Freitag, 18. Dezember 2009

Vom Mut

Gestern Abend führte die wunderbare Lehrerin unseres Sohnes mit der Klasse ein Weihnachtsmusical auf - das dritte Programm in diesem erst kurzen Schuljahr, welches wir mit ihr und der Klasse erleben durften. Es ist immer wieder unglaublich, wohin sie diese Kinder zu führen vermag.

Da standen sie ALLE auf der Bühne, sangen Lieder im Chor, hatten das Bühnenbild und ihre Kostüme selbst angefertigt, die Szenen liebevoll ausgestaltet, ihre Rollen auswendig gelernt ... Und wer keine Rolle im Stück abbekommen hatte, trat anschließend mit einem Weihnachtsgedicht auf, oder las eine kleine Geschichte vor, oder hatte ein Weihnachtslied auf Flöte oder Klavier einstudiert. Alles hinter unserem, der Eltern Rücken. Wir durften eine Überraschung nach der anderen erleben.

Und das Eindrücklichste dabei:
Die Kinder stehen ALLE dort, ohne Ausnahme. Es ist ihnen ganz selbstverständlich, dass JEDER ans Mikrofon tritt, dass jeder dort seinen Platz hat, mit dem was er eben beizutragen vermag. Ob einer erst holpernd oder schon flüssig lesen kann, ob einer sein Gedicht selbstbewusst oder eher zögerlich vorträgt, ob einer beim Vortrag scheu nach unten schaut oder den Blick ins große Publikum wagt … alles hat hier Raum.

Die Kinder lernen etwas ganz Wichtiges für’s Leben: Ein JEDER darf und soll und kann sich trauen, nach vorn zu treten und mit seiner Stimme Laut zu geben – mit dem, was diese eben hervorbringt.

Also ich hätte mich das mit 7-8 Jahren nie und nimmer getraut. Deswegen vielleicht hat mich ganz besonders mein eigener Sohn berührt. Deswegen, weil ich so anders war, und weil man ihm noch vor zwei Jahren im Kindergarten und bei der Schulanmeldung prophezeit hatte, dass er mit seiner schüchternen, in sich verschlossenen Art in der Schule „keine Chance“ hätte. (Ja, wörtlich haben die das gesagt. Im Nachhinein sind wir unendlich dankbar dafür, denn das war der Grund ihn umgehend auf einer anderen Schule anzumelden – eben bei dieser Lehrerin.) Nun, und mein Sohn, der sich bis vor kurzem kaum traute, beim Singen im Chor den Mund aufzutun, stellte sich gestern im Schlusslied wie selbstverständlich ans Mikrophon und sang ein zweistrophiges Solo. Da war mir ein kleines Tränchen schon gestattet …


Der Mut, den diese Kinder hier gelernt haben, der uns gestern so eindrücklich gezeigt wurde, der wird sie weiter tragen. Auch wenn sie schon bald nicht mehr von dieser Lehrerin begleitet werden. Der Mut wird ihnen bleiben, so ist zu hoffen.

Der Mut,
im Leben mit seiner Stimme Laut zu geben
zu sagen was zu sagen ist
auszusprechen, was die Wahrheit ist
zu widersprechen, wenn Falsches im Raum steht
herauszulassen, was drängt
sich zu öffnen statt Worte in sich zu verschließen
und dabei
sich von den Blicken der Zuschauenden, Zuhörenden nicht beirren zu lassen
zu vertrauen, dass Gesagtes ankommt, wenn es nur ehrlich gesagt wird
...
dieser Mut ist für’s Leben so wichtig.

Diesen Mut konnten wir uns gestern von den Kindern abschauen.
Denn nein, wir Erwachsenen, ich auch, haben diesen Mut oft nicht.
Jetzt aufzulisten, in welchen Situationen mich der Mut verlässt, würde zu lang, zu intim, zu unpassend hier sein. Es gibt genug …
Ich hoffe, man versteht auch so, was ich sagen möchte.

3 Kommentare:

  1. Ich glaube, ich verstehe sehr gut, was du meinst, und nach eurem unmenschlichen Kindergarten- Schulübertritt kann ich umsomehr verstehen, wie dankbar ihr seid für solche Erlebnisse!
    Gute Nacht, wieviel ist schon korrigiert (muss immer wieder mit Schrecken an diese Zahlen denken.)
    Gabriela

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  2. liebe uta,

    genauso habe ich letzte woche das weihnachtstheater von maries schule erlebt. solche wunderbaren aufführungen lassen kinder über sich selbst hinauswachsen!
    in maries schule sind noch einige kinder mit erhöhtem förderbedarf integriert und diese kinder waren so so wunderbar miteingebunden.

    diese verwandte, die da bei uns war, hat vor marie dies alles demontiert. der auftakt war, dass marie ihr freudestrahlend ihre selbst gestalteten weihnachtskarten zeigte und sie nur die rechtschreibfehler sah.
    in der schule würde wohl nur auf förderschulniveau unterrichtet und theater gespielt, meinte sie.
    tja, mit mir kann man über fast alles diskutieren, doch nicht vor den kindern.
    die freude an den karten ist genommen, doch heute früh suchten wir bei schneefall schon unseren weihnachtsbaum und marie strahlt wieder. zum glück!!

    ich hoffe so sehr für euch, dass euer sohn wieder so einen herzensmenschen als lehrer bekommt!

    liebe grüße heike

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  3. wahrscheinlich kam keines der kinder auf ausgrenzungsgedanken, die es bei dieser lehrerin- bravo!!- gar nicht zu geben scheint. kinder benötigen nicht so viel mut, wie wir für ein solches auftreten, sind unbedarfter, noch nicht von versagensängsten geplagt- einfach munter drauflos, so machen die das, mit glänzenden augen und voller hingabe.
    schön, wie du das beschrieben hast!

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