Dienstag, 5. Januar 2010

Der Morgenstein in mir

Mehrere Steine trage ich in mir, in meinem Herzen, an denen es reibt, zuweilen blutet, die da drücken und schmerzen, die meine Trauer tragen.
Wenn ich weine, erweiche ich sie gleichsam mit meinen Tränen. Dann werden sie weniger schmerzhaft, weniger scharfkantig, werden anschmiegsamer, runder, verletzen nicht immerzu das Herz.
So lebe ich mit meinen Steinen, jahrelang, jahrzehntelang schon. Ich habe sie für mich angenommen, sie gehören zu mir. Es ist gut, so wie es ist.

Nun weckt mich einer dieser Steine in letzter Zeit morgens aus meinem Schlaf, oft schon nachts, lange vor der Zeit des Aufstehens. Ich liege dann wach, und wir reiben uns. Manchmal blutet es, manchmal tränt es.
Das kenne ich nicht, bisher habe ich immer gut geschlafen, mein Leben lang, wage ich zu sagen. Ich frage mich, was dieses Aufwecken, dieses Wachliegen mir sagen will. Welche Botschaft bringt mir mein Morgenstein ?

Das Leben mit diesem Stein fühlt sich im Moment unruhig an, nicht stimmig, nicht gut. Da scheint mehr in mir zu arbeiten als ich bisher ahnte.
Ich werde also geduldig annehmen, dass dieser Stein mich regelmäßig weckt. Ich werde die Trauer dieses Morgensteins trauern. Ich werde diesen Stein freundlich bewirten, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Irgendwann wird er mir seine Botschaft offenbaren.

Und dann - dann wird er vielleicht kleiner werden, oder weicher, oder runder. Dann wird er ganz meiner sein, der Morgenstein, ganz in meinem Ich aufgegangen.

Und wenn ich - mit all meinen Fasern - ihn - mit all seinen Splittern - dann bedingungslos durch meine Tage trage, dann wird er keinen Grund mehr haben, mich des Morgens zu wecken. So wird das sein. Bald.

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