Montag, 3. Mai 2010

Korsett - Update

Ich sollte sagen, es gehe mir gut. Ja. Trotz allem, was da auf mich einstürmt – die Belastungswogen scheinen geglättet.
Und wenn ich das nicht so klar ausspreche – „Es geht mir gut.“ – dann liegt das einzig daran, dass mir Schreibzeiten fehlen, dass die Worte nicht fließen, dass ich in diesen Tagen kaum inneren Raum finde, mich in irgendetwas zu vertiefen. Alles fühlt sich dumpf an, undurchdrungen, veroberflächlicht. Was es sicher nicht ist. Es sind eben gerade einzigartig volle Tage.

Von daher: Es geht mir gut. Oder besser: Ich gehe gut durch diese Tage. Denn es ist mehr ich als es. Nicht mir wird angetan, sondern ich tue Schritte. Weniger von außen getrieben als von innen gesetzt.

Eure Reaktionen zu meinem vorigen Post habe ich dankbar gelesen und in mir bewegt. Erst dadurch habe ich richtig geglaubt, dass das alles tatsächlich viel ist. Sonst ist mein erster Impuls oft: Ich stelle mich nur ein bisschen an, was habe ich denn nur …

Das Schreiben darüber, das laute Denken an diesem Ort tut gut. Vielleicht sollte ich mich von Zeit zu Zeit auf diese Weise sortieren, mir meinen Umgang mit dem Vielen bewusst machen – und dadurch erleichtern.

Einiges habe ich in den letzten Tagen „weg-erledigt“.
Mich für eine Weile diszipliniert an eine Schul-Aufgabenliste zu setzen und eines nach dem anderen abzuhaken, war gut. So befreiend – und neu und wesentlich und richtig – es in den letzten Wochen für mich war, das Leben aus dem Augenblick heraus zu üben, meine Tage im Einklang mit dem inneren Rhythmus zu gestalten, so deutlich zeigte sich mir jetzt die Kehrseite: ein hoch aufgetürmter Schulpflichtstapel, mich (be)drückend, überfälligst.
Weder mich zu sehr dominieren lassen vom Pflichtenstapel noch ihn vollends vernachlässigen – die richtige Balance ist gesucht.

Einige Berge wurden, aus der Nähe besehen, ganz klein.
Vor allem im Haushaltsbereich kann ich Minimalistin sein – Details wage ich hier gar nicht zu verraten ;-) – das Gästezimmer war Minutensache. Der Vorschlag, nicht etwa das Bett zu beziehen, ließ mich grinsen. Denn nein, dies kommt mir im Leben nicht in den Sinn (aber soweit ist man im Blog eben nicht durchsichtig ;-)). „Herrichten“ heißt bei mir lediglich, dass die Bettwäsche immerhin abgezogen, gewaschen, trocknend auf der Leine hängt, wenn der Besuch anreist. Und dass in Bad und Gästezimmer – welches direkt auf dem Weg zwischen Sandkasten und Bad liegt – die Sand- und Schlammspuren der Kinder soweit weggesaugt sind, dass der Besuch nicht einem unfreiwilligen Fußsohlenpeeling ausgesetzt ist. Nur das :)

Einige Knoten habe ich aktiv ent-wirrt.
Mir den Förderunterrichtsschuh nicht weiter angezogen, dafür umgehend einen bissigen Mütterblick geerntet, aber trotzdem nicht darauf reagiert. Die 12er-Sache offensiv in Gesprächen angegangen – es wird Folgeaufwand geben, nicht wenig, aber nicht für den Moment, erst nach den Pfingstferien. Mich mit einer Kollegin verabredet, gemeinsam zur Beerdigung zu gehen und die Karten des Kollegiums zu schreiben – das fühlt sich jetzt stimmig an.

Einige Druckfaktoren haben sich von selbst gelockert.
Die Patenkindsmutter lag und liegt mit Lungenentzündung im Bett. (Habe sie übrigens in Telefongesprächen davon überzeugt, heute nicht in die Schule zu gehen, was sie vorhatte.– Bei anderen kann ich wunderbar um Schonung besorgt sein …). Dadurch war der Freitagnachmittag frei, Brille ist abgeholt, Sandalen sind gekauft.

Dennoch: was bin ich für eine Patentante, dass wir seit Weihnachten kein Treffen mehr zustande gebracht haben, selbst am Geburtstag nicht???
Weil ich nach 6 Stunden Schule zu erschöpft bin, mich vom Vormittag gesprächsmäßig ausgelaugt fühle, bin ich oft nicht mehr in der Lage, mit meinen eigenen Kindern geduldig zu sein und etwas zu unternehmen. Geschweige denn mit drei Kindern Kuchen zu backen …
Nein, ich muss mir diese Erschöpfung zugestehen und einsehen, dass es dafür Wochenenden und Ferien gibt. Ich muss akzeptieren, dass ich in Stoßzeiten nach der Schule kaum ansprechbar, nicht gesellschaftsfähig bin.
Dass ich am allerliebsten ohne Nachmittagstermin im Garten bleibe – dort arbeite, manchmal auch nur sitze, Kaffee trinke – ein wenig vorbereite, ein wenig korrigiere. Während die Kinder – und meinetwegen auch noch ein bis zehn Fremdkinder – friedlich im Sandkasten und auf der Spielstraße sich vergnügen. Leider ein seltener Zustand. Schon deswegen, weil ich ja zwei Nachmittage in der Schule bin ...

Ich merke, dass mich die Erschöpfung immer mittwochs einholt, an diesem prallvollen Mittwoch. Der Belastungspik (äm - richtig ist: -peak!) ist schwerer zu verkraften als ich dachte. Die beiden freien Vormittage polstern das nicht ausreichend ab. Vermutlich wäre es leichter, wenn die Arbeit gleichmäßig über die Woche verteilt wäre. Und gleichmäßiger übers Jahr: weniger Ferienwochen, dafür weniger Extrembelastungszeiten – das käme mir zugute. Nun ja, beides kann ich mir nicht aussuchen. Muss also lernen, damit umzugehen.

Muss akzeptieren, dass sogar schöne Dinge zur Belastung werden, wenn sie zur falschen Zeit anfallen. Das Wochenende mit der Freundin war gut, und dennoch spüre ich heute: Mir fehlen die freien, ruhigen ganz-allein-Stunden. Beides ist wichtig: ich muss mit mir allein sein, muss schreiben, träumen, nichts tun, lesen --- und ich will Kontakte nicht verlieren. Beides scheint einander auszuschließen, zuweilen. In Nichtferienzeiten kaum zu Begegnungen in der Lage zu sein, mich einzuigeln, Verabredungen auf Wochenende und Ferien zu verschieben – das versetzt mir selbst einen Stich.
Auch hier gilt es, die richtige Balance zu finden.


Vermutlich werde ich immer mal wieder reflektieren müssen, wie meine Tage zu gestalten sind. In welchem Verhältnis ich den Ich-will-Stapel und den Ich-muss-Stapel angehe. Ewigwährende Balance-Suche. Die letzten Tage haben mir gezeigt, dass es lohnt, darüber nachzusinnen. In der Selbstbeobachtung konnte ich mich neu einnorden, fühle mich wieder mittiger.

Ja, für Mittwoch fühle ich mich innerlich gewappnet: Mein Abiturberg wird etwa 30 bis 35 Arbeitsstunden bedeuten, zusätzlich zum normalen Unterricht. 12 Tage habe ich dafür Zeit.
Nun – ich habe es noch jedes Mal geschafft. (Und alle anderen schaffen es ja auch.)

Ohne Korrekturtage, diesmal. Die darf ich dann nach den Pfingstferien nehmen. Werde sie nutzen, um Töchterchens Kindergeburtstagsfeier vorzubereiten. Denn diese – auch ein Punkt der Erleichterung – haben wir in den Juni verschoben. So hat sie mehr davon: darf zweimal feiern ;-)

Und hoffentlich schaffe ich es weiterhin, ruhig durch meine Tage zu kommen. Wie ich ihn nun schon einige Zeit bewusst übe, meinen Weg aus aufsteigender Unruhe und Getriebenheit hinaus: Beobachten und Hinspüren, was meine Hände gerade tun, was mein Körper tut, wie sich meine Berührungen und Bewegungen in einem jeden Augenblick anfühlen – das ist mir Geländer und Handlauf. Dieser Halt lässt mein Gedankenkreiseln langsamer werden. Schickt mich über meine Hände in meinen Körper zurück, lässt mich bei und in mir bleiben.
In eine Ruhe hinein.
(Ich werde sehen, ob ich das in einigen Tagen auch noch so sagen kann.)

2 Kommentare:

  1. das liest sich gut, das lebt sich gut. ich hoffe es für Dich!
    belastungspik- was ist das?
    gruß von sonia

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  2. Pik - das schrieb sich mir so ohne Nachzudenken, findet sich aber nicht in Wikipedia :(
    Klar, heißt eben auch Peak = signifikanter Spitzenwert (http://de.wikipedia.org/wiki/Peak)
    Und warum schreibe ich das so dumm falsch??? Weil ich aus dem Osten komme und dessen Geografie verinnerlicht habe. Die ganzen einst sowjetischen Berge hießen so: Pik Lenin, Pik Kommunisma usw.
    Und beim Rumsuchen habe ich bei Wikipedia eben auch gelernt, dass das "Piz" in Schweizer Bergnamen damit verwandt ist, und letztlich auch unsere "Spitze".
    Spannend, die Etymologie.
    Gruß zurück von Uta
    (momentan am Schreibtisch, aber gut)

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