Dienstag, 20. Juli 2010

Das Fest

Schon lange trifft man sich in diesem Kreise. Immer am gleichen Ort, immer zur gleichen Zeit, immer die gleichen Rituale, Essen und Wein – jedes Jahr das gleiche Fest.

Früher haben sie zusammen gesungen, jetzt teilen sie ihre gemeinsame Chorvergangenheit in wehmutsvollen Weißt-du-noch-Geschichten. Ihre Singstimmen begegnen sich nicht mehr, die Stimmen ihrer Lebensgeschichten dafür umso mehr.
Lebens-allumfassend-verwoben vermischen sich von Hand zu Hand wandernde Enkelfotos mit ersten Todesnachrichten, schwankhafte Damalszeit-Erinnerungen mit berührend still erzählten Lebensschicksalen, die Lachträne in dem einen mit der erschüttert-salzigen Träne im anderen Auge, prallsinnliche Lebensfreude mit nachdenklichzarten Leisetönen – all das kommt hier zusammen, auf dem Fest.

Und ich?
Ich bin das „Küken“ in der Runde, hineingerutscht aus der Generation darunter. Bin so alt wie deren Kinder, bringe Kinder mit ähnlich denen auf den Enkelfotos.
Und fühle mich so wohl wie selten an einem Begegnungsort. Sauge Lebenstiefgang in mich auf, atme die Blicke von Aug in Auge, höre stumme und in Worte verpackte Lebenswahrheiten, bin in einen Frauengeborgenheitskokon gehüllt, hier auf dem Fest, dem lebensfüllevollen.
Ein Tag, der länger reicht als nur bis zum Abend …

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