Sonntag, 5. Juli 2009

Berlin Berlin

Wir sind wieder zurück. Wohlbehalten. Vollzählig. Guter Dinge. Mit ein paar Erfahrungen mehr im Gepäck. Und mit Antwort auf einige der Fragen vom letzten Sonntag.

Teil 1: Die Wege

  • Die Bahn bewältigt das Problem, uns als 90-Personen-Gruppe zu befördern, mäßig gut. Problematisch ist insbesondere unser Einsteigen in einen Zug, der nur zwei Minuten halten sollte. Das wird dann etwas länger. Die Bahnbeamten beschränken sich darauf, deswegen mit mir zu nörgeln, anstatt uns praktisch-strategische Tipps zu geben, wie wir in der festgefahrenen Situation (es geht einfach an keiner Tür mehr weiter) das Procedere beschleunigen könnten. Immerhin lassen sie keinen von uns draußen stehen.
  • In Frankfurt allerdings zeigen sie sich äußerst kooperativ und setzen die von uns veranlasste Bahnhofsdurchsage in Sekundenschnelle in die Tat um. (Schülerin X geht dann doch nicht verloren, obwohl wir den entsprechenden Katastrophenplan in dem Moment auch schon telefonisch mit der Schulleitung koordiniert hatten.)
  • Der Ausstiegsbahnsteig erweist sich als unerwartet breit, und die Geduld unserer Schüler als unerwartet groß. (Oh man, es muss doch wirklich keine Stunde dauern, uns die Berlin-Tickets auszuhändigen, lieber Reiseveranstalter, oder?)
  • Unerwartet nervenaufreibend dann unser erster Gang zur Herberge: Dass wirklich alle unsere aufgeregt schwätzenden, kofferziehenden Schüler die Großstadtkreuzung mit ultrakurzen Ampelphasen und ultraschmalen Mittelinseln unbeschadet überqueren (was gefühlte sieben Ampelzyklen dauert), gleicht einem Wunder.
  • Im Gegensatz zur Deutschen Bahn (siehe oben) geht es bei der Berliner U-Bahn zügiger zu. Es gongt, und die Türen schließen. Etwa zehn Minuten später beschimpft der eine Teil meiner Klasse den anderen Teil als Schnarchnasen, der andere Teil entgegnet dem einen Teil daraufhin, dass sie ja nur deswegen nicht mehr hineingekommen seien, weil der eine Teil eben nicht ins Wageninnere durchgetreten sei. – Hin oder her: Die Klasse lernt dabei unverträumtes, koordiniertes Einsteigen und lässt sich fortan durch U-Bahn-Türen nicht mehr entzwei teilen.
  • Von dieser unserer neuerworbenen Gruppenfähigkeit profitiert übrigens letztlich wieder die Deutsche Bahn auf der Rückfahrt. Leider belobigen sie uns deswegen nicht ;-(

Teil 2: Das Wohnen

  • Gleich noch ein Wunder: Die Zimmeraufteilung war bei Ankunft schon ausgehandelt! Kein Streit, keine Tränen. (Außer wegen der Dusche über´n Gang, aber das haben die betroffenen Herren dann doch überlebt, wie ich jetzt im Nachhinein verkünden darf.)
  • Gehört zur Rubrik „Wohnen“ eigentlich auch das Schlafen? -- Dann darf ich hier berichten, dass es in unserem Fall eher nicht oder sehr selten dazu gehörte. Erst wenn ca. 2-3 Stunden nach der mitternächtlichen Heimkehr die Schüler ihre Zimmer-wechsle-dich-Spiele entnervt aufgeben (Ätsch, wir stehen sehr ausdauernd immer noch auf dem Flur!), sammeln auch wir kostbare Minuten Schlafs. Ganze 16 Stunden summieren sich bei mir in vier Nächten auf; und da ist der 10-Minuten-Kurzschlaf im Bundestag schon mit einberechnet.
  • Zwangsläufig: Die Klassenarbeiten bleiben, wo sie waren – im Rucksack. Jetzt sagt nicht, das wäre ja vorher klar gewesen ….

Teil 3: Die Stadt

  • Vorweg eine Bemerkung zum vermeintlichen Programmhöhepunkt: Nein, es ist nicht das KdW. Das „Alexa“ am Alex erweist sich als größer und zentrumsnäher, und es enthält weit mehr H-und-M.
  • Auch andere Dinge in der großen Stadt überraschen die Schüler – das alles aufzuzählen, ginge hier zu weit. Vor allem die Dimensionen der Stadt: Größe, Lautstärke, Schnelligkeit und Hitze sind überwältigend. Und erschöpfend. Das macht Stadtrundgänge zu langwierigen Angelegenheiten, schnelles Umsteigen fast unmöglich und lässt jeden unserer Programmpunkte ein wenig länger als geplant dauern.
  • Zum Glück erwartet man von den Schülern nicht, dass sie ihren Sitzplatz im Bus jemandem anbieten (zum Beispiel mir – nein, ich konnte immer noch ganz gut stehen ;-)). Einen Konflikt gibt es allerdings, als wir im Vestibül des Abgeordnetenhauses ca. ein Viertelstündchen zu warten haben und die Hälfte der Schülerschaft auf dem Boden sitzt. Da schreitet der Besucherdienst in Form einiger resoluter Damen ein. In der Folge entspinnt sich zwischen einigen Schülern und mir ein Dialog über Gepflogenheiten im mitteleuropäischen Kulturkreis, eben über das Sitzen vs. das Stehen in öffentlichen, repräsentativen Gebäuden. Ich lerne dabei so einiges über die Schüler; die Schüler lernen dabei hoffentlich so einiges über besagte Gepflogenheiten.
  • Gelernt werden soll noch so manch anderes, denn die Reise hat nach Schulprogramm den Schwerpunkt der politisch-historischen Bildung (darüber wird gesondert zu schreiben sein).
  • In diesem Zusammenhang werden auch die Personalausweise dringend benötigt: Für den schon erwähnten Besuch des Abgeordnetenhauses und des Bundestages. Kein einziger Schüler hat also seinen Ausweis vergessen (bravo!), allerdings vergisst der Sicherheitsdienst bei der Einlasskontrolle schlicht, sich diese dann vorlegen zu lassen. Und das, obwohl ich vorher mindestens drei vollständige Schülerlisten mit diversen Angaben hatte hinfaxen müssen.
  • Apropos Bundestagsbesuch: Der Imbiss in der Cafeteria des Abgeordnetenhauses veranlasst meinen Kollegen M. zu der Bemerkung, dass es doch mit einem Minimum an zusätzlichen Steuermitteln ein leichtes wäre, die Qualität des Essens gravierend zu verbessern – vielleicht würde dann ja auch die Politik besser (ich hoffe, man darf so etwas öffentlich schreiben ;-))). Ich kann ihm nur beipflichten und ergänzen, dass, dehne man dieses Investitionsprogramm noch auf die Kaffeemaschine aus, die Folgen für die Politikqualität schier unermesslich sein müssten …
  • Eine Bemerkung noch von mir als Mathelehrerin: Vor dem Alten Museum stehend, fordert der Nichtlateiner-Teil meiner Klasse den Lateiner-Teil auf, doch mal die Inschrift zu übersetzen. Die Lateiner mühen sich ab, bringen es nicht zustande. Die Nichtlateiner lachen. Daraufhin fordere ich sie alle auf, die römische Jahreszahl zu übersetzen. Sie mühen sich ab, raten – und: scheitern (alle!). Hätte jetzt ich lachen sollen?

Teil 4: Fazit

  • Bis auf eine Kleinigkeit gab es keine „besonderen Vorkommnisse“. Wir Lehrer empfanden die Schüler als ausgesprochen brav, fast schon als regelhörig. Die Schüler hingegen bedankten sich am Ende der Reise dafür, dass wir so locker gewesen wären. Na, das nenne ich eine gute Passung!
  • Und wer jetzt noch Antworten auf weitere Fragen vermisst, dem sei gesagt: Meine Kenntnisse über MP3-Player-Kopfhörer habe ich nicht erweitern können. Die Schüler pflegen nicht mehr gemeinsam Musik von einem Player zu hören. Entweder weil inzwischen jeder seinen eigenen MP3-Player hat, oder weil inzwischen jeder seine eigene Musik hat. Das bliebe auf der nächsten Klassenreise zu erkunden.

3 Kommentare:

  1. Spannend wie ein Krimi - äh, nein, das geht nicht, ich lese keine Krimis, aber spannender jedenfalls als das Flicken von Turnhosen, weshalb ich mir mit dieser Lektüre nun Mut für die nächste Stichelei angelesen habe. Danke. Ich hätte noch etwa 23 Fragen. Wenn deren Halbwertszeit nicht allzu kurz ist, werde ich sie dann stellen....
    Ich höre trotz allem Stress auch viel Befriedigung aus deinen Schilderungen. Ist das berechtigt? (Frage 1)

    Herzlich
    Gabriela

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  2. liebe rebis

    Schön, dich über Gabriela's Blog gefunden zu haben!
    Na ja, wenn da Berlin steht, muss ich natürlich automatisch anklicken!!! (Gruss an Gabriela...)

    Dein Bericht liest sich sehr spannend, so manche Situation kenne ich nur zu gut aus den Reisen in Berlin mit unserer Grossfamilie!

    Lieben Gruss

    Christina

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  3. @ Gabriela:

    Frage 1 beantworte ich ganz klar mit ja. Nun bin ich gespannt, von wie vielen der 23 weiteren Fragen die Halbwertszeit inzwischen verstrichen ist.

    @ Christina:

    Herzlich willkommen, liebe Christina!
    Haben wir es bisher bei Gabriela nicht geschafft uns zu "sprechen", so eben hier: Das freut mich!
    (Wobei: Ich durfte Dich da ja schon lesen.)
    Fahrt Ihr dieses Jahr wieder nach Berlin? Wann? Wohin?
    Schon so manches Mal habe ich für mich die Schilderungen der Erlebnisse in Euren Großfamilien mit einem Landschulheim verglichen - hatte ich also gar nicht so unrecht ;-))

    Liebe Grüße
    rebis

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