Sonntag, 19. Juli 2009

Berlin-Nachlese II: Kindheits-Spurensuche

Wie um die Schullastigkeit der Themen der letzten Tage etwas aufzulockern, fallen mir auf der Kamera weitere Berlin-Bilder in die Hände. Nein: Diese haben nichts mit der Klassenfahrt, sondern nur mit mir zu tun. Entstanden sind sie in einer der schüler-freien Stunden (von den Schülern übrigens "lehrer-frei" genannt;-)), als mir Zeit für einen Ausflug in die Vergangenheit blieb.

Wie lange das alles her ist ...

Ich nähere mich dem Ort meiner Kindheit von der Jannowitzbrücke her.



Irgendwie gab es damals nicht so viele Schiffe hier. Daran würde ich mich erinnern.



Erinnern kann ich mich nämlich gut, merke ich an jeder Ecke. Hier zum Beispiel fuhren wir mit Rollschuhen stundenlang die Rampe hoch und runter. Was so manches Pflaster erforderlich machte.
(??? Keine Rampe zu sehen??? Geht mir auch so .... wie schade für die heutigen Kinder! Es hat sooo Spaß gemacht.)





An dieser Stelle sei mir eine Betrachtung zu einem Nebenschauplatz erlaubt: Dass in Berlin außerordentlich viele Kindereinrichtungen ein "Kreativ" im Namen tragen, ist auffällig. Liegt das an den Berliner Kindern? Ob das wohl auf einen Ist-Zustand hindeutet? Oder müssen sich das die Einrichtungen notgedrungen zum Programm machen? - Dem wäre mal nachzugehen.





Ich gehe jetzt lieber meiner Vergangenheit nach ... und finde: eine Treppe. Nein, nicht irgendeine Treppe natürlich. DIE Treppe! Damals bot sie noch einen Blick direkt aufs Wasser, es war romantisch dort, sehr romantisch. So romantisch, dass ich mich auf ihr vor mehr als 25,5 Jahren zum ersten Mal im Leben küsste. (Mit wem??? - Nee, das verrate ich hier nicht. Höchstens auf persönliche Nachfrage ;-)))




Verraten tue ich jetzt nur, dass wir damals nicht mehr hier wohnten ("hier" heißt hinter zweien der unzähligen Fenster, die man nicht sehen kann, da die Bäume inzwischen zu hoch gewachsen sind.)



Sondern schon hier: fünfter Stock von oben, die drei linken Fenster des rechten Hauses. (Erfahrene Plattenbaubewohner erkennen sofort, wo das eine Haus endet und das andere beginnt ... Die anderen mögen dies erraten.)



Beziehungsweise, von der anderen Seite gesehen, hier: auch fünfter Stock von oben (ist ja logisch ;-)), das ist unser Küchenbalkon. Rechts daneben mein Zimmer. In dem ich dann den dritten, den etwa siebten und noch manch weiteren Kuss erlebte. An die dazwischen - ehm - vermag ich mich jetzt nicht mehr zu erinnern. Nur an den ersten richtigen Liebeskummer - das weiß ich noch: Der traf mich auch in diesem Zimmer!



Nun, heute sind diese Narben verheilt und die Schrammen im Hauseingang ausgebessert. Altvertraute Türen in ungewohntem Glanz, Scheiben und Spiegel geputzt wie geleckt. :-o




Weniger geputzt ist der Spielplatz - oder wie wirkt der? Düster, trostlos, verwahrlost, unbenutzt, in meinen Augen ... Ich frage mich, ob es hinter den geputzten Fenstern überhaupt noch Kinder gibt, welche dann hier spielen? Es scheint fast nicht so.




Nebendran ist es bunt. Schön bunt?



Und da hinten war früher unsere Kaufhalle. Doch wozu bräuchte man heutzutage noch eine Kaufhalle? Jetzt steht da jedenfalls etwas Neues.



Nur das Pflaster scheint alt, noch original aus der damaligen Zeit zu stammen.



Diese Leiter übrigens führt in die Spree. Einmal haben wir sie nutzen müssen, um unseren Ball wieder aus dem Wasser zu fischen. (Unseren Eltern sei zur - nachträglichen - Beruhigung gesagt: Es war wirklich nur einmal. Sonst kam immer wie gerufen die freundliche Wasserschutzpolizei vorbei und warf ihn wieder hoch.)



Naja, und jetzt geht es doch wieder um Schule. Denn genau dieses Tor führte früher in meine hinein. Nur dass es offen stand, damals. Beziehungsweise gar nicht da war, das Tor. Soweit ich mich erinnere.

Der Wildwuchs war auch nicht da, damals. Die gesamte Fläche war asphaltiert, gut für Knieschürfwunden und Mini-Tennis-Turniere in den Schulferien.



Und hinter diesen Fenstern habe ich einst lesen und schreiben gelernt. (Hier dürft Ihr jetzt bitte nicht fragen, welche es genau waren.)



Ob das wohl heute noch eine Schule ist? Sieht kaum so aus. Und wenn, dann hoffentlich doch nicht mit Fahnenappellen?! (Und das kommt mir jetzt nur, weil mich irritiert, dass die Fahnenmasten eindeutig jüngeren Datums sind.)



Und dann führt mich der Weg von diesem Hof wieder weg, so wie damals, nach acht Jahren nämlich: Oberschulzeit.


Immer morgens 7.32 Abfahrt mit der U-Bahn, bis zum Alex, umsteigen, dann bis Frankfurter Tor.




Und heute fahre ich auch von hier wieder ab - ganz wie damals. Bis zum Alex, wo jetzt meine Schüler auf mich warten.

Wie lange das alles her ist ...

3 Kommentare:

  1. Ui, Uta,
    jetzt bin ich sprachlos, dabei wollte ich genau das jetzt zur Stunde nicht sein. Für mich ist das nur schon auf diesen Bildern eine sooo andere Welt. Noch nie (noch nie? Nein, ich glaube wirklich nicht) habe ich bei einem Hochhaus die drei Fenster im 5. Stock von oben oder auch andere abgezählt, um mir darin jemanden vorzustellen. Wenn ich mir darin dann sogar erste Küsse vorstelle, wird mir fast schwindlig!
    Noch nie habe ich versucht, die Anonymität, die ich mit einem solchen Gebäude verbinde, so zu überwinden.
    Danke, dass du mir dabei hilfst, meinen Horizont zu weiten.
    War es das erste Mal, dass du wieder dort warst jetzt? Nicht, oder?
    Vielleicht packe ich jetzt doch erst noch weiter, um die Sprache wieder zu finden.
    Gabriela

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  2. Und Uta, es ist nicht "schlimm", was diese Bilder auslösen, gar nicht. Es macht mir bloss auf sehr sehr eindrückliche Weise bewusst, wie klein und eng meine Welt ist, weil ich so wenig weiss, so wenig kenne, so vieles gar nicht erahnen kann, weil ich es nicht erreiche. Und ich lerne, dass du eine Welt mitbringst, die so anders ist als jene in meinem Rucksack, ganz und gar ohne Wertung, einfach anders.
    verständlich so?

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  3. Liebe Uta,

    interessant, weitere PArallelen zwischen uns zu entdecken. Auch ich habe einen grßen Teil meiner KIndheit und Jugend in einem Plattenbau verbracht. Von meinem 8. bis zu meinem 20. Lebensjahr, in Dresden-Prohlis. Vielleicht kennst du das aus deiner Zeit in Dresden. Ich habe im siebten Stock gewohnt.

    Mein Weg hatte mich ja dann bedingt durch unseren Schulumzug während der Sanierung wieder nach Prohlis geführt. Ich hatte mir dann auch kurz nach unserem Ankommen dort einen Nachmittag Zeit genommen (zusammen mit meiner Mutter), alte Wege zu gehen.
    Mir kam es auch ewig lange her vor. Aber die Erinnerungen kommen doch wieder. Vieles hat sich auch verändert, nicht immer zum Guten.

    Herzliche Grüße
    Susanne

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