Dienstag, 26. Oktober 2010

Mit der alten Dampflok

Eine Reise innerhalb der Reise, in eine andere Welt versetzt, in eine andere Zeitdimension. Erinnerungswelten, eng verwoben mit der Jetzt-und-Hier-Zeit.










Das Ziel war nicht wichtig - als wir in dem kleinen Städtchen ankamen, verstanden wir, warum wir es in keinem Reiseführer hatten finden können. Es war uns ohnehin nur Zwischenstation, bevor eine Stunde später unser Zug den Rückweg antrat.








Ganze 15 Kilometer ("Autolinie") waren wir von Jindrichuv Hradec entfernt, wie wir nach der Reise erfuhren. Die alte Dampflok machte daraus 30 km und zwei Stunden. Jeweils mal zwei genommen - für Hin- und Rückweg.
Eine Reise in die Langsamkeit, in mein ganz eigenes Lebenstempo: schneller braucht es nicht zu gehen. Die Welt gleitet ganz gemächlich vor dem Fenster vorbei.






Atemerholsam ist es, jeden Baumstamm und jede Ackerfurche einzeln zu betrachten. Fast möchte man nebenherlaufen, Blumen pflücken - die sichtbaren und die unsichtbaren.
Man kann ergreifen, bevor alles verflogen ist - den Wind, das Glück des Moments, das Leben.
Die Kinder spüren das ebenso wie ich.






Und alle, die dort unterwegs sind - die Mitfahrenden und die Zuschauenden. Wir sehen so viele Menschen, die den Tag innig verbringen - mit sich, mit ihrer Familie, mit Freunden, mit den Bäumen und den Seen und den Wiesen. Und mit dem Regen.
Wir sehen, dass man auch ohne "Funktionskleidung" gut wandern kann ;-) --- und mich befällt eine Tatra-Wanderungs-Melancholie - Rückschau und wohlige Erinnerung an knochige Wanderstöcke und wärmende Lagerfeuer, an große nährende Töpfe und harmonische Stimmung, als ich vor - hm: ich rechne kurz - genau zwanzig Jahren mit einer Gruppe tschechischer Studenten durch die Tatraberge zog.




Eine Reise in die Stille, in eine bukolische Landschaft, in der - wenn denn unser Zug weitergezogen ist - das Rauschen des Waldes und das Rascheln des Grases wieder die einzigen Geräusche sein werden.








Eine Reise in meine Sinneswelt: das Ruckeln und Schaukeln intensiv zu spüren, den aus der Kindheit wohlvertrauten Schwellenrhythmus mitzuschwingen, den rußbeladenen Wind im Gesicht zu spüren, hin und wieder ein Rußkörnchen aus meinem oder dem Auge der Kinder zu holen, das Sitzen auf den harten Bänken ...









Und die Gerüche - Holz und Leder duften nach den U-Bahnen, der Dunkelrauch nach den Reisen meiner Kindheit ... hach ...
Ich bin dort, und ich bin hier. Zeitenwelten vermischen sich und tanzen miteinander - ich kann den Fokus auf das eine oder auf das andere richten, beides stimmt, beides ist stimmig.





Reisen sind überhaupt gute Gelegenheiten, das Tanzen zu üben, das Tanzen ganz allein mit sich und in sich selbst ...

3 Kommentare:

  1. Der Bericht erinnert mich an das Kinderbuch "Henriette Bimmelbahn" von James Krüss, das ich so gerne mit meinen Kindern gelesen habe.

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  2. Oh ja! Das ziehe ich mir gleich mal aus dem Regal ...

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  3. Dachte ich's mir doch, dass du das kennst. Dein Bild mit dem Tanzen finde ich übrigens auch sehr, sehr schön. Das musste noch raus :-)

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