Mittwoch, 21. Oktober 2009

Formsache?

Nummer 1:
"Ähm, also, ich war letztes Jahr für ´n halbes Jahr in Kalifornien, und das war total toll, also, man lernt nochmal ´n ganz anderes Land kennen, ´n voll anderes Leben und so, coole Leute, mal raus aus allem, mal keine Schule, also so die Schule hier. Is auch cool, dass man ganz andere Fächer da hat ... Also eben ganz andres Land, nette Typen, voll interessante Erfahrung, ähm, also ich kann wirklich nur jedem empfehlen, ähm, also macht des auch mal, is wirklich toll, also, lohnt sich, so´n Jahr im Ausland, so mal was total anderes ..."

Nummer 2:
siehe Nummer 1 (mit "Kanada" statt "Kalifornien")

Nummer 3:
siehe Nummer 2 (mit "Neuseeland" statt "Kanada")

... usw.

Schüler werben vor anderen Schülern für ein Auslandsjahr. Stehen auf der großen Bühne, lässig das Mikro in der Hand.
Wir Lehrer stehen kopfschüttelnd dabei und wissen nicht, ob wir eher über die inhaltliche oder über die stilistische Armut der Vorträge weinen sollen. (Keiner von uns beneidet in dem Moment die Deutschlehrer ...)

Nein, ich gehöre nicht zu der Fraktion "früher war alles besser" und "die Jugend von heute" und überhaupt. Aber das hier erschreckt mich, vorsichtig ausgedrückt. Denn sie sind 16, 17, 18 und werden in 1, 2, 3 Jahren Abitur machen. In weniger als einem Jahrzehnt werden sie uns als Ärzte behandeln oder als Anwälte vertreten, werden für die Belange kleiner Kinder oder großer Firmen verantwortlich sein, werden uns als Journalisten oder als Kundendienstberater gegenübertreten.

Die Bedeutung eines angemessenen Gebrauchs der deutschen Sprache mag ja gemeinhin leicht überschätzt werden (;-)), aber ein wenig sollten sie in diesem Bereich schon noch zulegen, die jungen Leute, findet ihr nicht?

2 Kommentare:

  1. liebe uta,

    ich denke, bei vielen tut sich noch ganz viel, bis sie im berufsleben stehen. jetzt spielt wohl auch die pubertät und damit verbundene unsicherheiten eine rolle. außerdem wird "präsentieren und vortragen" meiner meinung nach auch zu wenig eingeübt. es ist schon ein unterschied schriftlich zu formulieren oder möglichst frei vor anderen zu sprechen.

    liebe grüße heike

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  2. Liebe Heike,
    so ein Erschrecken enthält immer ein Moment des Spiegelns: Wo vernachlässigen wir selbst die Sprache? Spreche ich so, wie ich mir das (eigentlich) vorstelle? Woher sollen sie es denn haben? Tatsächlich ist in der Schule oft (zu) wenig Zeit für diese "Baustelle". Ich glaube, es hinterlässt auch seine Spuren, dass Kinder immer weniger oder gar nicht mehr lesen. Übrigens: viele Kinder schreiben so, wie sie sprechen. Wirklich.
    Und Eltern, die ihre Entschuldigungen auf abgerissenen, butterfettgefleckten Knitterzetteln mit der Anrede "Hallo Frau X" beginnen, sind nicht gerade ein Vorbild bei diesen formalen Dingen.
    Doch ja, natürlich kommt nach der Schule noch ein riesiger Sprung, so pessimistisch bin ich gar nicht. Nur heute morgen, das hatte etwas Trauriges, auf den ersten Blick.
    Liebe Grüße
    Uta

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