Dienstag, 13. April 2010

Großaufnahme

Wann immer ich durch meine Tage gehe, trage ich meine Brille auf der Nase. Dass diese mir die Dinge nicht nur scharfstellt, sondern auch noch verkleinert, las ich erst kürzlich wieder, in meinem Schülerphysikbuch. Ansonsten merke ich das nicht: alles ist so groß wie es eben immer ist, für mich.
(Doch, ich erinnere mich aus meiner Kontaktlinsenzeit, da fiel es mir auf: schaute ich mit Linsen auf meine Füße, waren diese plötzlich ungewohnt groß. Mit Brille sind sie ganz normal groß.)

Kürzlich, da ergab es sich, dass ich lange mit der Tochter ganz nah beieinander lag, im innigen Gespräch, und es war morgens, ich noch ohne Brille. Noch nie hatte ich es bemerkt: wie nah ich ihr so sein darf.
Und wie groß alles in ihrem Gesichtchen wird:
die Wimpern noch länger als sonst,
riesige Augen, die Fenster sich in ihnen spiegelnd,
die kaum sichtbaren Grübchen, plötzlich wie kleine Abgründe,
das lebendige Kräuseln der Oberlippe, wenn sie eine schelmische Antwort vorbereitet,
verschmitzt zuckende Mundwinkel,
die feinen Härchen auf der Nase,
die kleine Scharte in der Lippe - Tische haben einfach die falsche Höhe :(,
die Äderchen auf den Lidern,

kleine Tobespuren auf der Stirn,
unendlich viel zarteste Haut,
lustige Fältchen beim Blinzeln,
alles so nah, so groß, so bedeutend, so lieb.

Ich sollte öfter ohne Brille schauen.
Nicht nur auf meine Tochter, übrigens.
Manches ist größer als wir annehmen. Und näher.

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