Sonntag, 11. Juli 2010

Es ist gar nicht so schlimm ...

Eine Woche Mobbingprävention in unseren 7. Klassen.
Dazu gehören unter anderem Übungen, in denen man sich sehr nahe kommt, berühren muss, auch körperlich. Wir sprechen vorher über Scheu und Ängste, sind während der Übung beobachtend präsent, ob ein Kind zu schützen und herauszunehmen sei, sprechen hinterher über das Erleben.
"Es ist gar nicht so schlimm", sagten die Schüler bisher einmütig über jede der Übungen.

Eine davon, ganz bekannt sicherlich: Man fasst sich in einem großen Kreis an den Händen und steigt dann solange über fremde Arme oder kriecht drunter durch, ohne je loszulassen, bis sich ein einziges verknotetes Menschenknäuel ergibt. Nun müssen andere Schüler diesen Knoten durch ihre Anweisungen auflösen.

Wer weiß, dachte ich vorher, Mädchen und Jungen gemischt, 13jährige, bei der leichten Bekleidung derzeit gibt es zwangsläufig viel Hautkontakt - wer weiß, dachte ich. Vielleicht kreischen sie nur und laufen auseinander, waren meine Gedanken. Oder sträuben sich auf andere Weise.

Doch es kam ganz anders: So viel Begeisterung war selten! Auf Seiten derer, die entwirren sollten, aber vor allem auf Seiten der sich Verknotenden. Immer verwirrter, immer trickreicher, immer inniger bildeten sie ihr Knäuel aus Armen, Beinen, Köpfen, Körpern. Immer näher drängten sie sich, einige kuschelten sich regelrecht in den Hautkontakt hinein, lehnten sich an unter dem Schutz des Spiels - ja, sie bot ein großartiges Bild des Zusammenseins, unsere oft sorgentränenbeweinte Siebte. Sie wollten gar nicht mehr aufhören, lachten, jubelten - alle.
(Schade: einen Fotoapparat hatten wir nicht dabei.)

Irgendwann holten die Schüler uns, die Kollegin und mich, aus unserer Beobachterrolle heraus: wir sollten auch mal den Knoten auflösen. Ok, gut. Es gelang uns.
In der nächsten Runde: "Und jetzt machen Sie richtig mit." - Oha! Und schon standen wir mitten im Knoten, es wurde immer dichter, immer enger ...
Jaaa - das war dann doch ein wenig ungewohnt - ein Schülerarm vor meiner Brust entlang, einer direkt an meinen Bauch gepresst (dass mein T-Shirt dabei hochrutschte, konnte ich nicht verhindern), ein Schüler klemmte mit seinem Kopf unter meiner linken Achselhöhle, nur mein rechter Arm, da war mir ein Stück Distanz geblieben, der war lediglich mit den Haaren zweier Mädchenzöpfe in Berührung.
Jaaa - ungewohnt. Für die Schüler, die im Knoten ganz nah bei mir und der Kollegin gelandet waren, ganz sicher auch. Aber sie hatten es ja so gewünscht ...
Sehr ungewohnt - und doch:
Es ist gar nicht so schlimm :)

PS.
Und wenn der K. in fünf Jahren dann Abitur hat, werde ich ihn fragen, ob er sich noch dran erinnern kann, wie er da mit seinem Kopf in meiner Achselhöhle steckte. Und wie sich das für ihn anfühlte.

2 Kommentare:

  1. Ein ganz, ganz toller Bericht über eine Sache, die so schwer und so leicht sein kann. - Nicht empfehlenswert bei 35° im Schatten, da könnte Schweiß wie Sekundenkleber wirken. Und wie bekäme man eine verklebte Gruppe in den Krankenwagen zur ärztlichen Entwirrung?
    Das schrieb C. um 9.00 bei 29° im Schatten.

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  2. Es WAREN 35° (oder mehr)! Geklebt hat nichts.

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