen, als Boten einer schmerzhaften Bewusstwerdung.)
Die Ratio also sagt: Offene Baustellen gehören dazu. Sie sind sogar gut und wichtig.
Nun muss mein ganzes Ich dem nur noch Glauben schenken. Muss lernen, mir die Baustellen zuzugestehen, nicht unter ihnen zu leiden, mich ihnen gemächlich Schritt für Schritt zu widmen, mit dem Mantra: Was geht, geht. Was nicht, das eben nicht.
(Stopp, quäkt sofort der Troll in mir: im Beruf, wie sollte eine solche Lebensart dort funktionieren? Und mit den Kindern? --- Doch, erwidere ich zögerlich, vielleicht sogar dort ...)

Nächste Woche wirbelt es hier wieder los, in vollem Tempo. Mir ist ein wenig bange davor.
Aber ich möchte es versuchen:
Bewusst in diese Zeit zu gehen.
Jeden Tag als Lebenszeit zu atmen, nicht als abzuhakenden Listenabschnitt.
Die To-do-Berge auszublenden, in einem gesunden Maße. (Ohne schriftliche Liste schaffe ich es nicht, bei der Fülle meiner verschiedenen Lebensfelder, aber ich möchte mich nicht länger von ihr dominieren lassen.)
Mich zu besinnen auf mein letztjähriges Morgenritual, den Barfußgang im Garten, oder eine andere Form der Stille, ritualisiert. Als Tagesgeländer, als Halt und Ruhepunkt, damit ich nicht in unmittiger Rotation ins Straucheln komme.
Und mir über einiges klarzuwerden. Warum mir das Abhaken von Listenpunkten solche Befriedigung verschafft. Warum ein ewiger Aufräumtrieb in mir ist, der bei Riesenhaus und Riesenschreibtisch zwangsläufig Unbefriedigtsein hinterlässt. Wie ich mich vor dem Verzetteln und Verzappen bewahre. (Nein, einen Fernseher haben wir nicht. Verzappen kann man sich auch in Zeitungsartikeln, Fachdidaktikaufsätzen, Nachttischlesebüchern, Blogs, Lieblingsgedichtbänden, Softwareinstruktionen, Reisebeschreibungen, alten eigenen Emails, Kinderzimmerbüchern ...)

Ich möchte lernen, meine Listen ausschalten, mich raum- und zeitlos verlieren zu können. Wie als Kind. Da konnte ich es doch auch.
Ich geh dann mal bei meinen Kindern abschauen ...

(War jetzt ein arg selbsttherapeutischer Eintrag. Verzeiht, bitte.)

3 Kommentare:

  1. Liebe Uta
    hast du denn schon Bericht vom andern Ort, dass du jetzt so klar den Schulanfang auf die Liste nimmst?
    Ansonsten wünsche ich dir in deinem neuen Zimmer eine Ecke oder einen Platz oder so, der frei ist von allem, was auf einer Liste Platz findet und von wo aus du dann auch wieder dankbar zu deiner Fähigkeit, strukturiert zu arbeiten, zurückkehren kannst.
    Einen schönen Sonntag wünsche ich dir von Herzen
    Gabriela

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  2. Nein, noch kein Bescheid. Das sagten sie mir schon: in den Sommerferien passiert da gar nichts. Aber ohnehin ist die Stelle erst ab Januar. Die ersten vier Monate des Schuljahres werde ich in jedem Fall mein geplantes Unterrichtsdeputat arbeiten, und das steht fest.
    Heute werde ich beginnen mit meinen Vorbereitungen ...

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  3. Wie sehr du mir mit deinen Worten aus dem Herzen sprichst! Ich finde mich so sehr wieder in dem, was du schreibst. Auch meine To-Do-Liste ist viel länger als meine Kapazität, sie abzuarbeiten - und dabei habe ich nicht einmal Kinder. Ich versuche immer wieder, mein Leben zu vereinfachen, es zu entrümpeln und auf das Wesentliche zu reduzieren. Aber selbst dann bleiben noch genug To-Do-Punkte übrig. Ich kenne das Unbehagen, das daraus entsteht, nur zu gut. Aber auf der anderen Seite ist es doch auch ein Zeichen dafür, dass in dir eine große Fülle ist, die Ausdruck finden will im gelebten Sein. Alles Liebe! Nimien

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